Kapitän: „Habe Schaden angerichtet“
Die Suche nach Vermissten auf der „Costa Concordia“ ist am Samstag fortgesetzt worden. Nach einem Tag Zwangspause stießen dabei wieder Marinetaucher in das Wrack des vor gut einer Woche havarierten Kreuzfahrtschiffes vor. Zunächst wurden mit gezielten Sprengungen neue Zugänge zu dem Schiff geschaffen. Im Anschluss wurde laut ANSA ein weiteres Todesopfer entdeckt.
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Die Frauenleiche sei den Angaben zufolge im Heck des Schiffes entdeckt worden. Damit erhöht sich die Zahl der Menschen, die bei der Havarie des Luxusliners vor gut einer Woche ums Leben kamen, auf zwölf. Wie die Agentur weiter berichtete, war die Leiche gegen 13.30 Uhr entdeckt und von den Tauchern der Küstenwache an Land gebracht worden.
Insgesamt werden noch rund 20 Menschen vermisst. Der Teil des 290 Meter langen Wracks, der über Wasser liegt, wurde die ganze Nacht von Spezialkräften der Feuerwehr durchsucht. Die „Costa Concordia“ hatte sich dabei nicht bewegt, wie ein Sprecher der Rettungsmannschaften bestätigte. Fast den ganzen Freitag hindurch hatten die Arbeiten im Inneren des Schiffs gestoppt werden müssen, weil leichte Bewegungen des auf Grund gelaufenen Ozeanriesen registriert worden waren.

AP/Gregorio Borgia
Marinetaucher setzten Samstagvormittag ihre Arbeit fort
Schettino bestreitet Darstellung der Reederei
Der Kapitän des vor einer Woche in der Toskana gekenterten Kreuzfahrtschiffs, Francesco Schettino, übernahm gegenüber der Reederei Costa Crociere nach Angaben vor den Ermittlern sofort die Verantwortung für das Manöver, das zu der Kollision der „Costa Concordia“ mit Felsen vor der Insel Giglio geführt hatte. „Ich habe einen Schaden angerichtet“, erklärte Schettino demnach unmittelbar nach der Havarie in einem Telefonat mit dem Krisenmanager der Reederei, Roberto Ferrarini. Schettino bestritt auch, dass er nach dem Schiffbruch flüchten wollte. „Ich habe das Schiff nicht verlassen. Ich habe von einem Felsen aus die Evakuierungsaktion koordiniert. Ich war an meiner Uniform klar erkennbar“, sagte er den Staatsanwälten.
„Würde unsere Ethik verletzen“

AP/Tano Pecoraro
Costa-Crociere-Chef Foschi
Die Kreuzfahrtgesellschaft hatte angegeben, Schettino habe gegenüber der Reederei die Lage an Bord heruntergespielt. „Er hat uns belogen“, hatte der Geschäftsführer von Costa Crociere, Pierluigi Foschi, erklärt. Es habe auch keinen Druck auf Schettino gegeben, die Evakuierung zu verzögern. „Ich versichere Ihnen absolut, dass niemand an finanzielle Belange dachte“, sagte er am Freitag gegenüber dem „Corriere della Sera“. „Das wäre eine Entscheidung, die unsere Ethik verletzen würde.“ Gegenüber dem „Guardian“ verweigerte ein Sprecher, zu laufenden Ermittlungen Stellung zu nehmen. Er betonte aber, dass das Unternehmen mit den italienischen Behörden zusammenarbeiten werde.
Am Freitag verschärfte das Unternehmen seine Kritik an Schettino. Er allein sei verantwortlich. Foschi will nun gegen den suspendierten Kapitän vor Gericht vorgehen. Man müsse noch feststellen, warum der Kapitän das Schiff vor Ende der Evakuierungsaktion verlassen habe. Schettinos Anwalt Bruno Leporetti forderte indessen die Entlassung seines Mandaten aus dem Hausarrest. Es bestehe keine Fluchtgefahr.
Wie nahe an der Insel?
Dass die „Costa Concordia“ der Insel Giglio so nahe kommt, sei nicht das erste Mal so gewesen. Italienischen Medien zufolge sei das Schiff immer wieder an die Küste herangefahren, um die Bevölkerung zu grüßen. Laut „Corriere della Sera“ wurde das von der Reederei sogar beworben. Nach Angaben des Schiffsinformationsdienstes Lloyd’s List Intelligence sei das Schiff - aufgrund einer genehmigten Kursänderung - schon im August vergangenen Jahres in rund 230 Meter Entfernung an Giglio vorbeigefahren.

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Satellitenaufnahme des vor der toskanischen Küste havarierten Schiffs
Am Freitag bekräftigte Foschi gegenüber dem „Corriere della Sera“, dass den Besitzern der „Costa Concordia“ nicht bekannt sei, dass die Schiffe gefährlich nahe an die Küste fahren würden. Davor hatte er noch gesagt, die Schiffe seien nie näher als 500 Meter an die Küste herangefahren. Manchmal seien Schiffe in Küstennähe gefahren für die Touristen, aber das sei immer sicher gewesen. Er wies zurück, dass das Unternehmen gewusst habe, dass die Concordia so gefährlich nahe an die Küste heranfahren würde.
Deutsche Passagiere klagen Reederei
Unterdessen fordern jetzt erste Überlebende nach der Katastrophe Schadenersatz vom Reiseveranstalter und der Reederei. Zwei Ehepaare und eine Frau aus Deutschland reichten bereits Klage ein, wie Bild.de am Freitag unter Berufung auf einen Anwalt der Geschädigten berichtete. Die fünf betroffenen Passagiere klagen demnach auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Insgesamt gehe es um eine Summe von rund 78.000 Euro. „Eines der Ehepaare verlor bei der Tragödie Kleidung, Schmuck und andere Wertgegenstände im Wert von rund 41.000 Euro“, zitierte das Onlineportal den Anwalt. Zusätzlich zum Schadenersatz seien pro Person 2.500 Euro Schmerzensgeld für den teils noch anhaltenden Schockzustand zu rechnen, außerdem Entschädigungszahlungen für „entgangene Urlaubsfreuden“.
Italienische Regierung rief Notstand aus
Die Suche nach den Vermissten gestaltet sich unterdessen immer schwieriger. Von Norden her näherte sich ein heftiges Unwetter, warnten Wetterexperten. Sturm und hohe Wellen könnten den Luxusliner weiter absacken lassen. Die italienische Regierung rief den Notstand aus, wie der Minister für Parlamentsangelegenheiten, Piero Giarda, am Freitagabend in Rom verkündete. Dadurch sollen Gelder und zusätzliche Hilfe für die Gegend bereitgestellt werden, in der die „Costa Concordia“ havariert war. Das leckgeschlagene Schiff droht weiter zu sinken, etwa 2.400 Tonnen Treibstoff - offenbar überwiegend Schweröl - könnten dann ins Meer vor der toskanischen Küste fließen.
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