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Streit über „Aufpasser“ für Athen

Auch wenn es zu Beginn des informellen EU-Gipfels in Brüssel nicht danach ausgesehen hat: Die EU-Staats- und Regierungschefs konnten sich am Abend doch noch auf gemeinsame Entschlüsse einigen. So wurde der vorzeitige Rettungsschirm ESM abgesegnet und ein neuer Fiskalpakt auf den Weg gebracht. Jedoch nicht ohne viel Streit und Politgetöse.

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Nach zähem Ringen konnte zumindest ein großes Thema abgehakt werden: Alle EU-Staaten - mit Ausnahme von Großbritannien und überraschenderweise auch Tschechien - haben einem gemeinsamen Pakt für mehr Haushaltsdisziplin zugestimmt, wie Gipfelchef Herman van Rompuy Montagabend bekanntgab. Die 25 Länder verpflichteten sich in diesem zwischenstaatlichen Vertrag zum Sparen und zur Einführung einer Schuldenbremse.

Besonders Deutschland und Frankreich hatten auf den Pakt gepocht, der in seinen Grundzügen bereits im Dezember vorgestellt worden war. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich nach dem Gipfelkompromiss entsprechend erfreut. Das sei „eine wirkliche Meisterleistung“, sagte die Kanzlerin nach Abschluss der siebenstündigen Beratungen mit ihren EU-Amtskollegen.

Angela Merkel, Herman van Rompuy und Manuel Barroso beim EU-Gipfel

dapd/Paul Zinken

Merkel im Gespräch mit Barroso und Van Rompuy beim Gipfel in Brüssel

Tschechien verteidigt Haltung

Tschechiens Premier Petr Necas schloss allerdings einen Beitritt seines Landes zum EU-Fiskalpakt zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus. Sollte Tschechien den Euro übernehmen wollen, müsste es seine Haltung ändern. „Bedingung zum Beitritt in die Euro-Zone ist die Verabschiedung und Ratifizierung dieses Vertrags“, sagte Necas der tschechischen Nachrichtenagentur CTK.

Gleichzeitig verteidigte er sein Nein beim Gipfel. Necas sieht Schwierigkeiten für eine eventuelle Ratifizierung des Vertrags in seinem Land. Denn dafür sei auch die Unterschrift des Präsidenten nötig. Präsident Vaclav Klaus hatte sich schon mehrmals gegen den Pakt ausgesprochen und gesagt, es wäre „evident unvernünftig“, einen derartigen Vertrag zu unterzeichnen. Es herrschten in Tschechien sehr widersprüchliche Meinungen zum Pakt, so Necas. „Auch die tschechische Regierung weiß und rechnet damit, dass der Regierungschefs keinen Vertrag unterzeichnet, wenn es keinen Konsens über den Ratifizierungsprozess gibt.“ Ohne breiten Konsens sei der Pakt kaum akzeptabel.

Kompromiss mit Polen

Eine Einigung beim EU-Gipfel hatte lange an Polen zu scheitern gedroht. Das Land forderte für seine Zustimmung eine Teilnahme am Gipfeltreffen der Euro-Gruppe. Unterstützung erhielt Polen auch von Ungarn und der Slowakei. In einem von Van Rompuy angebotenen Kompromiss sollen diese Staaten nun an Beratungen teilnehmen dürfen, bei denen es um drei Themen geht: die Wettbewerbsfähigkeit, Veränderungen in der globalen Strategie der Euro-Währung und künftige Reformen der Grundregeln für die Gemeinschaftswährung. Die Weigerung Großbritanniens war bereits vor dem Gipfel bekannt.

Milliarden gegen Jugendarbeitslosigkeit

Die Einigung auf einen neuen Fiskalpakt ist jedoch nicht der einzige Lichtblick an diesem Tag. Auch verschiedene Wachstumsimpulse wurden auf den Weg gebracht. Bei den Initiativen geht es um einen wirksameren Einsatz vorhandener Mittel, etwa aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), von dem bis 2013 noch 22 Milliarden Euro übrig sind.

Die acht Länder mit der höchsten Arbeitslosigkeit - Spanien, Griechenland, die Slowakei, Lettland, Italien, Portugal, Litauen und Irland - verpflichteten sich nach Angaben aus Kommissionskreisen im Pakt „Jugend in Bewegung“ zur Förderung der beruflichen Mobilität, den Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso vorgeschlagen hatte. Alle EU-Staaten sollen überdies in ihren nationalen Aktionsplänen spezielle Jugendprogramme vorlegen.

Rettungsschirm wird vorgezogen

Zudem wird der dauerhafte Rettungsschirm ESM gebilligt. Dieser soll ein Jahr früher als geplant am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Dadurch können Schuldensünder günstiger an Geld kommen, als wenn sie selbst Summen auf dem Markt aufnehmen würden.

Heftiger Streit über „Sparkommissar“

Überschattet wurde der Gipfel jedoch von dem Streit über eine Forderung Deutschlands nach einem „Sparkommissar“ für Griechenland. Die Forderung nach einem „Aufpasser“ war von Griechenland bereits am Wochenende zurückgewiesen worden, am Montag mehrten sich kritische Stimmen aus anderen EU-Ländern. „Griechenland hat harte Bedingungen zu erfüllen, es ist für die Griechen sicher nicht leicht“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in Brüssel. „Aber beleidigen muss man niemanden in der Politik. Das bringt nichts, und das führt nur in die falsche Richtung.“

Euro-Gruppe-Chef Jean-Claude Juncker sagte, wenn sich ein Land „dauerhaft außerhalb der Spur“ bewege, sei er Kontrollen „nicht abgeneigt“. „Aber ich halte das nicht für sehr glücklich, das nur in Bezug auf Griechenland zu machen.“ Aber es gab auch Unterstützung für den Vorstoß der deutschen Kanzlerin Angela Merkel - wenn auch verhalten. „Ich kann das verstehen“, sagte Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt beim Gipfel.

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