Themenüberblick

Protokolle, die ein Land erschüttern

Der Gorilla hat den slowakischen Wahlkampf fest im Griff gehabt. Der Affe wurde zum Symbol für einen Skandal, der die slowakische Politik gehörig durcheinanderwirbelte und zu Protesten Tausender enttäuschter Slowaken führte. „Gorilla“ heißt ein angebliches Abhörprotokoll des slowakischen Geheimdienstes SIS, das Korruption im großen Stil belegen soll.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Experten erachten das Abhörprotokoll als plausibel, während der Hauptbeschuldigte, die Finanzgruppe Penta, es als reine Fiktion abtut. Das Dokument ist laut Medienangaben das Transkript abgehörter Gespräche in einer Wohnung in den Jahren 2005 und 2006. In dieser soll sich Penta-Miteigentümer Jaroslav Hascak mit Politikern und Mitarbeitern von Politikern getroffen haben. Es ging angeblich um Schmiergelder in Millionenhöhe, die im Gegenzug für Privatisierungen geflossen sein sollen. Damals war die Mitte-rechts-Koalition von Mikulas Dzurinda an der Macht.

Penta bestreitet Fehlverhalten

Penta wehrt sich gegen die Vorwürfe und betont, man habe sich in der Slowakei kein Fehlverhalten zuschulden kommen lassen. Es gebe keine Beweise, dass das „Gorilla“-Dokument authentisch sei, hieß es in einer Mitteilung der Finanzgruppe an die APA. Die Anschuldigungen würden außerdem von Politikern kommen, die diese im Wahlkampf für sich instrumentalisieren würden.

Aus purem Zufall aufgeflogen

Aufgeflogen war die Affäre aus purem Zufall, sagt der slowakische Politologe Martin Muransky in einem APA-Gespräch. Eigentlich habe der Geheimdienst SIS den Besitzer der betroffenen Wohnung beobachten wollen. Erst später sei man draufgekommen, wer sich in der Wohnung aller traf. Der Bericht darüber hatte allerdings unerwartete Folgen. Der Agent sei gemeinsam mit seinen Kollegen entlassen worden.

Daraufhin habe der geschasste Geheimdienstmitarbeiter weiteren Kollegen das Dokument zukommen lassen, und auch diese hätten ihren Job verloren. Der Mann habe „Angst um sein Leben bekommen“. Er verteilte das Material weiter, unter anderen an den Journalisten Tom Nicholson. Die Abschrift des Abhörprotokoll tauchte auch im Internet auf.

Veröffentlichung gestoppt

Der seit den 90er Jahren in der Slowakei lebende kanadische Journalist Nicholson schrieb ein Buch über die Affäre. Doch ein Gericht in Bratislava ließ die Veröffentlichung stoppen. Es handle sich um einen Eingriff in die persönlichen Rechte Hascaks, hieß es in der Begründung. Dass es Penta gelang, die Veröffentlichung des Buches zu unterbinden, sorgte für Verwunderung. „Ich finde, dass das eine gewisse Demonstration von Macht ist“, sagte der Politologe Juraj Marusiak von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften.

Wochenlange Proteste

Tausende Slowaken waren in den vergangenen Wochen freitags auf die Straße gegangen, um ihrer Wut über die Korruption in ihrem Land Luft zu machen. „Die Gorillas, die unsere Bananen essen, müssen verschwinden“, sagte die Sprecherin der Protestbewegung, Alena Krempaska, gegenüber dem „Standard“ (Onlineausgabe). Der Affe wurde zum Symbol der Bewegung, die sich vor allem über Soziale Netzwerke wie Facebook organisiert.

Der Gorilla beziehungsweise äußerliche Ähnlichkeiten zu dem Tier standen offenbar auch Pate für die Affäre. Einer aus der Geheimdienstgruppe, die die Wohnung abhörte, habe diesen Spitznamen getragen, heißt es in Bratislava.

Alexandra Demcisin, APA

Links: