Deckel drauf und aus
Die betriebsamen Bauarbeiten auf dem früheren Ground Zero im Süden Manhattans erwecken kaum den Eindruck, dass das neue New Yorker World Trade Center (WTC) einem desaströsen Schicksal entgegenschlittert. Doch der geplanterweise 80 Stock hohe Wolkenkratzer Three World Trade Center steht unmittelbar vor dem Baustopp.
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Nach der Fertigstellung des Hochhausfoyers könnte auch schon wieder Schluss sein. Wie das New Yorker Wirtschaftsportal Crain’s berichtete, will Immobilienentwickler Larry Silverstein nach sieben Stockwerken im wahrsten Sinn einen Deckel auf den Torso setzen, da er keine Mieter für das geplante Bürohochhaus findet. Entsprechende Vorkehrungen dafür wurden am laufenden Bau offenbar schon getroffen.

Reuters/Brendan McDermid
Architekt Rogers neben dem Modell von Three World Trade Center in seiner ursprünglich geplanten Form
Mieter nirgendwo in Sicht
Statt des Bürohochhauses des britischen Architekten Richard Rogers, das heuer hätte fertiggestellt werden sollen, soll nun ein siebenstöckiges Kaufhaus entstehen. Silverstein zeigt sich demonstrativ optimistisch, dass er doch noch Mieter findet. Die Zeit dafür läuft ihm aber davon. Seine Verträge mit der Stadt besagen, dass er Finanzierungszusagen und Mietverträge für rund 37.000 Quadratmeter vorweisen muss, damit die öffentliche Hand mit Bürgschaften den Bau ermöglicht.
Potenzielle Mieter für das Projekt sind jedoch nirgendwo auszumachen, heißt es. Das liege jedoch nicht am Gebäude, sondern am Immobilienmarkt. Die wirtschaftliche Situation sorgt dafür, dass Firmen derzeit kaum Lust auf kostspielige Übersiedlungen und neue Luxusbüros haben. Falls später doch noch Interessenten auftauchen, will Silverstein den Deckel auf dem siebenten Stockwerk wieder entfernen und die fehlenden 73 Stockwerke nachträglich aufsetzen.
Von ursprünglichen Plänen kaum etwas übrig
Silverstein ist für die Entwicklung des neuen WTC verantwortlich, das Grundstück gehört jedoch der New Yorker Hafenbehörde (Port Authority). Dieses Verhältnis sorgt seit Jahren für Spannungen. Von den ursprünglichen Bebauungsplänen und Visionen ist kaum etwas übrig, und sogar bei den immer und immer wieder zurechtgestutzten Varianten wurde bisher kein einziger Fertigstellungstermin eingehalten.
Das nunmehrige Projekt von One World Trade Center etwa hat mit den ursprünglichen Plänen des „Freedom Tower“ von Architekt Daniel Libeskind kaum noch Ähnlichkeit. Das zentrale Projekt im WTC-Verbund hatte die Port Authority selbst an sich gerissen, nachdem Silverstein keine Fortschritte vorweisen konnte. Die New Yorker Behörde agierte dabei aber nicht viel glücklicher als Silverstein selbst.
Teurer Planungsfehler
Zu allem Überdruss wurde zuletzt noch ein peinlicher Planungsfehler bekannt, der mehrere Millionen kosten könnte: Der Bau der unterirdischen Laderampe wird nicht rechtzeitig fertig. Nun muss die Hafenbehörde fünf provisorische Laderampen über der Erde errichten, damit die Mieter überhaupt ihre Einrichtung in den 104 Meter hohen Wolkenkratzer bringen können. Der Planungsfehler war offenbar jahrelang nicht bemerkt worden, die Fertigstellung verzögert sich nun, weil sich an der Stelle eine provisorische Station der den Hudson querenden U-Bahn-Linie befindet.
Die Wirtschaftsprüfer der Firma Navigant Consulting errechneten nun, dass die Baukosten für das neue World Trade Center bereits jetzt vier Milliarden Dollar (3,04 Mrd. Euro) mehr ausmachen als geplant. In dem Bericht wird die Port Authority als „funktionsunfähige Organisation“ bezeichnet. New Yorker Abgeordnete hatten die außerordentliche Buchprüfung angeordnet, nachdem die Port Authority die Budgetlöcher mit erhöhten Brücken- und Tunnelmauten für die Insel Manhattan stopfen wollte.
Zwielichtige Hintergründe von Verträgen
Zwar konnte für One World Trade Center nach langem Ringen der Verlagsriese Conde Nast als Großmieter gewonnen werden. Die Hintergründe sind jedoch äußerst undurchsichtig. In New York wird gemunkelt, die Port Authority habe Conde Nast sechs bis sieben Jahresmieten gezahlt, damit sich das Unternehmen in dem Renommierprojekt einmietet. Fakt ist, dass die Port Authority statt erhoffter Millioneneinnahmen aus WTC-Mieten wegen des Projekts auf einem riesigen und ständig wachsenden Schuldenberg sitzt.
Um den Rest der Gebäude ist es nicht viel besser gestellt. Mit Seven World Trade Center ist erst eines von insgesamt sieben geplanten Gebäuden fertig. Nur bei den Hochhäusern Nummer eins und vier gibt es relevante Baufortschritte. Mit dem Bau von Hochhaus Nummer fünf wurde noch nicht einmal begonnen. Auch das 9/11-Museum harrt - über zehn Jahre nach den Terroranschlägen - immer noch seiner Fertigstellung.
Lukas Zimmer, ORF.at
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