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„Vom Kapitän sitzengelassen“

Auch wenn den Passagieren der in Italien havarierten „Costa Concordia“ zuletzt die Zahlung von Schadenersatz zugesichert worden ist, dürfte das Unglück noch länger die Gerichte beschäftigen. Ein Besatzungsmitglied wirft in einer bereits eingebrachten Klage dem US-Eigner Carnival vor, die an Bord befindlichen Menschen nicht rechtzeitig über die Gefahren informiert zu haben.

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Die Passagiere und die Crew seien vom Kapitän sitzengelassen worden, zitierte das Wirtschaftsportal Bloomberg aus der in Chicago von einem Besatzungsmitglied eingereichten Klagsschrift. Den Angaben zufolge fordert der in Peru wohnhafte Gary Lobaton darin im Namen aller Belegschaftsmitglieder und Passagiere 100 Millionen Dollar (75,8 Mio. Euro).

Todesopfer und Verletzte hätten verhindert werden können, wenn die Verantwortlichen am 13. Jänner nach der Kollision mit einem Riff vor der Insel Giglio richtig und rechtzeitig über die an Bord entstandenen Gefahren informiert hätten, so Lobaton laut Bloomberg. Die Anklage richtet sich neben dem weltgrößten Kreuzfahrtanbieter Carnival auch gegen dessen Tochterfirma Costa Crociere, der das verunglückte Schiff gehört.

Auch Sammelklage in Arbeit

Als sicher gilt bereits, dass es sich bei der Klage erst um den Beginn eines möglicherweise langen juristischen Nachspiels handeln dürfte. Bereits in Arbeit ist Medienberichten zufolge eine Sammelklage von betroffenen Passagieren in den USA. Pro Passagier sollen dabei 125.000 Euro pro Passagier erstritten werden. Auch diese Klage richtet sich gegen die in Miami ansässige Costa-Mutter Carnival. Nicht ausgeschlossen werden könne aber, dass auch in Italien Klagen folgen werden, wie ein Rechtsvertreter deutscher Passagiere laut „Berliner Morgenpost“ betonte.

Einem Medienbericht zufolge sollen auch mehrere deutsche „Costa Concordia“-Passagiere bei der Bochumer Staatsanwaltschaft gegen Kapitän Francesco Schettino und die weiteren verantwortlichen Offiziere eine Klage eingebracht haben. „Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung, der Aussetzung, Gefährdung des Schiffsverkehrs und um unterlassene Hilfeleistung“, zitierte das Online-Portal der „Bild“-Zeitung Opferanwalt Hans Reinhardt.

Bis zu 14.000 Euro Schadenersatz

In Italien handelte die Reederei Costa Crociere zuletzt mit zwölf Verbraucherverbänden eine Pauschalentschädigung von 11.000 Euro pro Passagier aus. Das teilte der italienische Reiseindustrieverband ASTOI Confindustria, der die Verhandlungen koordiniert hatte, am Freitag in Rom mit. Zusätzlich soll jeder Passagier 3.000 Euro Schadenersatz für den Reisepreis und die Rückreisekosten erhalten.

Die Summe für verlorene Wertgegenstände, Gepäck, seelische Beeinträchtigung durch die Havarie und den für die Kreuzfahrt bezahlten Preis „liegt über den Entschädigungsgrenzen internationaler Vereinbarungen und der gültigen Gesetze“, erläuterte ASTOI Confindustria in der Mitteilung. Diese Regelung gelte für rund 3.000 der 3.200 Passagiere aus 60 Ländern. Die Hinterbliebenen der Opfer und die Verletzten sollen demnach gesondert entschädigt werden.

Historisches Abkommen?

Die italienische Verbraucherschutzorganisation ADOC sprach von einem „historischen Abkommen“, das einer „dramatischen Angelegenheit“ ein Ende setze. Zugleich lobte ADOC, dass bei der Entschädigungszahlung kein Unterschied zwischen der sozialen Herkunft und den Heimatländern der Passagiere gemacht werde. „Wir schätzen, dass rund 85 Prozent (der Passagiere) der Einigung zustimmen“, teilte ADOC mit. Costa Crociere drohen also weiterhin Klagen, auch von deutschen Urlaubern.

Passagiere, die auf das Angebot eingehen, müssen sich allerdings verpflichten, nicht gegen Costa zu klagen. Die Verbraucherschutzorganisation CODACONS, die an der Einigung nicht beteiligt war, empfahl Passagieren, das Angebot zunächst nicht anzunehmen und sich erst auf psychische Schäden untersuchen zu lassen. CODACONS ist federführend bei der bereits angesprochenen Sammelklage gegen Carnival in den USA.

Der heimische Verein für Konsumenteninformation (VKI) betrachtet das Entschädigungsangebot dagegen als „durchaus ordentlich“. „Die Österreicher hatten ja einigermaßen Glück, dass es keine Toten und mit einer Ausnahme keine gravierenden körperlichen Schäden gab“, sagte Peter Kolba, Leiter des Bereichs Recht im VKI - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Reederei will rasche Einigung

Die Entschädigung soll den Angaben zufolge auch für Kinder bezahlt werden, die gratis mitfuhren, so dass ein Ehepaar mit zwei Kindern 44.000 Euro erhalten würde. Der Reederei sei daran gelegen gewesen, das durch die Havarie entstandene Image nicht noch weiter zu verschlechtern, meinte die römische Tageszeitung „La Repubblica“ am Freitag. Die Havarie werde die Reederei alles in allem Hunderte Millionen Euro kosten.

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