Religiöse Minderheiten bedroht
„Christen in den Libanon, Alawiten in den Sarg“ - Parolen wie diese, die bei Protestmärschen zu hören sind, machen den religiösen Minderheiten in Syrien Angst. Besonders die Alawiten müssen fürchten, beim Sturz des Assad-Regimes die Rache der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung zu spüren zu bekommen.
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Jahrzehntelang herrschte der aus Alawiten bestehende Clan um Hafes al-Assad und dann um Baschar al-Assad uneingeschränkt und brutal über das heute rund 21 Millionen Einwohner zählende Land. Sie stützten sich auf einen Unterdrückungsapparat, der die Gegner der Präsidentenfamilie gnadenlos ausschaltete.
Zu den schlimmsten Verbrechen des Assad-Regimes zählt das Massaker von Hama 1982. Damals ließ Hafes al-Assad einen Islamistenaufstand blutig niederschlagen. Mindestens 20.000 Menschen dürften damals niedergemetzelt worden sein. Das Massaker ist insbesondere unter den Islamisten unvergessen, die für den Sturz des Regimes in Damaskus kämpfen.
Hass auf die Alawiten
Ihr Hass richtet sich auch auf die Alawiten. Einst in den gebirgigen Landesteilen beheimatet und unterprivilegiert, stellt ein Teil ihrer Angehörigen seit 1970, dem Jahr der Machtergreifung des 2000 verstorbenen Präsidenten Hafes al-Assad, die Oberschicht. Während der französischen Mandatsherrschaft (1920 bis 1946) kooperierten die Alawiten mit den Besatzern, während die Sunniten beispielsweise ihren Söhnen verboten, Militärdienst zu leisten. 1920 bekamen die Alawiten bei Latakia ein autonomes Gebiet.
Die Alawiten sind unter den Arabern in Westsyrien (rund zwölf Prozent) und im Libanon (rund ein Prozent) verbreitet. Sie sind namensähnlich mit der Gemeinschaft der Alevis (Aleviten) in der Türkei, religionsgeschichtlich aber nicht unmittelbar mit ihnen verbunden. Vor allem strenggläubige Sunniten sehen in den Alawiten keine wahren Muslime. Seit dem Mittelalter waren sie Verfolgungen ausgesetzt. Sie selbst verstehen sich als Zweig der schiitischen Glaubensströmung und berufen sich als „Nusairier“ auf ihren angeblichen Gründer Abu Suaib Mohammed Ibn Nusair, der im 9. Jahrhundert lebte.
Geheimhaltung spielt wichtige Rolle
Alawiten betreiben keine Mission. Man kann nur durch Geburt Alawit werden. Wie die Drusen haben sie eine stark esoterische Religion, die Außenstehenden gegenüber weitgehend geheim gehalten wird. Im Mittelpunkt steht die Verehrung von Ali Ibn Abi Talib, dem Schwiegersohn des Propheten Mohammed und Vierten Kalifen, auf den die schiitische Glaubensrichtung im Islam zurückgeht.
Hier endet aber die Gemeinsamkeit zwischen den Alawiten, den „Anhängern Alis“, und den Schiiten. Ein zentrales Element der Lehre ist die Verehrung Gottes in einer Dreifaltigkeit von Ali, Mohammed und dem Prophetengefährten Salman al-Farisi, sowie Fatimas, der Frau Alis und Tochter des Propheten. Zudem glauben die Alawiten an die Seelenwanderung.
Diese Glaubensvorstellungen widersprechen vor allem dem islamischen Monotheismus („Es gibt keinen Gott außer Allah“). Das mit Assad verbündete schiitische Regime in Teheran erkennt die Alawiten aber dennoch als Muslime an.
Frauen unverschleiert und gleichberechtigt
Im Unterschied zu den Sunniten praktizieren Alawiten weder das fünfmalige Gebet noch pilgern sie nach Mekka. Sie haben keine Moscheen. An ihren Gottesdiensten nehmen Frauen unverschleiert und gleichberechtigt teil. Zu ihren Kulten sollen auch Tänze gehören wie sie auch von den Sufi-Orden praktiziert werden. Es wird ihnen auch eine Beeinflussung durch den Sufismus nachgesagt.
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