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Kritik an Berichterstattung

Mit einer kurzen, aber emotionalen Erklärung hat Deutschlands Bundespräsident Christian Wulff am Freitag im Schloss Bellevue an der Seite seiner Frau Bettina seinen Rücktritt erklärt. „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war aufrichtig. Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt.“

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Es sei ihm „ein Herzensanliegen“ gewesen, „den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken“. Nun sei aber das Vertrauen in ihn „beeinträchtigt“, daher trete er mit sofortiger Wirkung zurück. Denn es sei ihm nicht mehr möglich, „das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach außen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist“. Bei der „anstehenden rechtlichen Klärung“ zeigte er sich von seiner vollständigen Entlastung überzeugt: „Ich habe mich in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten.“

Deutschlands Ex-Präsident Christian Wulff mit Ehefrau Bettina

AP/Michael Sohn

Bettina Wulff begleitete ihren Mann Christian bei seiner Rücktrittserklärung

Schon kurz nach seiner Rücktrittserklärung verabschiedete er sich von seinen Mitarbeitern. Er danke für deren „hervorragenden Einsatz“. Laut Augenzeugen soll es auch Tränen gegeben haben. Gegen 13.00 Uhr verließ das Ehepaar Wulff das Schloss Bellevue in Richtung Privatvilla im Berliner Dahlem.

Ermittlungen in Sachen Groenewold

Wochenlang hatte Wulff die Vorwürfe gegen ihn weitgehend zurückgewiesen und einen Rücktritt ausgeschlossen. Mit dem Antrag auf Aufhebung seiner Immunität durch die Staatsanwaltschaft Hannover am Donnerstag war der Druck aber offenbar zu groß geworden. Auf die geplanten strafrechtlichen Ermittlungen werde der Rücktritt aber keine Auswirkungen haben, sagte Behördensprecher Hans-Jürgen Lendeckel am Freitag: „Egal wie die Situation weitergeht, wir werden dazu keine weiteren Stellungnahmen abgeben.“

Jüngster Präsident

Christian Wulff war mit 51 Jahren der jüngste deutsche Präsident und hatte mit 598 Tagen zugleich die kürzeste Amtszeit. Schon sein Amtsantritt war eine stundenlange Zitterpartei. Erst nach drei knappen Wahlgängen konnte der frühere CDU-Ministerpräsident Niedersachsens ins Präsidentenamt wechseln. CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihn durchgesetzt.

Mit seinem Rücktritt ebnete Wulff indirekt auch den Weg für Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. „Mit dem Ende der Amtszeit ist die Immunität aufgehoben“, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Der Antrag auf Aufhebung der Immunität habe sich damit erledigt. Das Ermittlungsverfahren beginnt offiziell am Samstag.

Die geplanten Ermittlungen wegen Vorteilsannahme und -gewährung beziehen sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf das gesamte dienstlich-private Verhältnis zwischen Wulff und dem Filmfondsmanager David Groenewold - „soweit es strafrechtlich relevant ist“, sagte Lendeckel. Groenewold hatte mit dem Ehepaar Wulff auf Sylt geurlaubt und die Hotelkosten bezahlt. Wulff betonte, den Betrag später in bar beglichen zu haben.

Ins Blickfeld der Staatsanwaltschaft rückte die Verbindung, weil die niedersächsische Landesregierung einer Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Bürgschaft von vier Millionen Euro gewährt hatte, die aber nie in Anspruch genommen wurde. Der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft lautet auf Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung. Das kann mit einem Strafmaß von bis zu drei Jahren Haft belangt werden.

Merkel dankt dem Ehepaar Wulff

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stand bis zuletzt hinter Wulff und stärkte ihm den Rücken. Am Freitag nahm sie Wulffs Rücktrittserklärung mit „größtem Respekt und - ganz persönlich - auch mit tiefem Bedauern zur Kenntnis“: „Mit seinem Rücktritt stellt Bundespräsident Wulff nun seine Überzeugung, rechtlich korrekt gehandelt zu haben, hinter das Amt zurück, hinter den Dienst an den Menschen in unserem Land. Ich zolle dieser Haltung ausdrücklich meinen Respekt.“

Als aussichtsreiche Nachfolger für das Amt des deutschen Bundespräsidenten werden gleich mehrere Namen gehandelt: Finanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Lammert, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (alle CDU) und der 2010 gegen Wulff unterlegene frühere DDR-Bürgerrechtler und ehemalige Stasi-Unterlagen-Beauftragte Joachim Gauck. Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere wurden genannt. Letzterer will offenbar von einem Wechsel ins Präsidentenamt nichts wissen: „Das ist in jeder Hinsicht abwegig“, wie der CDU-Politiker am Freitag betonte.

Neue Vorwürfe aufgetaucht

Wie der „Spiegel“ berichtete, tauchten am Freitag neue Vorwürfe gegen Wulff auf. Demnach drohen neue Ermittlungen wegen angeblicher Gesetzesverstöße während seiner Zeit als VW-Aufsichtsrat. Laut dem Bericht überprüft die Finanzmarktaufsicht (BaFin) Wulffs Rolle in Verbindung mit der turbulenten Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW. Vonseiten der BaFin gab es dazu am Freitag keinen Kommentar.

Dem „Spiegel“ zufolge könnte nun ein Aktenvermerk aus der Staatskanzlei den Politiker belasten. Daraus gehe womöglich hervor, dass er früh von dem angeblichen Plan Porsches gewusst habe, die Kontrolle in dem viel größeren Konzern aus Wolfsburg anzustreben - und Informationspflichten nicht nachgekommen sei.

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