Im Schatten von SOPA und PIPA
Mit weltweiten Black-outs hat die Netzgemeinde im Jänner gegen die US-Gesetzesvorhaben SOPA und PIPA protestiert. Nachdem diese auf Eis gelegt sind, erhoffen sich die Aktivisten nun einen vergleichbaren Erfolg bei ACTA.
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Bei den Aktionen Mitte Jänner ging es um SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect Intellectual Property Act), die zu dem Zeitpunkt im Repräsentantenhaus beziehungsweise Senat behandelt wurden. Die Gesetze sollten laut ihren Befürwortern, die vor allem aus der Unterhaltungs- und Medienindustrie kommen, den Missbrauch urheberrechtlich geschützter Inhalte im Netz eindämmen.
Weitreichende Maßnahmen
Die Befürworter argumentieren, dass durch Verstöße gegen das Urheberrecht jährlich Milliarden an Einnahmen verloren gehen, was Gegner bezweifeln. Mittlerweile sind die Abstimmungen auf Eis gelegt, weil sie nach den heftigen Protesten nicht auf die nötige Mehrheit gekommen wären. Zahlreiche Websites, darunter die englischsprachige Wikipedia, waren am 18. Jänner für einen ganzen Tag offline, um die möglichen Auswirkungen der Vorhaben zu demonstrieren.
Die geplanten Maßnahmen waren weitreichend und sahen unter anderem Netzsperren für Websites mit mutmaßlich unlizenzierten Inhalten vor. Suchmaschinen hätten inkriminierte Sites aus ihrem Index nehmen und Internet-Service-Provider (ISPs) den Zugang dazu sperren müssen, Links sollten strafbar sein. Anbieter hätten Inhalte proaktiv überwachen müssen.
ACTA: Spielraum durch schwammigen Text
Ganz so drastisch ist ACTA zwar nicht formuliert, doch auch hier befürchten Gegner Zensurmaßnahmen, da der schwammige Text viel Raum für Interpretationen zulässt und Strafandrohungen etwa Internet Service Provider dazu zwingen könnten, die Inhalte ihrer Nutzer proaktiv zu überwachen. Bisher ist nur das Abkommen selbst veröffentlicht worden, die Verhandlungsdokumente, die für die Interpretation des Abkommens notwendig wären, sind weiter unter Verschluss.
Im Schatten von SOPA und PIPA regte sich auch in Europa zunehmend Protest gegen ACTA anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens Ende Jänner. Den Anfang machte Polen. Zuerst legten Aktivisten Websites der Regierung lahm, später gingen dann Zigtausende Polen auf die Straße - mehr dazu in help.ORF.at. Die polnische Regierung reagierte schließlich nach einigen Wochen, auch nachdem die Umfragewerte der Regierung des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk immer tiefer sanken.
Polen setzt Ratifizierung zuerst aus
Anfang Februar setzte Polen die Ratifizierung des ACTA-Abkommens schließlich aus. Er teile die Ansicht derjenigen, die von unvollständigen Beratungen sprechen, so Tusk zu dem Zeitpunkt. Die Argumente der Netzgemeinde seien berechtigt, bei den Beratungen über Polens Unterschrift unter das Abkommen seien Internetnutzer nicht gehört worden. Stattdessen seien vor allem Gespräche mit den Inhabern von Urheberrechten geführt worden.
Auch Tschechien, die Slowakei und zuletzt Lettland setzten die Ratifizierung von ACTA mittlerweile aus. Die Kritik sei berechtigt, so auch der slowakische Wirtschaftsminister Juraj Miskov, ACTA erlaube zu viele Interpretationen. Das Kabinett von Ministerpräsident Petr Necas wolle das Abkommen noch näher analysieren, begründete ein Regierungssprecher den Rückzug Tschechiens. In beiden Ländern gab es vorher Proteste und Angriffe im Netz.
Deutschland will ACTA nicht unterzeichnen
Angesichts der kritischen Stimmung in bestimmten Teilen der Gesellschaft und der Bedenken von Experten bedürfe es vor der Ratifizierung eines konstruktiven und vernünftigen Dialogs mit den verschiedenen Interessengruppen, lautet die offizielle Erklärung der lettischen Regierung, warum das Abkommen nicht dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wurde.
Deutschlands Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte Anfang Februar noch, dass sie die Bedenken zu ACTA nicht teile, weil dadurch keine Gesetze geändert werden müssten. Das Auswärtige Amt begründete die Nicht-Unterzeichnung des Abkommens am Freitag nun mit Bedenken der deutschen Justizministerin. Eine Entscheidung in der Sache sei damit aber noch nicht verbunden, so ein Sprecher. Leutheusser-Schnarrenberger erklärte zwischenzeitlich, sie begrüße es, dass die ACTA-Debatte „so engagiert und öffentlich geführt“ werde.
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