„Natürliche Proteine“ in der Nahrung
Karamellisierte Mehlwürmer auf Kuchen, Mehlwürmer-Quiche, Tacos mit Grashüpfern: Insekten, die in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas zum Alltag gehören, stoßen auch in der Küche westlicher Restaurants auf Zuspruch. Einige findige Unternehmen sehen in der Züchtung von Insekten bereits ein lukratives Geschäft. Sie gehen davon aus, dass die Nachfrage noch steigen wird.
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Die Ideen gehen weiter über die bekannten Zuckerschlecker mit eingeschlossenen Heuschrecken, Skorpionen und Grillen hinaus. Der Student Harman Singh Johar etwa arbeitet gemeinsam mit Mitstreitern an der University of Georgia mit seinem Unternehmen „World Entomophagy“ daran, Mehlwürmer und Grillen biologisch und ohne Parasiten zu züchten und für eine größere Abnehmerschaft zu verkaufen.
Wer bisher Mehlwürmer essen wollte, musste sie in der Tierhandlung besorgen. „Das größte Problem ist momentan, dass es nicht genügend Ware gibt“, erklärt Johar gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Eine 100-Gramm-Dose gefriergetrockneter Mehlwürmer für den menschlichen Konsum kostet bei ihm derzeit zehn Dollar (7,6 Euro). 200 Grillen sind um 15 Dollar (11,4 Euro) zu haben.
Insekten aus dem Supermarkt
Auch in den Niederlanden richteten Firmen, die bisher Insekten als Tierfutter züchteten, eigene Produktlinien von Heuschrecken und Mehlwürmen für den menschlichen Verbrauch ein. Der Lebensmittelforscher Marcel Dicke von der Wageningen Universität ist überzeugt, dass Insekten künftig fixer Bestandteil der Ernährung sein werden: „2020 wird jeder Insekten im Supermarkt kaufen.“

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Insekten sollen auch in der westlichen Welt stärker auf den Speiseplan
Geht es nach der Welternährungsorganisation (FAO), werden Insekten als Nahrungsmittel in Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Sogar die EU unterstützt nun Berichten zufolge mit drei Milliarden Euro die Entomophagie-Forschung (Verzehr von Insekten), wie das Protein der Insekten am besten zu nützen ist. Experten gehen davon aus, dass dieses „natürliche Protein“ andere Nahrungsmittel ergänzen soll. Der Ekelfaktor beim Verzehr von sichtbaren Mehlwürmern und Heuschrecken hält sich dadurch in Grenzen.
Gesunde Proteine
Rund 1.700 Insekten sind Experten zufolge essbar, 2,5 Milliarden Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika haben Käfer und Würmer bereits als fixen Bestandteil ihrer Nahrung. Allein in Thailand gibt es rund 20.000 Insektenbauern, so ein aktueller FAO-Bericht. Auch abseits dieser Länder würde jeder im Durchschnitt rund ein halbes Kilogramm Insekten pro Jahr essen - meist vermischt in anderer Nahrung, erklärt der auf Insekten und Lebensmittel spezialisierte Wissenschaftler Arnold van Huis.
Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: Insekten sind eiweiß-, mineral- und vitaminreich, fettarm, brauchen weit weniger Wasser als Schweine und Rinder. Sie lassen sich auf kleinstem Raum züchten, und sie produzieren weit weniger Treibhausgas pro Gramm als bei der Produktion von Fleisch. Eine Stinkwanze etwa enthält pro Gramm gleich viel Eiweiß wie ein Steak und sechsmal mehr Eisen.
Dieses Eiweiß machen sich zusehends auch Sportler zunutze. Das kalifornische Unternehmen Bugmuscle etwa produziert proteinreiche Nahrungszusätze aus Insektenpulver für Sportler.
Knusprige Grille
„In den vergangenen drei Jahren stieg das Interesse, Insekten zu essen“, zeigte sich der Koch David George Gordon gegenüber der „Business Week“ überzeugt. Er schrieb auch ein Kochbuch „The Eat-a-Bug Cookbook“ mit 33 Wegen, Grashüpfer, Ameisen, Wanzen und Spinnen zu essen. Für das Rezept „knusprige Grillen“ empfiehlt Gordon in seinem Buch, die Grillen von Fühlern, Flügeln und Gliedmaßen zu trennen und dann auf einem geölten Backpapier rund 20 Minuten im Ofen zu backen. Die Grillen können etwa auf Salaten serviert werden oder zu „Mehl“ gemahlen werden.
Das Mitte April erschienene „Insectenkookboek“ der Niederländer Dicke, Arnold van Huis und Henk van Gurp führt in die Welt der Cupcakes mit Maden und anderen Insekten ein.
„City of Insects“
Eine entscheidende Rolle bei der Insektennahrung spielen die Niederlande, wo nachhaltiges Essen einen besonderen Stellenwert einnimmt. Rund um die Stadt Wageningen konzentrieren sich besonders viele Lebensmittelforscher. 2006 gab sich Wageningen sogar den Namen „City of Insects“ im Rahmen eines Festivals. An der dortigen Universität forscht auch Van Huis seit Mitte der 90er Jahre an Insekten in Lebensmitteln: „Menschen müssen lernen, dass es sicher ist“, betonte er gegenüber dem „Atlantic Monthly“.
Van Huis arbeitet auch für die FAO. Als FAO-Experte geht er davon aus, dass die Weltbevölkerung künftig nur mit Insekten ernährt werden könne - vor allem wenn sie bis 2050 auf die erwarteten neun Milliarden wächst.
Nun wird nach Techniken gesucht, Insekten so zu schälen und zu verarbeiten, dass sie appetitlicher aussehen. Erst im vergangenen Jahr stellte das niederländische Landwirtschaftsministerium Van Huis und seinem Team rund eine Million Euro zur Verfügung, um Mechanismen zu finden, das reine Insektenprotein für industriell verarbeitete Lebensmittel zu nützen.
Ökologische Alternative zu Fleisch
Marian Peters arbeitet seit einiger Zeit eng mit Van Huis zusammen. Sie sah in der Insektenzucht eine Chance für strauchelnde niederländische Bauern und gründete die niederländische Vereinigung von Insektenzüchtern, Venik. Ihr Unternehmen „Bugs Originals“ entwickelte Prototypen von Speisen aus Käfern und Würmern - von Insekten-Nuggets mit Pestogeschmack, Insekten-Falafel bis zu Huhn-Mehlwurm-Bällchen. Dadurch will sie Insekten als ökologische Alternative zu traditionellem Fleisch schmackhaft machen.
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