Beteiligung an Kosten und Erträgen
Versorgungssicherheit und strategische Abhängigkeiten auf dem Energiesektor sind nicht erst seit dem Beschluss des Atomausstiegs in Deutschland ein Thema. Nicht dass es an ehrgeizigen Zielen für den großen Umbau mangeln würde, aber die sind zeitlich weit gesteckt. Vor diesem Hintergrund steigt der Zuspruch zu regionalen Initiativen, die das Heft bei der Energieversorgung selbst in die Hand nehmen.
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Die Idee dahinter: Bürger beteiligen sich finanziell an der Errichtung der Anlagen und beziehen dafür eine entsprechende Menge Strom oder sind finanziell an der erwirtschafteten Leistung beteiligt. Nach diesem Modell wirbt die oberösterreichische Energie AG (EAG) unter dem Motto „Sonne kaufen und für die Zukunft vorsorgen“ für ein erst kürzlich vorgestelltes Projekt, in der oststeirischen Ökoregion Kaindorf wird eine weiteres gerade umgesetzt.
Reges Interesse an Pilotprojekten
Die EAG bietet ihren Netznutzern unterschiedliche Beteiligungspakete und im Gegenzug über 13 Jahre eine Verzinsung von 3,3 Prozent. Zwei Anlagenstandorte seien bereits fix, so Unternehmenssprecher Michael Frostel gegenüber ORF.at. Doch wieso Bürgerbeteiligung und nicht eine Finanzierung aus eigenen Mitteln? Den Wunsch mitzumachen hätten Interessierte selbst geäußert, so Frostel, nachdem die EAG eine Pilotanlage auf ihrem SolarCampus in Eberstalzell errichtet hatte.
Daher sei das Angebot eines an Bürger, die sagten, „ich möchte einen Beitrag leisten, kann das alleine aber nicht“, sei es, dass man keine geeigneten Flächen hat, sei es, dass sie nicht die ausreichenden finanziellen Mittel für eine eigene Anlage haben. Außerdem sei das Projekt ein attraktives Anlagemodell, besonders in Zeiten niedriger Sparzinsen. Vergleichbare Modelle mit dem Etikett „Bürgerkraftwerk“ gibt es in Deutschland bereits mehrfach, auch Wien hat unter dem Titel „Solarkraftwerk“ Pläne mit privater Beteiligung. In der Steiermark und in Vorarlberg sind entsprechende Anlagen bereits in Betrieb.
Bürgerprojekt in steirischer Ökoregion
Nicht immer braucht es bei derartigen Projekten einen kommerziellen bzw. kommunalen Partner an Bord, wie das jüngste Beispiel aus der Ökoregion Kaindorf im steirischen Bezirk Hartberg zeigt. Dort entsteht im nächsten halben Jahr eine gemeinschaftliche Photovoltaikanlage mit einer Leistung von vorerst 100 Kilowatt peak (kWp). Eine Erweiterung sei nicht ausgeschlossen, sagte Projektleiter Joachim Ninaus im Gespräch mit ORF.at.
Wp und kWp
Photovoltaikanlagen wandeln das Sonnenlicht mit Hilfe von Solarzellen in elektrischen Strom um. Der dadurch entstehende Gleichstrom wird mittels eines Wechselrichters in Wechselstrom umgewandelt. Die Maßeinheiten Watt peak (Wp) und Kilowatt peak (kWp) geben die Leistung von Solarzellen unter standardisierten Bedingungen wieder. Es handelt sich daher um einen Richtwert, wobei die reale Leistung je nach Standort variiert.
Mit dem Pilotprojekt wollen die Initiatoren den CO2-Ausstoß in der sechs Gemeinden umfassenden Ökoregion jährlich um 3,5 Tonnen CO2 reduzieren und Strom für mehr als 35 Haushalte produzieren. Interessenten konnten sich aber einer Summe von 100 Euro an dem Projekt beteiligen - zu ähnlichen Konditionen wie in Oberösterreich. Die Nachfrage, auch von außerhalb der Region, sei groß gewesen, so Ninaus.
Schließlich machten die Investitionen bei einer Gesamtsumme von 160.000 Euro zwischen 200 und 15.000 Euro aus. Ende Jänner wurde der Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Die Idee sei ursprünglich aus dem Konzept „Ökoregion“ (Motto: „CO2-neutral bis 2020“) heraus entstanden, so Ninaus. „Wir haben uns gefragt: Was können wir beim Strom tun?“, und Photovoltaik sei die naheliegende Lösung gewesen. Aber auch der gemeinschaftliche Aspekt und Bewusstseinsbildung in Sachen grüne Energie hätten eine große Rolle gespielt.

