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„Beängstigend, aber unvermeidlich“

Alex Gannett, Webunternehmer und Gründer der Plattform CampusSplash, hat 2012 zum „Jahr des Behavioural Pricing“ ausgerufen. Ein neuer Typ von E-Commerce sei im Entstehen, in dem die Preise individuell an das Konsumentenverhalten angepasst werden. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass der Trend bereits im Anmarsch ist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Dieses Jahr wird das Ende der statischen Preise markieren. Die Verwendung unserer Tweets, der Kreditwürdigkeitsangaben und der Webverlauf bei der Gestaltung der Preispolitik ist beängstigend, aber definitiv unvermeidbar“, so Gannett gegenüber der britischen „Daily Mail“. Was für den Konsumenten ein „schlimmer Alptraum“ sei, ist für Händler ein „Traum“.

Schon jetzt wissen Onlineshops eine ganze Menge über ihre Kunden. Wo diese zuvor eingekauft und welche Seiten sie besucht haben, lässt Rückschlüsse auf die Interessen und das Konsumverhalten der User zu. Gepaart mit Informationen aus Sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook erhalten Händler ein sehr konkretes Bild von ihren Kunden.

Verfügbares Datenvolumen steigt

„Onlinevermarkter haben die Menge an Daten, die sie über ihre Konsumenten besitzen, enorm erhöht. Sie stammen von komplexen Netzwerken aus Webverläufen, demografischen Aufzeichnungen, Treueprogrammen und immer mehr auch Social-Media-Profilen“, so Gannett zur „Daily Mail“. Eigene Firmen, etwa das Start-up Demdex, haben sich darauf spezialisiert, solche Daten zu sammeln und weiterzuverkaufen. In Zukunft könnte ein Klick auf „Gefällt mir“ auch den Preis eines Produkts ändern. Denn wer großes Interesse an einem Artikel oder verwandtem Gut signalisiert, ist auch eher bereit, dafür mehr zu zahlen.

Groupon: Größerer Rabatt für Unentschlossene

Der Gründer der Onlineschnäppchenportals Groupon, Andrew Mason, kündigte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, an, dynamische Preise einführen zu wollen: „Im Laufe der Zeit wollen wir aber Dinge einführen wie etwa dynamische Preissetzung, um die Bedürfnisse der Konsumenten besser zu befriedigen“, so Mason. „Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass wir einem Konsumenten, der weiter entfernt von einem Geschäft ist, einfach einen größeren Rabatt anbieten.“

Anstatt beim Bäcker um die Ecke soll der Konsument dann in einem Geschäft zwei Häuserblocks weiter einkaufen, weil dort sein Lieblingsbrot im Angebot ist. Es gebe einen „großen Experimentier- und Entdeckungsspielraum“, sagte Mason. Um diesen Schritt vollziehen zu können, setzt man bei Groupon auf einen „Smart-Deal-Algorithmus“. Gefüttert mit demografischen Daten und Angaben zu den persönlichen Interessen liefert dieser auf den Kunden zugeschnittene Angebote.

Geizhals: Händler differenzieren Preise schon

In unterschiedlicher Intensität werden ähnliche Methoden jetzt schon eingesetzt. Chris Simpson, Marketingchef der Preisvergleichsseite Kelkoo, sagte gegenüber der „Daily Mail“: „Verkäufer verwenden jetzt schon viele, viele Preisgestaltungsstrategien, die den Konsumenten nicht bewusst sind.“ Das sind zum Beispiel regionale Preisunterschiede und natürlich auch Preisunterschiede beim selben Produkt zwischen dem Onlinehandel und dem Kaufhaus. Auch durch Sammeln von Treuepunkten und das Verwenden von Kundenkarten bieten Verkäufer jetzt schon unterschiedliche Preisstrukturen.

Eine wichtige Rolle in der Bildung der Preise spielen im Internet Preisvergleichsseiten: Vera Pesata, Marketingleiterin der österreichischen Preisevergleichsseite Geizhals.at, sagte auf Anfrage von ORF.at, dass mehrere deutsche Händler ihren Kunden schon jetzt individuelle Preise anbieten: Usern, die über den Link einer Preisvergleichswebsite auf die Händlerseite stoßen, werden bessere Preise angeboten als jenen, die direkt den Shop aufrufen.

Wer iPad hat, ist bereit, mehr zu zahlen

Auch bei der „New York Times“ scheint „Behavioural Pricing“ bereits auf der Tagesordnung zu stehen: So verrechnet der Verlag etwa 15 Dollar für das Smartphone-Abo. IPad-User hingegen müssen 20 Dollar pro Monat berappen, um die Zeitung auf ihrem mobilen Endgerät lesen zu können. Der Hintergrundgedanke, so vermuten Blogger: Jemand, der 500 Dollar für ein Tablet zahlt, ist auch bereit, mehr für die Zeitung zu zahlen als der durchschnittliche Smartphone-User.

Ganz so einfach dürfte es für die Onlinevermarkter aber auch nicht sein. Eine Errungenschaft, die im Internet in den letzten Jahren erreicht werden konnte, ist eine große Preistransparenz, herbeigeführt unter anderem durch Preisvergleichsseiten. „‚Behavioural Pricing‘ mag zwar der nächste logische Schritt sein, es ist jedoch eine riesige, komplexe Herausforderung für Vermarkter“, sagte Simpson. Die große Gefahr sei, dass Verkäufer mit derartigen Strategien, falls die Konsumenten sie durchschauen, ihre Reputation aufs Spiel setzen.

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