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Thatcher-Jahre prägten Briten

Sie war eine der einflussreichsten Politikerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Auch nach ihrem Tod scheidet sie die Geister und polarisiert die Menschen in Großbritannien und ganz Europa. Margaret Thatcher, die „Eiserne Lady“, die sich nicht nur mit harten Worten, sondern auch mit Hilfe ihrer Handtasche durchzusetzen wusste.

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Thatcher war die erste Frau, die Regierungschefin eines westlichen Landes wurde. Berühmt-berüchtigt wurde die Baroness aufgrund ihrer gnadenlosen Sozialpolitik und ihres entschlossenen Eintretens für die freie Marktwirtschaft. Eine Haltung, die als „Thatcherismus“ längst zum Schlagwort und zu einem Teil der politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts geworden ist.

Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen

Margaret Hilda Thatcher, geborene Roberts, wurde 1925 in Grantham/Lincolnshire als Tochter eines Greißlers und Kommunalpolitikers geboren. Sie studierte in Oxford Chemie und arbeitete einige Jahre als Chemikerin, unter anderem in dem Team, das das Softeis erfand. 1951 heiratete sie den wohlhabenden Unternehmer Denis Thatcher, 1953 brachte sie die Zwillinge Carol und Mark zur Welt.

Nach zwei vergeblichen Anläufen 1950 und 1951 gelang ihr 1959 im Nordlondoner Wahlbezirk Finchley der ersehnte Sprung ins Unterhaus. Es folgte eine steile politische Karriere für Thatcher, die mittlerweile auch ein Studium der Rechtswissenschaft abgeschlossen hatte. Mit 36 Jahren trat sie 1961 als parlamentarische Sekretärin im damaligen Renten- und Versicherungsministerium in die konservative Regierung Macmillan ein und behielt diesen Posten bis zum Sieg der Labour Party im Oktober 1964.

Steile Karriere

Danach war sie Sprecherin ihrer Partei im Unterhaus. Im Schattenkabinett von Parteichef Edward Heath war sie zunächst für Transportfragen, später für das Erziehungswesen zuständig. Nach dem Wahlsieg der Konservativen 1970 wurde sie Kultur- und Wissenschaftsministerin und kam so zu ihrem ersten Beinamen. Als „Milchräuberin“ wurde Thatcher in dieser Funktion berühmt, weil sie die Gratismilch an Volksschulen abschaffte.

1974 wurden die Torys abgewählt, in einer Kampfabstimmung gegen den damaligen Amtsinhaber Heath wurde „Maggie“ als erste Frau 1975 Vorsitzende der Konservativen Partei.

Eisern gegen Kommunisten

Der Spitzname „Eiserne Lady“ stammte aus einem Kommentar Radio Moskaus im Jahre 1976, nachdem die erklärte Antikommunistin die Sowjetunion scharf attackierte. „Die Russen haben gesagt, dass ich eine ‚Eiserne Lady‘ sei. Und sie hatten Recht“, sagte Thatcher beim Abtreten von der politischen Bühne. „Großbritannien braucht eine ‚Eiserne Lady‘“, meinte Thatcher, die diesen Beinamen immer als Ehrentitel verstand. Nach einem deutlichen Wahlsieg ihrer Partei im Jahre 1979 wurde sie als erste Frau in der Geschichte Großbritanniens Premierministerin.

Schwarz-Weiß-Bild von Margaret Thatcher mit Handtasche

Reuters/Michael Urban

Thatcher 1988 bei einem Besuch in Deutschland

Sozialstaat hatte ausgedient

Ihren Ruf als „Eiserne Lady“ verdiente sich Thatcher aber auch mit ihrem kompromisslosen Eintreten für die freie Marktwirtschaft und gegen die „Gewerkschaftsmacht“. Dem Land drückte sie unverkennbar ihren Stempel auf: „Vorher war Großbritannien pessimistisch, und die Rolle der Regierung beschränkte sich weitgehend darauf, ein siechendes Land zu verwalten“, sagte der Politikexperte George Jones von der London School of Economics.

„Sie wollte das nicht durchgehen lassen, sie wollte Großbritanniens Selbstvertrauen erneuern.“ Ganze Industriezweige privatisierte sie, im Gesundheits-, Sozial- und Schulwesen wurde ein radikaler Abbau zugunsten privater Initiativen betrieben. Millionen von Arbeitslosen waren die Folge. Sie senkte die Steuern für Unternehmer und Besserverdienende. Streiks wie der der Bergarbeiter 1984 bis 1985 wurden gnadenlos niedergeschlagen.

Mit der Handtasche gegen Brüssel und Argentinien

Mit dem früheren amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan pflegte Thatcher besonders enge Kontakte: Sie sah im amerikanischen Wirtschaftsmodell ein Vorbild, um dem damals angeschlagenen Großbritannien wieder auf die Beine zu helfen. Auch außenpolitisch herrschte Einigkeit zwischen beiden, indem sie entschlossen gegen die militärische Bedrohung durch die Sowjetunion Front machten. Mit dem legendär gewordenen Spruch „I want my money back“ und Handtaschen schwingend erreichte sie den bis heute - in abgeschwächter Form - gültigen „Britenrabatt“ zur Finanzierung der EU.

Auch in einen Krieg führte Thatcher das Land: Nach der argentinischen Invasion auf den Falkland-Inseln 1982 entsandte sie ein Expeditionsheer, dem sich die argentinischen Truppen 73 Tage später ergeben mussten. Mehr als 900 Menschen kamen in dem Krieg ums Leben. Der Krieg mit Argentinien um die kleinen Inseln verschaffte Thatcher einen Popularitätsschub, so gelang der durch ihre drastischen Reformen unbeliebt gewordenen Premierministerin die Wiederwahl.

„Poll Tax“ wurde ihr zum Verhängnis

Ein anderes Reformprojekt sollte ihr zum Verhängnis werden: Die geplante Einführung der „Poll Tax“, einer Kopfsteuer ungeachtet des Einkommens, sorgte für breite landesweite Proteste. Im März 1990 kam es in London nach einer Großdemonstration zu gewalttätigen Ausschreitungen, „Battle of Trafalgar Square“ nannten Medien die Straßenschlacht mit Dutzenden Verletzten. Thatchers Umfragewerte waren im Keller. Und innerhalb der eigenen Reihen war nicht nur die Steuer umstritten, der aufgestaute Ärger über ihren autoritären Führungsstil entlud sich in offenen Grabenkämpfen. Eine erste Kampfabstimmung um den Parteivorsitz konnte sie noch parieren, Ende November 1990 trat sie zurück.

Seit dem Tod ihres Mannes Denis im Juni 2003 lebte Thatcher allein in ihrem vierstöckigen Haus im Londoner Stadtteil Belgravia, mehrere Hausangestellte betreuten sie. Aus der Öffentlichkeit hatte sich Thatcher nach mehreren Schlaganfällen und einer fortschreitenden Demenzerkrankung völlig zurückgezogen. Sie erlag am 8. April 2013 87-jährig einem Schlaganfall.

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