Angeklagter will nicht „Sündenbock“ sein
Der ältere Bruder des Serienmörders von Toulouse ist am Sonntag wegen Mittäterschaft angeklagt worden. Wie aus französischen Justizkreisen verlautete, wurde der 29-jährige Abdelkader Merah wegen Komplizenschaft und der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Vorbereitung von Terrorakten angeklagt und in Untersuchungshaft genommen.
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An der Anklageerhebung waren vier Anti-Terror-Richter beteiligt. Abdelkader Merah sei laut französischen Medienberichten „im Einklang mit den von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Punkten angeklagt worden“. Die Polizei habe „ernsthafte und übereinstimmende Erkenntnisse“, wonach er wahrscheinlich Komplize und Teil einer „terroristischen Unternehmung“ gewesen sei.
Treffen am Tag vor Schulattentat
Abdelkader Merah sei auch wegen gemeinschaftlichen Diebstahls angeklagt worden. Er hatte nach Angaben der Polizei zugegeben, beim Diebstahl des Motorrollers zugegen gewesen zu sein, mit dem sein 23-jähriger Bruder Mohammed Merah unterwegs war, als er sieben Menschen erschoss.
Laut einem Bericht der Zeitung „Le Parisien“ spricht unter anderem gegen den 29-Jährigen, dass sein Mobiltelefon in der Nähe der jüdischen Schule gefunden wurde, wo Mohammed Merah am Montag einen Lehrer und drei Schüler erschossen hatte. Die beiden Brüder sollen sich zudem am Vorabend der Bluttat getroffen und gemeinsam zu Abend gegessen haben.
Mutter erschüttert
Die Verteidigerin von Abdelkader Merah bestritt am Sonntagabend Polizeiangaben, denen zufolge sich der Beschuldigte während seines Verhörs „stolz“ angesichts der Taten seines Bruders gezeigt hatte. Anders als es in der Presse dargestellt worden sei, verurteile ihr Mandant die Taten „entschieden“. Er wolle nicht als „Sündenbock“ für die Taten seines Bruders herhalten, sagte Anwältin Anne Sophie Laguens vor Journalisten.
Laut Polizei hatte sich der nun in ein Hochsicherheitsgefängnis gebrachte Angeklagte „stolz“ gezeigt, aber angegeben, von dessen Angriffsplänen nichts gewusst zu haben. Abdelkader Merah war am Mittwoch zusammen mit seiner Lebensgefährtin festgenommen worden und befand sich seitdem in Polizeigewahrsam. Sonntagfrüh lief die bei Terrorfällen gültige 96-stündige Frist ab, nach der Verdächtige angeklagt oder freigelassen werden müssen. Die Lebensgefährtin und die ebenfalls in Gewahrsam genommene, laut Anwalt über die Ereignisse „erschütterte“ Mutter der beiden Brüder wurden am Samstag wieder freigelassen.
Kontakte zu Al-Kaida?
Mohammed Merah soll zwischen dem 11. und dem 19. März in Toulouse und Montauban drei Soldaten sowie vor einer jüdischen Schule einen Rabbiner und drei jüdische Kinder erschossen haben. Während der 32-stündigen Belagerung seiner Wohnung in Toulouse hatte der mutmaßliche Attentäter nach einem Bericht der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ gesagt, er „bedaure“, nicht mehr Kinder getötet zu haben.
Die Polizei prüft derzeit, ob Merah - wie er selbst behauptet hatte - Kontakte zur Terrororganisation Al-Kaida besaß und an Terrortrainings in Pakistan teilnahm. In Frankreich wird über Helfer spekuliert, die den Täter mit mehreren Schusswaffen versorgt haben könnten.
Terrorwarnstufe gesenkt
Am Samstag senkten die Behörden unterdessen die Terrorwarnung für den Südwesten Frankreichs von der höchsten Stufe, die seit vergangenen Montag gegolten hatte, um eine Stufe.
Am Wochenende fanden in mehreren Regionen Frankreichs Trauermärsche statt. Allein in Paris nahmen am Sonntag Tausende an einem Schweigemarsch gegen Rassismus, Antisemitismus und Terrorismus teil. Nach Angaben der Organisatoren zogen mehr als 20.000 Menschen vom Place de la Bastille zum Place de la Nation, die Polizei sprach von lediglich 2.800 Teilnehmern. In Toulouse fanden sich am Sonntag rund 6.000 Menschen zu einem religionsübergreifenden Schweigemarsch zusammen.
In der marokkanischen Stadt M’Diq wurde am Sonntag einer der von Mohammed Merah getöteten Soldaten beigesetzt. Tausende Menschen folgten dem Trauerzug mit dem Sarg des marokkanischstämmigen Fallschirmjägers, das Begräbnis fand im Beisein von mehreren hundert Menschen statt.
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