SMS-Nachfolger joyn startet noch 2012
Die Industrievereinigung der internationalen Mobilfunkanbieter (GSMA) hat auf dem Mobile World Congress in Barcelona überraschend einen neuen Standard für Kommunikationsdienste (RCS-e - Rich Communications Suite enhanced) vorgestellt. Grund für die Einführung des neuen Standards ist das schwindende Geschäft mit Kurzmitteilungen.
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Wie der britische Marktforscher Ovum jüngst vorrechnete, entgingen den Netzbetreibern allein 2011 knapp 14 Milliarden Dollar (10,5 Mrd. Euro) an SMS-Einnahmen - weil die Kunden statt der teuren Kurzmitteilungen verstärkt auf Kommunikation über kostenlose Onlinedienste umschwenken, egal ob Facebook Messenger, Google Talk, Twitter oder die vielen Messaging-Apps wie WhatsApp. Die Botschaft ist klar: Die SMS als wichtige Einnahmequelle der Telekombranche versiegt.
„Wir sehen eine klare Nachfrage nach verbesserten Mitteilungs- und Sprachtelefonieservices. Mit dem neuen Standard geben wir den Startschuss für zukünftige Internet-basierte Sprach- und Nachrichtendienste“, so GSMA-Generaldirektorin Anne Bouverot. Der Name joyn soll laut GSMA für Erreichbarkeit, Sicherheit, Qualität und Verbindung über alle Netze hinweg stehen. „Mit dem Namen wollen wir den Kunden sagen: Es ist einfach da und funktioniert“, so Bouverot weiter.
Die Vorteile für den Nutzer
Mit joyn können Handynutzer künftig unbegrenzt lange Nachrichten, statt wie bisher auf 160 Zeichen beschränkt, übermitteln. Auch die Unterhaltung mit mehreren Nutzern gleichzeitig (Gruppenchat) mit der Möglichkeit der Zuschaltung eines Videotelefonats sowie generell der Versand von multimedialen Inhalten wie Videos soll möglich sein.
Weiters sollen Dokumente, Fotos und der eigene Standort während eines Telefongesprächs an seinen Gesprächspartner verschickt werden können. Sämtliche Mitteilungen können zudem in der „Cloud“ gespeichert werden, um überall und jederzeit Zugriff darauf zu haben.
Telefonbuch wird zur Kommunikationszentrale
Herzstück des SMS-Nachfolgers ist ein verbessertes Telefonbuch. Dieses soll anzeigen, über welchen Kommunikationsweg jeder einzelne Kontakt erreichbar ist. Hat ein Gesprächspartner etwa eine schlechte Internetverbindung, soll die Möglichkeit eines Videotelefonats gar nicht erst angeboten werden.
Smartphone-Boom
Sechs von zehn verkauften Handys in Österreich sind Smartphones. Weltweit war 2011 jedes dritte verkaufte Mobiltelefon ein Smartphone, so die Marktforscher von Gartner. Bis zum Jahr 2015 soll der Anteil weltweit auf mindestens 50 Prozent steigen - und in Märkten wie den USA und Westeuropa so gut wie keine normalen Handys mehr gekauft werden.
Wohl erst mit Einführung des schnellen Mobilfunks Long Term Evolution (LTE) werden derartige Kapazitätsprobleme ausgeräumt sein und joyn-Nutzer sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen können.
„Joyn wird eine neue Erfahrung multimedialer Kommunikation bringen, die über bekannte Textnachrichten, Sprache, Bilder und Videos hinausgeht. Dabei wird joyn besonders einfach zu nutzen sein. Kunden müssen sich zum Beispiel keine Gedanken mehr machen, welche ihrer Kontakte welchen Nachrichtenübermittlungsdienst nutzen und wer wie am besten zu erreichen ist“, so Rene Obermann von der Deutschen Telekom, die den Dienst im Sommer einführen wird.
Smartphone wird mit App fit für joyn
Laut GSMA wird joyn auf neuen Smartphones in Kürze werksmäßig integriert sein. Alle anderen Handykunden können ihre Smartphones mittels entsprechender App für joyn fit machen. Während sämtliche große Smartphone-Hersteller (HTC, Huawei, LG, Nokia, Research In Motion, Samsung, Sony, ZTE) bereits ihre Unterstützung zugesagt haben, ist noch unklar, ob auch Apple mit an Bord sein wird.
Apple betreibt mit iMessage bereits jetzt ein iPhone-eigenes Konkurrenzprodukt zur SMS. Aufseiten der Infrastrukturanbieter sind Acme Packet, Alcatel-Lucent, Ericsson, Huawei, Mavenir und Nokia Siemens Networks dabei.
Spanien startet im April
Die drei großen spanischen Mobilfunkbetreiber Orange, Telefonica und Vodafone werden als Erste den neuen SMS-Standard umsetzen. Ab April sollen spanische Handykunden joyn-Mitteilungen netzübergreifend versenden können. Deutschland, Frankreich, Italien und Korea kündigten ebenfalls den Marktstart noch in diesem Jahr an.
Ob mit der Einführung von joyn Extragebühren auf die Handykunden zukommen oder die Nutzung in bestehende Datenpauschalen integriert wird, ist nicht bekannt. Auch ein Starttermin für Österreich wurde bisher nicht genannt. Auf Nachfrage von ORF.at erklärten T-Mobile, A1 und Orange, die Situation derzeit zu evaluieren.
Orange-Sprecher Tom Tesch: „Interessant ist joyn jedenfalls, weil das Service mit vielen neuen Smartphones ohne zusätzliche Installation durch den Kunden funktionieren wird und das Potenzial hat, Media Messaging wieder näher zu den Betreibern zu rücken.“ Auch bei dem Mobilfunker 3 wird das Thema evaluiert. Der Betreiber kann den rückläufigen Trend bei SMS in seinem Netz jedoch derzeit nicht bestätigen und sieht daher auch keinen dringenden Kundenwunsch nach joyn.
Beate Macura, ORF.at
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