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„Auf welchem Planeten leben Sie?“

Trotz Rekordschulden setzt Großbritannien im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute auf Steuererleichterungen. Die konservative Regierung von Premierminister David Cameron baut darauf, dass sich die Staatskassen füllen, obwohl sie Einkommenssteuersätze senken will - im Gegenzug soll die Grunderwerbssteuer für Luxusimmobilien steigen.

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„Wir werden jedes Jahr fünfmal mehr Geld von den reichsten unserer Gesellschaft einnehmen“, kündigte Finanzminister George Osborne am Mittwoch in seiner Haushaltsrede im Unterhaus an. Der höhere Grunderwerbssteuersatz soll für Eigentümer von Immobilien gelten, die mehr als zwei Millionen Pfund (2,4 Mio. Euro) wert sind.

Labour-Oppositionschef Ed Milliband konterte: „Auf welchem Planeten leben Sie und der Premier eigentlich? Wie kann eine Steuersenkung für die Reichsten Priorität haben?“ Die Gewerkschaften geißelten den Etat als „Haushalt der Reichen für die Reichen“.

Steuergrenze wird angehoben

Die Grenze für Einkommen, ab der Steuern erhoben werden, wird außerdem stärker als angenommen auf 9.205 Pfund angehoben. Damit sollen niedrige Einkommen dem Fiskus entzogen und zugleich die Kaufkraft der ärmeren Bevölkerungsschichten gestärkt werden. Außerdem soll ein Senken der Körperschaftssteuer den Unternehmen Entlastung verschaffen und damit die Wirtschaftserholung stärken.

Nach Berechnungen der unabhängigen Haushaltsbehörde OBR wird Großbritannien eine Rezession abwenden und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal wachsen. Die Wirtschaft soll in diesem Jahr um 0,8 Prozent zulegen, im kommenden Jahr dann um 2,0 Prozent.

Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau

Die Erholung der britischen Wirtschaft läuft jedoch nur schleppend. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Die Neuverschuldung kletterte im Februar sogar auf einen Rekordstand. Im vergangenen Monat lieh sich der Staat nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde rund 15 Milliarden Pfund. Der Betrag lag fast 100 Prozent über vorherigen Schätzungen.

Ein Jahr zuvor waren knapp neun Milliarden Pfund angefallen. Grund für den drastischen Anstieg war ein Steuerrückgang von 2,7 Prozent. Allein an Einkommensteuer nahm der Staat im Februar 12,4 Prozent weniger ein als noch vor einem Jahr. Im Gegenzug gab er insgesamt acht Prozent mehr aus.

Damoklesschwert Rating

Die Aufwendungen für Sozialleistungen stiegen binnen Jahresfrist allein um rund elf Prozent. Osborne steht damit vor einem Dilemma: Er soll den von den Ratingagenturen geforderten Sparkurs einhalten und zugleich die Wirtschaft fördern. Nach Moody’s hatte jüngst auch Fitch Großbritannien erstmals mit dem Entzug seiner Spitzenbonitätsnote gedroht. Die Agentur senkte den Ausblick auf negativ und begründete den Schritt mit Zweifeln an der Fähigkeit des Landes, mit wirtschaftlichen Schocks umzugehen.

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