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Der Blick hinter die Geschichte

Mit Anselm Kiefer präsentiert das Klosterneuburger Essl Museum in seiner ersten Ausstellung 2012 einen der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Gezeigt werden 15 Werke aus der Sammlung Essl, die im vergangenen Jahrzehnt angekauft wurden. Die Werke seien „so stark und monumental, dass sie viel Freiraum brauchen“, erläuterte Karlheinz Essl am Donnerstag seine Überlegungen als Kurator der Schau.

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Den Sammler „begeistert“ die thematische Auseinandersetzung des Künstlers mit Geschichte, Mythologie, Philosophie, Literatur und Sternenkunde. Es gehe Kiefer um den Gesamtkosmos. „Alles, was er macht, sprengt alle Vorstellungsmöglichkeiten“, verwies Essl auf die riesige Dimension des Ateliers bei Paris und auch der Werke - das größte in Klosterneuburg im Ausmaß von acht mal vier Metern.

Installation Views/Ausstellungsansicht von The Fertile Crescent

Sammlung Essl Privatstiftung/Peter Kuffner

„The Fertile Crescent“ - das Auseinanderbrechen alter Kulturen

„The Fertile Crescent“ heißt das 2009 entstandene Werk, das im Essl Museum einen eigenen Raum einnimmt. Man habe lange gebraucht, um den richtigen Platz für das Bild zu finden, so Essl, habe sich aber schließlich ganz bewusst dafür entschieden, das Bild nicht zu hängen, sondern auf Transportrollen zu präsentieren, wie sie Kiefer auch in seinen Werkstätten verwende.

„Liebe auf den zweiten Blick“

Sein Interesse an Anselm Kiefer sei „Liebe auf den zweiten Blick“ gewesen, erzählte Essl. Seine Frau habe das Oeuvre des Künstlers viel früher ins Herz geschlossen. Der „Groschen“ sei bei ihm erst 2003 bei einem „unglaublichen“ Besuch in Kiefers Atelier in Südfrankreich gefallen, weshalb er dort „Horlogium“ (Sternenfall) ankaufte. Gemäß der Intention, mit der Sammlung in die Tiefe zu gehen, folgten dann im Laufe der Jahre die weiteren Erwerbungen - und ein Besuch in Paris.

Anselm Kiefer

Renate Graf

Anselm Kiefer zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart

„Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist. Ich mache ein Loch auf und gehe hindurch“, wurde der - wegen der Vorbereitung einer Ausstellung in Berlin - bei der Eröffnung der Ausstellung im Essl-Museum abwesende Künstler zitiert. Der deutsche Kunstkritiker und Kiefer-Kenner Peter Iden meinte, die Frage nach der Notwendigkeit der Kunst und Auseinandersetzung mit dem Leben an sich treibe den Künstler in solche Dimensionen, wobei er sämtliche Materialien einsetze - von Sand und Lehm über Haare, Asche, Dornenzweige bis zu Blech und Textilien.

Für Anselm Kiefer, geboren 1945 in Donaueschingen (Deutschland), spielt die Auseinandersetzung mit dem Erinnern, dem Gedächtnis, besonders auch mit der Vergänglichkeit und dem Vergessen eine eminent wichtige Rolle. Er lebt seit fast 20 Jahren in Frankreich, wo er in seiner riesigen Kunstwerkstätte arbeitet.

Provokation mit Hitler-Gruß

Mit dem räumlichen Abstand zu Deutschland hat sich auch seine Fixierung auf das Trauma der nationalsozialistischen Vergangenheit gelegt, mit deren Aufarbeitung Kiefer in den 1970er Jahren provozierte und polarisierte - unter anderem durch Selbstporträts, auf denen er mit Hitler-Gruß posierte.

Seine thematischen Bezüge haben sich seitdem stark erweitert. Neben der jüdischen Mystik haben vor allem die klassische Kosmologie und Themen wie Erschaffung der Welt, Zerstörung und Erneuerung verstärkt Niederschlag in seinen Werken gefunden. Ihre Monumentalität und Trümmerästhetik hat seine Kunst dadurch nicht verloren.

Ausstellungshinweis

„Anselm Kiefer - Werke aus der Sammlung Essl“, bis 29. Mai, Essl Museum Klosterneuburg, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs bis 21.00 Uhr, montags geschlossen. Zur Ausstellung ist ein Katalog (136 Seiten, 25 Euro) erschienen.

Trümmer als Ausgangspunkt für Neues

„Das Haus neben uns wurde total zerbombt. Gerade diese Trümmer empfand ich nie als etwas Negatives. Das ist ein Zustand der Transition, des Umschwungs, der Veränderung“, so der Künstler. „Diese Trümmer waren immer der Ausgangspunkt einer Konstruktion von etwas Neuem.“ Die großformatigen, antiheroischen Natur- und Historienbilder mit zerfallenen Monumenten, verwilderten Plätzen und morbiden Landschaften zeigen eine von der Vergangenheit zerfressene, zerstörte Gegenwart.

Kiefer bezieht sich auch auf literarische Texte, etwa Zitate von Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Gedichte seien für ihn „wie Bojen im Meer“, die für ihn Haltepunkte beim Schaffen seines Werkes seien, so Kiefer. „Kunst kann eine Erklärung der Welt liefern. Meine Bilder versuchen das.“

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