Ersatz für Finanztransaktionssteuer?
Die von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble angekündigte Börsenumsatzsteuer als Ersatz für eine Finanztransaktionssteuer wäre für den WIFO-Ökonomen Stephan Schulmeister eine „Mogelpackung“. „Durch diese Schmalspurlösung würde die Grundidee, die Finanzmärkte zu stabilisieren, ruiniert“, kritisierte Schulmeister am Montag gegenüber der APA.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Auch die für Österreich erwarteten Einnahmen von 500 Mio. Euro ab 2014 würde die Börsenumsatzsteuer wohl nicht bringen. Schulmeister ging zuletzt von maximal 30 Mio. Euro aus. Für Schulmeister ist es schlicht „unverständlich“, dass Schäuble den Vorschlag der EU-Kommission zur Finanztransaktionssteuer nicht aufgreift.
Einnahmen geringer
„Das Schlaue am Kommissionsentwurf war ja die implizite Bestrafung Englands“, so Schulmeister: Nach dem „Residenzprinzip“ sollte die Steuer nämlich unabhängig vom Ort der Transaktion eingehoben werden. Sollte sich Großbritannien weigern, die Steuer gemeinsam mit Deutschland und Frankreich einzuführen, dann müssten also trotzdem alle von Franzosen und Deutschen durchgeführten Transaktionen am Finanzplatz London besteuert werden. „Wenn man Leadership zeigen würde“, so Schulmeister, dann könnte eine „Koalition der Willigen“ bei der Finanzsteuer also vorpreschen.
Die Einnahmen aus einer reinen Börsenumsatzsteuer wären dagegen „unvergleichlich kleiner“: In einer im Vorjahr durchgeführten Analyse kommt Schulmeister zum Ergebnis, dass eine Finanztransaktionssteuer in Europa 310,9 Mrd. Dollar (234,8 Mrd. Euro) bringen könnte. Davon würden allerdings nur 11,78 Mrd. Euro aus Aktiengeschäften an den Börsen stammen, weitere 92,4 Mrd. Euro aus sonstigen Börsengeschäften. Der große Rest von 130,7 Mrd. Euro würde aus außerbörslich abgewickelten Finanzgeschäften stammen.
Devisengeschäfte nicht erfasst
Für Österreich würde das (bei einem Steuersatz von 0,1 Prozent der Transaktionssumme) Einnahmen von bis zu 950 Mio. Euro jährlich bedeuten, wenn alle Finanzgeschäfte einbezogen werden. Würde die Steuer nur auf Börsengeschäfte fällig, dann wären es nur rund 30 Mio. Euro jährlich (Stand 2010). Das deshalb, weil die von österreichischen Banken häufig abgewickelten Devisengeschäfte davon nicht erfasst wären - was für Schulmeister auch den Widerstand der Banken gegen die Finanztransaktionssteuer erklärt.
Außerdem würde eine reine Börsenumsatzsteuer auf Aktien den eigentlichen Zweck der Finanztransaktionssteuer unterlaufen, so Schulmeister: nämlich eine Stabilisierung der Finanzmärkte „durch Reduzierung jener ganz schnellen Handelstransaktionen, die destabilisierend wirken“.
ATTAC: Keine Alternative
Die globalisierungskritische Plattform ATTAC Österreich sieht keine Alternative zur Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer. Die EU dürfe nicht vor der Finanzlobby einknicken, sondern müsse sich an ihre eigenen Beschlüsse halten, fordert Karin Küblböck von ATTAC Österreich am Montag bei einer Presseaussendung. Eine Finanztransaktionssteuer müsse so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Die Finanzlobby und die britische Regierung scheinen sich durchzusetzen, diese wollten eine Finanztransaktionssteuer mit aller Macht verhindern, so Küblböck angesichts der jüngsten Medienberichte. Die alternativ propagierte „erweiterte Börsenumsatzsteuer“ sei aber nichts Weiteres als eine bittere Beruhigungspille: „Eine solche Steuer würde zwar für Börsengeschäfte gelten, nicht aber für Derivate und Devisen. Damit wären bedeutende Elemente, die zukünftige Spekulationsblasen verursachen könnten, ausgespart“, kritisiert Küblböck.
