Big Ben neigt sich nach links
46 Zentimeter Schräglage hat der Uhrturm auf dem höchsten Punkt. Sein Absinken führte schon zu Rissen in den Wänden des Houses of Parliament. Die Sorge, dass das ganze Gebäude in der Themse versinken könnte, weisen Experten aber entschieden zurück. „Gebäude stehen eben ein bisschen schief“, sagen die Statiker. Das sei ganz normal.
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Oft macht das britische Parlament Schlagzeilen. Dieses Mal geht es aber nicht um Probleme oder Risse in der Koalition - nein, es geht um den Zustand des weltbekannten Altbaus selbst. Denn das neogotische Prunkgebäude bereitet den Briten zunehmend Sorgen: Der Uhrturm mit dem Big Big sinkt ungleichmäßig in den Boden und hat bereits eine beträchtliche Schräglage in Richtung Nordwest erreicht.

AP/Kirsty Wigglesworth
46 Zentimeter neigt sich der Uhrturm auf dem höchsten Punkt nach links
„Es ist eine Neigung von 46 Zentimetern oder 0,26 Grad auf dem höchsten Punkt“, sagt John Burland, Professor am Imperial College London, gegenüber der BBC. „Das ist genau die Schwelle, an der etwas nicht mehr vertikal, sondern schon leicht schief wahrgenommen wird.“ Immer öfter fällt Touristen der Linksdrall des berühmten Turms nun auf.
Parlamentsmitglieder beraten
Ein Ausschuss von Parlamentsmitgliedern hat nun beraten, wie ein weiteres Absinken des 96 Meter hohen Glockenturms - der auch nach seiner berühmten Glocke Big Ben - genannt wird, verhindert werden könnte. Denn die Sorge der Briten, dass das Absacken für weitere Risse in den Wänden der Westminister Palace sorgt, ist groß. Vorerst soll aber wenig bis gar nichts passieren: Ein Studie über die notwendigen Sanierungsmaßnahmen wurde in Auftrag gegeben. Diese würden aber frühestens 2020 beginnen.
Bereits im Jahr 2009 wurde der Zustand des Gebäudes genau untersucht, die Ergebnisse bekamen aber nur Parlamentsmitglieder zu sehen. Damals kam man zu dem Schluss, dass der Turm im Vergleich zum Langzeitdurchschnitt zunehmend schiefer geworden war - nämlich um 0,9 Millimeter anstelle der früheren 0,65 Millimeter pro Jahr. Kritiker machen dafür Bauarbeiten im Bereich des Fundaments des Houses of Parliament verantwortlich: etwa den Ausbau der U-Bahn-Linie Jubilee oder den Bau einer Tiefgarage in den 70er Jahren.

Reuters/Kirsty Wigglesworth
Sorge um den Nationalstolz der Briten: Hinter dem großen Ziffernblatt verbirgt sich die berühmte Glocke Big Ben
„So sind Gebäude eben“
Doch Experten beruhigen: Die Schieflage sei schon vor dem Bau der Tiefgarage und dem Ausbau der U-Bahn-Linie da gewesen. „Sie ist nichts Neues“, sagte Burland, der die fünfstöckige Tiefgarage unter dem Gebäude entworfen hat und auch bei der Restaurierung des Schiefen Turms von Pisa dabei war. „Schon als wir in den 70er Jahren mit den Bauarbeiten begonnen haben, war der Glockenturm ganz offensichtlich schief - so sind Gebäude eben.“
Burland vermutet, dass das Absinken überhaupt schon während der Bauzeit des Glockenturms begonnen habe, also vor dem Jahr 1858: „Denn in der Fassade des Turms sind keine Risse zu sehen.“ Auch um die Risse in den Wänden des Houses of Parliament macht sich Burland keine Sorgen: „Sie sind gut für das Gebäude, denn es bewegt sich thermisch, und wären sie nicht da, wären sie anderswo“, so der Professor.
Einsturzgefahr erst in 10.000 Jahren
„Würde sich der Turm noch stärker neigen, müssten wir etwas tun, aber so haben wir vermutlich noch einige Jahre Zeit“, sagte Burland gegenüber dem „Daily Telegraph“. Eine größere Gefahr für den Uhrturm bestehe jedenfalls erst in etwa 10.000 Jahren, so Burland gegenüber der BBC. Dann würde er etwa eine Schräglage wie der Schiefe Turm von Pisa erreichen. Die beträgt nämlich vier Grad.
Nina Flori, ORF.at
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