„Ziel für Behandlung identifiziert“
Es gibt sicher wichtigere Forschungsgebiete als männlichen Haarausfall. Trotzdem lässt das Problem Wissenschaftlern keine Ruhe. Nicht nur weil sich mit der Lösung gutes Geld verdienen ließe, sondern auch weil alle Faktoren dafür seit langem bekannt sind und nur das „Missing Link“ fehlte. Das könnte jetzt gefunden sein.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Grundzutaten für Haarausfall sind schnell genannt. Je nach genetischer Disposition lassen Nebenprodukte des männlichen Sexualhormons Testosteron die Haarfollikel früher oder später bis zur Unsichtbarkeit schrumpfen. Die Frage dabei seit Jahren: welches Testosteron-Nebenprodukt? Die Antwort darauf laut einer neuen Studie von Forschern der University of Pennsylvania: das Prostaglandin-Enzym D2 (PGD2).
Haarlose Mäuse als Beweis
Die Studie, die im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht wurde, beruht auf umfangreichen Versuchen mit Mäusen und menschlichem Haar. Am Anfang stand dabei die Erkenntnis, dass überall dort, wo Haarausfall stattfindet, erhöhte PGD2-Werte zu messen waren. Die Gegenprobe funktionierte auch: Mäuse mit künstlich erhöhtem PGD2-Niveau wurden komplett haarlos, menschliche Haare hörten unter dem Einfluss des Enzyms zu wachsen auf.
Forschungsleiter George Cotsarelis erklärte gegenüber der britischen BBC, damit habe man „das Ziel identifiziert, um männlichen Haarausfall zu behandeln“. Es gehe darum, eine Anbindung des Enzyms an die Haarwurzeln zu verhindern. „Der nächste Schritt wäre dann, nach einem Präparat Ausschau zu halten, das diesen Rezeptor beeinflusst.“ Dann bestehe nicht nur die Möglichkeit, Haarausfall zu stoppen, sondern eventuell auch „umzukehren“. Das werde aber noch „eine Weile dauern“.
Potenzielle Kunden, so weit das Auge reicht
Mit der Entwicklung eines Produkts, das Haarausfall „nur“ stoppt, könnte es umgekehrt sogar recht schnell gehen, stellen die Forscher in Aussicht. Wirkstoffe, die eine Anbindung des Prostaglandin-Enzyms an die Haarwurzeln verhindern, sind bereits bekannt. Manche davon befinden sich laut den Angaben bereits im Stadium klinischer Tests. Gegenüber der BBC sprach Cotsarelis von einer guten Chance auf eine in absehbarer Zukunft erhältliche Creme, die, auf die Kopfhaut aufgetragen, Haarausfall verhindern könne.
Dass eine derartige Studie aus einer US-Universität kommt, überrascht nicht. Für die Forschungsstätten mit ihrem überdurchschnittlichen Druck zu wirtschaftlicher Verwertbarkeit von Forschungsarbeit ist männlicher Haarausfall ein dankbares Thema. Der Kundenkreis allfälliger Käufer der versprochenen Wundercreme ist denkbar groß: Bis zum 50. Lebensjahr leidet die Hälfte der Männer unter Haarausfall, bis zum 70. Lebensjahr steigt der Anteil auf 80 Prozent.
Eigentlich hat jeder volles Haar
Bis es mit der Entwicklung des versprochenen Präparats so weit ist, können sich Männer, die sich über schwindendes Haupthaar Sorgen machen, immerhin mit der Erkenntnis trösten, dass die Haare streng genommen gar nicht verschwinden. Die Haarfollikel werden im Alter eben nur kleiner und kleiner, aber sie sind immer noch da. Daher gibt es - aus wissenschaftlicher Sicht - niemanden mit Glatze, sondern höchstens Leute, die den Anschein erwecken, als hätten sie keine Haare.
Links: