Bevölkerung profitiert kaum
Die Mongolei ist eines der rohstoffreichsten Länder der Welt. Seit rund zehn Jahren erlebt das Land einen Bergbauboom, der sich künftig noch verstärken wird. Die Bevölkerung profitierte davon bisher allerdings kaum. Viele Mongolen fürchten, dass multinationale Konzerne das Land ausbeuten werden und ihnen selbst nur die zerstörte Umwelt bleibt.
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Bisher wurden in dem von Wüsten und Steppen geprägten Land gut 6.000 Vorkommen von 80 verschiedenen Mineralien festgestellt - ein bisher weitgehend ungenutztes Potenzial. Große Vorkommen gibt es etwa an Kupfer, Gold, Molybdän, Wolfram, Flussspat, Kohle und Uran.
Riesige Kohle- und Kupfervorkommen
Im Südteil der Wüste Gobi wurden Kohle- und Kupferlagerstätten nachgewiesen, die zu den größten der Welt gehören. Die Kupferreserven des Landes werden auf über 30 Millionen Tonnen geschätzt. Diese Menge entspricht der doppelten weltweiten Jahresproduktion. Die Goldressourcen liegen bei rund 3.000 Tonnen.

Reuters/Nir Elias
Arbeiter in einer Goldfabrik
Derzeit werden erst rund 200 Lagerstätten bergbaulich genutzt. Die Fläche der konzessionierten Erkundungsgebiete umfasst allerdings fast 45 Prozent des gesamten Landes. Durch die Nutzung dieses Rohstoffpotenzials befindet sich die Mongolei auf dem Weg, eines der wichtigen Produzentenländer für Bergbauerzeugnisse zu werden. Bald könnte das Land bei der Versorgung der Weltwirtschaft mit mineralischen Rohstoffen eine entscheidende Rolle einnehmen.
Widerstand formiert sich
In Zusammenhang mit dem starken Preisanstieg bei Metallen kam es vor rund zehn Jahren in einigen Gebieten zu einer hektischen Bergbautätigkeit. Das führte zu einem rasanten Wirtschaftswachstum - im Schnitt fünf bis zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Unter dem Einfluss ausländischer Investoren wurden - meist unter Missachtung von Umweltauflagen - im Tagebau Lagerstätten abgebaut. Das führt zu großräumigen Veränderungen der Landschaft mit entsprechenden negativen Folgen für die Natur.
Abraumhalden und Abwässer der Aufbereitungsanlagen weisen etwa einen erhöhten Gehalt an Schwermetallen auf. Durch den Goldabbau trockneten bereits Flüsse aus. Zunehmend wehren sich Viehzüchter gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Die Bevölkerung befürchtet, dass die internationalen Unternehmen die Rohstoffvorkommen ausbeuten, das Land aber selbst nicht viel von dem Boom haben wird außer den Umweltschäden. Eine Bürgerinitiative prangert diese Entwicklung und die damit verbundene Korruption bereits seit geraumer Zeit an. In der Hauptstadt Ulan-Bator gab es Demonstrationen mit teils gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Wer kommt zum Zug?
Bisher sind es vor allem westliche Unternehmen, die den Bergbau in der Mongolei vorantreiben. Aber auch China und Russland mischen bereits kräftig mit. Einer der wichtigsten Bergbaubetriebe ist der mongolisch-russische Erdenet-Konzern, der vor allem Kupfer abbaut.
Große weltweite Aufmerksamkeit erhielten zuletzt die großen Kokskohlevorkommen in Tavan Tolgoi, einer in der Wüste Gobi gelegene Lagerstätte. Die großen Vorräte in Tavan Tolgoi - es soll dort mehr als sieben Milliarden Tonnen Kohle geben - liegen direkt an der Erdoberfläche und können leicht abgebaut werden. Kokskohle wird zur Produktion von Stahl benötigt - und der Stahlhunger und damit das Interesse Chinas an den Vorkommen sind immens. Auch Russland und Japan haben großes Interesse an den Kohlevorkommen.
Die Chinesen boten wie die Russen den Bau einer eigenen Eisenbahnlinie an, um die Kohle in großen Mengen wegschaffen zu können. Zuletzt hieß es, ein Unternehmen unter Führung des chinesischen Konzerns Shenhua soll einen Anteil von 40 Prozent am westlichen Tsankhi-Block der Kohlegrube erhalten. Weitere 36 Prozent der Förderung sind für ein Konsortium unter russischer Führung vorgesehen. Der US-Bergbaukonzern Peabody Energy soll die restlichen 24 Prozent kontrollieren.
Oyu Tolgoi: „Ausländische Wünsche“ akzeptiert
Weltweit in die Schlagzeien geriet zuletzt das Bergbauprojekt Oyu Tolgoi in der Wüste Gobi, mit dem riesige Kupfer- und Goldvorkommen erschlossen werden sollen. Das Bergwerk gehört zu 66 Prozent dem kanadischen Bergbaukonzern Ivanhoe, an dem der britisch-australische Konzern Rio Tinto zu 51 Prozent beteiligt ist. Die Mongolei hält nur 34 Prozent an dem Bergwerk.
Oyu Tolgoi soll im Jahr 2013 den Betrieb aufnehmen. Nach weiteren fünf bis acht Jahren dürfte es mit voller Auslastung fördern, wie die Unternehmen mitteilten. Gerechnet wird im Schnitt mit 450.000 Tonnen Kupfer pro Jahr sowie 330.000 Unzen Gold über einen Zeitraum von 35 Jahren. Damit ist es das größte ausländische Investment in der Geschichte der Mongolei. Das Kupfer soll direkt an China, das Land mit der größten Nachfrage, verkauft werden.
Mongolische Parlamentarier protestierten gegen diesen „Ausverkauf“. Die Regierung forderte daraufhin eine höhere Beteiligung des Landes an dem Projekt. Rio Tinto und Ivanhoe lehnten aber eine Änderung des Vertrages ab. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit. Schließlich machte die mongolische Regierung einen Rückzieher und akzeptierte die „ausländischen Wünsche“.
Korruption auf höchster Ebene
Nach dem Zusammenbruch des Einparteiensystems Anfang der 90er Jahre hatten viele einflussreiche Politiker die Lizenzen für die Rohstoffvorkommen untereinander aufgeteilt. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) gilt es in der Mongolei als offenes Geheimnis, dass neben anderen Politikern auch Ex-Staatspräsidenten in Besitz der lukrativsten Lizenzen sind.
Die Mongolei liegt in der Korruptionsindex-Skala sehr weit hinten. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International fordert daher, beim Abschluss von Verträgen zur Rohstoffversorgung besonders auf die Transparenz der Zahlungsströme zu achten.
Riesiges Wüsten- und Steppenland
Die Mongolei ist rund 18-mal so groß wie Österreich, hat aber nur 2,5 Millionen Einwohner und ist damit der am dünnsten besiedelte unabhängige Staat der Welt. Trotz seiner riesigen Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern hat die Mongolei nur zwei Nachbarn: Russland im Norden und China im Süden. Die Ost-West-Ausdehnung beträgt 2.392 Kilometer, die Nord-Süd-Ausdehnung 1.259 Kilometer. Das Land ist zu 40 Prozent von Wüste bzw. Halbwüste, zu 35 Prozent von Baumsteppe und zu 20 Prozent von Grassteppe bedeckt.
Schwieriger Übergang zur Marktwirtschaft
Nach den Revolutionen im Jahr 1989 in Osteuropa kam es auch in der Mongolei zu politischen Änderungen. 1992 wurde eine neue, demokratische Verfassung angenommen und die Marktwirtschaft eingeführt. Der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft war von vielen Problemen begleitet. Etwa 40 Prozent der Menschen leben unterhalb der extremen Armutsgrenze, ähnlich wie im Jahr 1990.
Die schwierigen Reformjahre haben den Anteil der Privatwirtschaft zwar auf 80 Prozent gesteigert, aber die sozialen Unterschiede und das Stadt-Land-Gefälle vergrößert. Die Landwirtschaft beschäftigt noch immer mehr als 40 Prozent der Bevölkerung, allerdings wachsen die Industrie und der Dienstleistungssektor rasant. Die Börse in Ulan-Bator war 2010 mit einem Kursplus von 140 Prozent die bestgehende der Welt.
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