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Nutzung von Gärgas, „Auswaschen“ aus Rauch

Für die Klimabilanz ist das Recycling von CO2 - noch - nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der vom Menschen hinterlassene CO2-Fußabdruck ist jährlich Milliarden Tonnen schwer. Trotzdem setzen Unternehmen wie der Energiekonzern EVN und der Biosprithersteller Agrana auf die Rückgewinnung von CO2, die technisch aufwendig und nicht billig ist.

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Natürlich fällt immer wieder das Schlagwort „Nachhaltigkeit“ bzw. Klimaschutz, aber die Entwicklung entsprechender Verfahren hat auch handfeste wirtschaftliche Gründe: CO2 verursacht nicht nur den Treibhauseffekt, sondern ist auch ein Rohstoff. Der weltweite industrielle Bedarf an dem farb- und geruchlosen Gas beläuft sich auf Hunderte Millionen Tonnen pro Jahr.

Die EVN beschäftigt sich seit gut drei Jahren mit dem CO2-Recycling, bei der Agrana geht eine Rückgewinnungsanlage demnächst in Betrieb. Bei der EVN lief erst ein Pilotversuch, im Herbst begann der börsennotierte Energiekonzern damit, in seinem Kraftwerk im niederösterreichischen Dürnrohr Kohlendioxid chemisch aus Rauchabgasen „auszuwaschen“.

„Ökologisch und kommerziell interessant“

„Wir wissen jetzt, wie’s geht“, sagte EVN-Unternehmenssprecher Stefan Zach im Gespräch mit ORF.at. Die rückgewonnenen Mengen seien zwar - noch - relativ gering, das Verfahren aber auf jeden Fall schon kommerziell interessant. Nachdem so gut wie alle Nebenprodukte aus der Verbrennung (von Kohle, Anm.) und Abgasreinigung, etwa für Baumaterialien, wiederverwertet würden, sei das CO2 aus dem Rauch eigentlich „die letzte große Herausforderung“.

Allerdings, räumt man bei der EVN ein, sei das „Auswaschen“ aus den Verbrennungsabgasen auch eine sehr energieintensive Sache. Eine weitere Herausforderung sei es deshalb, Prozesse so zu optimieren, dass nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische Bilanz stimme - sprich: Die Rückgewinnung muss auch wirtschaftlich sein. „Wir sind beim Testen und arbeiten an der Effizienz.“

Bisher meist aus Erdgas gewonnen

Sinnvoll sei der Ansatz allemal. Als Industrierohstoff wird CO2 laut EVN-Sprecher Zach derzeit größtenteils aus Erdgas gewonnen. Die Idee, zumindest einen Teil des Bedarfs aus Abgasen zu decken und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen zu drosseln, sei deshalb nicht nur „ein spannender Ansatz“. Es sei „bedeutend sinnvoller, als dafür wertvolle Energierohstoffe zu verbrauchen“. Das rückgewonnene, gereinigte und verflüssigte CO2 landet am Ende etwa als Kohlensäure in Getränken.

Rückgewinnung aus Gärgasen

Weg und Ziel sind bei dem Projekt, das der Industriegasspezialist Air Liquide in Kooperation mit der Agrana betreibt, ähnlich, nur dass dort das Recycling-CO2 aus der Vergärung von Getreide kommt. Dabei wird ein Teil des biogenen CO2, d. h. jener Anteil, den die Pflanze zuvor aus der Luft aufgenommen hat, wieder freigesetzt.

Im April geht am niederösterreichischen Standort Pischelsdorf, wo der börsennotierte Konzern Bioethanol zur Treibstoffbeimischung herstellt, eine Anlage in Betrieb, in der das Gärgas aufgefangen, gereinigt und verflüssigt wird. Diese Anlage wird 120.000 Tonnen CO2 pro Jahr liefern, so der Leiter, Reinhold Reis. Air Liquide investiert in dieses Projekt rund 15 Mio. Euro.

Aspirin, Kosmetika, Feuerlöscher

Der aktuelle weltweite Gesamtbedarf an CO2 als Rohstoff lässt sich nur schwer abschätzen - er geht in unterschiedlichen Industriesektoren in die Hunderte Millionen Tonnen pro Jahr.

Das farb- und geruchlose Gas, das natürlich in der Atmosphäre vorkommt und weniger als 0,05 Prozent der Atemluft ausmacht, findet unter anderem in der Düngemittel- und chemischen Industrie, in der Herstellung von Kosmetika (Harnstoff) und Medikamenten (Aspirin), in der Lebensmittelindustrie (Kohlensäure), als Schutzgas beim Schweißen, als Kühlmittel (Trockeneis), als Feuerlöschmittel (CO2-Löscher), als Druckgas in der Erdölförderung („Enhanced Oil Recovery“), als Lösungsmittel (Entkoffeinierung von Kaffee) und in der Kunststoffindustrie Verwendung.

Georg Krammer, ORF.at

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