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Bevölkerung immer fordernder

Mit 4,5 Prozent ist die Inflation in China wegen höherer Lebensmittelpreise rund um das Neujahrsfest wieder gestiegen. Für Chinas Regierung ist es schwierig, die Balance zwischen Wachstum und Inflation zu halten. Die Angst vor Unruhen, getrieben durch Soziale Netzwerke, steigt.

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Nach Monaten des Rückgangs überraschte China mit seinen Inflationszahlen für Jänner die Analysten, die mit vier Prozent Preisanstieg gerechnet hatten. Angetrieben wurde die Inflation vor allem durch die Lebensmittelpreise, die im Jahresvergleich um 10,5 Prozent anzogen. Im Dezember waren die Lebensmittelpreise um 9,1 Prozent gestiegen.

Schweinefleisch wurde mit einem Plus von 25 Prozent noch einmal deutlich teurer, nachdem der Preis im Dezember bereits um 21,3 Prozent gestiegen war. Im Dezember lag die Inflation im Jahresvergleich bei 4,1 Prozent.

Chinas Führung peilt eigentlich eine Inflationsrate von vier Prozent an. Die zuletzt um nur 0,7 Prozent gestiegenen Produzentenpreise werden als Hinweis gedeutet, dass die Inflation grundsätzlich weitersinkt. Noch im Juli 2011 lag die Inflation bei 6,5 Prozent. Die Ausgaben für Essen, die bei den ärmeren chinesischen Familien fast die Hälfte der monatlichen Ausgaben ausmachen, stiegen damals im Jahresvergleich um 14,8 Prozent.

Wirtschaftswachstum vs. Inflation

Eine hohe Inflationsrate birgt einige Probleme: China versucht, seine Wirtschaft anzukurbeln, deren Wachstum mit 8,9 Prozent im letzten Quartal 2011 auf dem tiefsten Wert seit zweieinhalb Jahren lag. Der Internationale Währungsfond (IWF) warnte davor, dass Chinas Wachstum durch die Krise und sinkende Nachfrage aus Europa auf bis zu vier Prozent sinken könnte.

Im Jänner fiel der Export das erste Mal seit zwei Jahren um insgesamt 0,5 Prozent, die Importe gingen im Jahresvergleich um 15,3 Prozent zurück. Experten hatten jeweils mit einen Anstieg gerechnet. Die Zahlen sind allerdings durch das Neujahrsfest am 23. Jänner verzerrt, 2011 feierten die Chinesen ihr wichtigstes Fest im Februar. Üblicherweise schließen viele Fabriken anlässlich der Feiertage.

Schweinefleisch nicht mehr finanzierbar

Analysten sehen derzeit noch keinen Grund zur Beunruhigung, sie wollen die Februar-Zahlen abwarten. Bei steigender Inflation könnte China die wirtschaftlichen Zügel anziehen beziehungsweise Lockerungen aufschieben.

Hohe Inflation und vor allem Lebensmittelpreise schüren Unruhe in Chinas Bevölkerung und damit Möglichkeiten für Aufstände. Vor allem die zig Millionen Wanderarbeiter, die ihren hart erarbeiteten Wohlstand zunehmend schwinden sehen und sich ihr tägliches Schweinefleisch nicht mehr leisten können. Die stetig wachsende Mittelschicht hat ebenfalls immer mehr zu verlieren, zudem ist auch Chinas Immobilienmarkt überhitzt.

Arbeiter fordern bessere Bedingungen

Letztes Jahr gab es bereits einige Proteste der chinesischen Bevölkerung, etwa im Perlflussdelta, wo ein Drittel der Exporte Chinas produziert wird. Immer mehr Arbeiter verlangen neben besseren Arbeitsbedingungen auch mehr Lohn, um sich und ihre Familien ernähren beziehungsweise am allgemeinen Wohlstand teilnehmen zu können. Laut „Economist“ sind die Streikenden zunehmend besser organisiert und auch bereit, für ihre Anliegen zu kämpfen.

Vor allem Kinder der ehemaligen Landflüchtlinge, die selber nicht mehr aufs Land zurückkehren, aber in der Stadt auch nicht wirklich Fuß fassen können, sind oft die treibende Kraft hinter den Aufständen, so ein Bericht der Chinese Academy of Social Sciences (CASS).

Die Macht des Web 2.0

Und obwohl China das Internet stark kontrolliert, spielt gerade die zunehmende Vernetzung eine immer stärkere Rolle. Statt des blockierten Microbloggingdienstes Twitter wird in China Weibo genutzt, Ende 2011 von fast der Hälfte aller Chinesen mit Internetzugang - eine Vervierfachung im Jahresvergleich und sogar mehr als die, die E-Mails nutzen. CASS schätzt, dass 90 Prozent aller urbanen Internetnutzer unter 30 Jahren Microblogger sind.

Über Weibo werden Nachrichten viel schneller und fast unkontrollierbar von der Regierung verbreitet, egal ob Bilder von lokalen Protesten oder Informationen, die es sonst vielleicht nicht in die chinesischen Medien schaffen. Beim Aufstand der Bewohner des Fischerdorfs Wukan gegen Korruption und illegalen Landverkauf spielte Weibo eine wichtige Rolle, etwa bei der Verbreitung der Protestbilder. Die Regierung beugte sich schließlich dem Druck des Dorfes, die Bewohner dürfen nun ihre Kommunalpolitiker selbst wählen.

Im Schatten des Parteikongresses

Die derzeit unsichere wirtschaftliche Lage wird sich auch auf den für diesen Herbst geplanten 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas auswirken, der alle fünf Jahre stattfindet. Dort wird unter anderem die politische Linie für die nächsten Jahre festgelegt, zudem soll ein Generationenwechsel vollzogen werden. Im März 2013 wird China eine neue Regierung einsetzen. Unruhen kommen da zu keinem Zeitpunkt gelegen.

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