Ökoregion Kaindorf
Steirische Ökoregion Kaindorf aus der Luft
„Besser Anlage auf dem Dach statt Aktien im Keller“
Bei der Photovoltaic Austria, der Interessenvertretung der Branche in Österreich, stoßen derartige Beteiligungsprojekte auf ein sehr positives Echo. „Jede Demokratisierung der Energieversorgung ist ein Schritt in die Zukunft“, so Obmann Hans Kronberger im Gespräch mit ORF.at. Die Dezentralisierung der Versorgung sei außerdem ein langfristiger Garant für Versorgungssicherheit und Preisstabilität, da sie die Abhängigkeit von den knapper werdenden fossilen Energieträgern verringere.
Dass sich diese Beteiligungen zunehmender Beliebtheit erfreuen, begründet Kronberger einerseits mit zunehmender Sensibilität für das Thema Ressourcenknappheit und Umwelt, andererseits damit, dass gerade im Moment wohl nicht jeder das „Nervenkostüm“ für Finanzmarktinvestments hat: „Lieber eine Photovoltaikanlage auf dem Dach als meine Aktien im Keller“, so Kronberger. Allerdings: Ganz einfach seien Beteiligungsprojekte nicht immer umzusetzen. Mitunter müsse man sich dabei „durch einen Wust rechtlicher Fragen“ kämpfen. Die „Bürgerkraftwerke“ sind ganz unterschiedlich als Vereine, Genossenschaften u. a. organisiert.
Ohne Förderung noch nicht voll konkurrenzfähig
Ohne Förderungen, so Kronberger, sei Strom aus Photovoltaik - noch - nicht konkurrenzfähig, wie das bei neuen Energieträgern generell der Fall sei. Das werde sich allerdings in den nächsten drei bis fünf Jahren ändern.
Allerdings: Auf jeden Fall rentabel ist es, seinen Eigenverbrauch - ganz oder teilweise - aus Strom vom Dach zu decken anstatt ihn beim Versorger einzukaufen. Experten raten auch dazu, seinen Energieverbrauch - soweit planbar - in Abstimmung mit der Leistung der Anlage zu optimieren.
Ende der „ökologischen Schlummerjahre“?
Betreffend Förderungen spricht Kronberger übrigens lieber von „volkswirtschaftlichen Investitionen“ als von „Förderungen“. Mittlerweile sei eine „ziemliche Dynamik“ in der Branche. Trotz gleich bleibender Förderungen würden mehr Anlagen errichtet.
Auf Dauer werde Photovoltaik dazu beitragen, dass der Strompreis sinkt, zeigt sich der Branchenverband überzeugt. Derzeit drohe Österreich aber durchaus noch - etwa im Vergleich zu Deutschland -, bei Photovoltaik zurückzufallen, da man sich hierzulande ein paar „ökologische Schlummerjahre“ gegönnt habe.
Anteil am Gesamtenergiemix noch gering
Tatsächlich ist der Anteil des Stroms aus Sonnenenergie gemessen an der Gesamtproduktion in Österreich noch relativ gering. Laut der Regulierungsbehörde E-Control flossen 2010 rund 26 Gigawattstunden (GWh) aus knapp 5.400 „anerkannten“ Anlagen zum Einspeisetarif via Abwicklungsstelle für Ökostrom AG (OeMAG) in das öffentliche Netz. Das entspricht - gemessen an der Leistung der Energieversorgungsunternehmen - einem Anteil von 0,04 Prozent. Zum Verglich: Der Anteil von Erdöl machte ein, der von Kohle acht und der von Erdgas 19 Prozent aus.
Die Photovoltaic Austria gibt den Gesamtanteil des Sonnenstroms (unter Einbeziehung nicht geförderter bzw. betrieblicher Anlagen etc.) für 2010 immerhin mit 88,8 GWh (oder 0,15 Prozent) an. Damit hätten diese Anlagen zu einer Reduktion der klimaschädlichen CO2-Emissionen, wie sie bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen, um 36.733 Tonnen beigetragen. In Österreich stiegen die Gesamtemissionen laut Daten des Umweltbundesamts von Mitte Jänner von 2009 bis 2010 um 4,9 auf 84,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Damit liegt Österreich um 6,2 Mio. Tonnen über dem Kyoto-Klimaschutzziel. Größter Emittent war die Industrie gefolgt von Verkehr und Heizen.
Georg Krammer, ORF.at
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