Ökonomengruppe gegen Finanztransaktionssteuer
„Lassen wird die Finger von der Finanztransaktionssteuer“, forderte hingegen der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, namens der Ökonomengruppe „proMarktwirtschaft“. Die Steuer sei bestenfalls ein Nullsummenspiel, denn sie würde die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränken, die Unternehmensfinanzierung verteuern und der Wettbewerbsfähigkeit schaden.
Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtsverluste wären die Folge, sagte Helmenstein am Montag bei einem Pressegespräch. Zur Verbesserung der Transparenz auf den noch unkontrollierten Finanzmarktsektoren, etwa dem außerbörslichen Derivatehandel, brauche man die Steuer auch nicht, so der ehemalige Notenbanker und jetzige Consulter Josef Christl.
Tranparenz durch Meldepflicht
Die Undurchschaubarkeit des außerbörslichen Derivatehandels ohne zentrales Clearing gilt als wesentlicher Grund für die globale Finanzkrise, die durch den Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 ausgelöst wurde. Noch immer spielen sich rund 90 Prozent des Derivatehandels außerhalb von Börsen ab. Mitte vergangenen Jahres lag das Handelsvolumen laut „Financial Times Deutschland“ weltweit bei 708.000 Mrd. Dollar (533.000 Mrd. Euro). Mit einer Finanztransaktionssteuer soll laut EU-Parlament auch sichergestellt werden, dass der Finanzsektor einen „fairen und spürbaren“ Beitrag leistet, um die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen. Auch würde so einer „übermäßigen Risikobereitschaft“ des Bankensektors entgegengewirkt.
Die Verbesserung der Transparenz auf den Finanzmärkten wäre auch mit Meldepflichten und anderen Instrumenten kein Problem, meinte RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek. Auch zur Beschränkung des Hochfrequenzhandels (HFT) sei keine Finanztransaktionssteuer notwendig, denn die hohe Frequenz an sich sei kein Problem, so Brezinschek. Zudem habe der Hochfrequenzhandel sehr gute Auswirkungen, etwa auf die Liquidität der Finanzmärkte.
Bestenfalls Nullsummenspiel?
„Wir haben ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem“, betonte Helmenstein in Hinblick auf die Verschuldungsproblematik der öffentlichen Haushalte. Das Sparpaket der österreichischen Regierung stehe einnahmenseitig auf wackeligen Beinen, die 500 Mio. Euro pro Jahr ab 2014 für die Finanztransaktionssteuer bezeichnete Brezinschek als „gewagtes Unterfangen“. Die Regierung werde wohl nachjustieren müssen: „Einnahmenseitig fällt ihnen immer was ein. Wir sind für ausgabenseitiges Einsparen.“
Die Ökonomen bezweifeln, dass die von der EU-Kommission errechneten 57 Mrd. Euro Bruttosteueraufkommen pro Jahr erzielt werden können. Die Finanzsteuer sei bestenfalls ein Nullsummenspiel, wahrscheinlich sogar negativ, so Helmenstein. Von den 57 Mrd. Euro seien nämlich beschäftigungspolitische „Kollateralschäden“ von bis zu 1,76 Prozent des BIP bzw. 500.000 Arbeitsplätzen abzuziehen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Kritisch ins Gericht geht der Steuerexperte der Arbeiterkammer, Otto Farny, mit der Initiative „proMarktwirtschaft“.
AK: Nicht zu belegen
Der befürchtete Verlust von 500.000 Arbeitsplätzen sei durch nichts belegbar, so Farny am Montag in einer Presseaussendung. „Eine Steuer von 0,1 Prozent auf Aktienumsätze vernichtet also 500.000 Arbeitsplätze? Wer glaubt das?“, fragt sich Farny und stellt die Gegenfrage: „Wie viele Arbeitsplätze sind durch die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer entstanden, deren Sätze wesentlich höher waren?“, um sie dann selbst zu beantworten: „Keine.“
Es gebe keinerlei Belege dafür, warum eine Steuer von 0,1 Prozent auf Aktienumsätze den freien Kapitalverkehr verhindern soll und eine Steuer von 20 Prozent auf Waren und Dienstleistungen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht verhindert, so Farny weiter. „Es war die Finanzmarktkrise, die 8,5 Mio. Arbeitsplätze in Europa vernichtet hat“, so Farny. Deshalb werde der Finanzmarkt nun das Seine dazu beitragen müssen, diese Schäden abzufedern.
Links: