„Schwerer und notwendiger Schritt“
Die größte deutsche Drogeriekette Schlecker ist insolvent. Entsprechende Informationen der „Lebensmittel Zeitung“ bestätigte das Unternehmen selbst. Man gehe in Planinsolvenz. Der Insolvenzantrag werde „kurzfristig“ eingereicht. Es sei ein „schwerer und notwendiger Schritt“, teilte das Unternehmen weiter mit.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wenn die Gläubiger Zugeständnisse machten, könne Schlecker erhalten bleiben, hieß es weiter. Der Antrag werde direkt mit einem Vorschlag für die Unternehmenssanierung verbunden. Ziel sei der Erhalt eines großen Teils des Filialnetzes und damit auch der Arbeitsplätze. Der Geschäftsbetrieb werde unverändert weiterlaufen. Im Insolvenzverfahren zahlt für bis zu drei Monaten die deutsche Arbeitsagentur die Löhne weiter. Einem Schlecker-Sprecher zufolge gab es für die Mitarbeiter eine hausinterne Mitteilung. Wie ein Sprecher der Gewerkschaft verdi der Nachrichtenagentur dpa sagte, erfuhren die Beschäftigten die schlechte Nachricht aber zunächst aus den Medien.
Die Planinsolvenz
Die Planinsolvenz ist ein Spezialfall des deutschen Insolvenzverfahrens und entspricht in etwa dem in Österreich 2010 eingeführtem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Ziel ist der Erhalt des Unternehmens. Damit unterscheidet sie sich von der „normalen“ Pleite, bei der Unternehmen oft zerschlagen oder einfach nur noch abgewickelt werden und die Gläubiger das restliche Vermögen erhalten. Bei der Planinsolvenz bleibt die alte Geschäftsführung im Amt, der bestellte Insolvenzverwalter tritt nur beratend auf.
Seit Jahren rote Zahlen
Eine Zwischenfinanzierung für die anstehende Sanierung sei gescheitert, so Schlecker weiter. Daher könnten die weiteren Maßnahmen der aktuell laufenden Restrukturierung nicht so umgesetzt werden wie geplant. Um welchen Betrag es geht, wollte ein Sprecher nicht sagen. Laut dpa-Informationen kam die geplatzte Geldspritze für die Geschäftsführung sehr überraschend. Das Unternehmen steckt in den roten Zahlen und schließt derzeit deutschlandweit Hunderte von Filialen. Schlecker schreibt seit Jahren Verluste. Mit der Massenschließung von Filialen und einer Modernisierung der übrigen Geschäfte wollte die Kette wieder in die schwarzen Zahlen kommen.
Schlecker hatte im November und Dezember 600 seiner ursprünglich knapp 8.000 Filialen geschlossen. Einen Bericht vom Dienstag, wonach deutschlandweit die Schließung weiterer 615 Filialen anstehe, wollte das Unternehmen nicht kommentieren. Zuletzt hieß es, der ehemalige Edeka-Chef Alfons Frenk solle neue Geldgeber suchen, etwa Finanzinvestoren.
Schlechtes Image blieb haften
Experten sehen für Schlecker kaum Chancen auf einen Fortbestand. Schlecker ist sein schlechtes Image trotz Bemühungen der jüngeren Generation nie losgeworden. Der deutsche Drogeriekonzern wird vor allem mit Skandalen um Mitarbeiter verbunden, zuletzt war immer wieder von Filialschließungen, Umsatzrückgängen, Warenlücken und Finanzproblemen zu lesen - Probleme, die der Konzern zumeist dementierte oder herunterspielte. Branchenkenner glauben nicht, dass sich für Schlecker ein Investor finden lässt. Ein Zerschlagungsszenario erscheint am wahrscheinlichsten.
„Um so einen Laden umzudrehen, müssen Sie einen sehr langen Atem haben“, hieß es gegenüber APA. Schlecker habe allerdings weder einen guten Namen noch gute Standorte. „Vielleicht findet sich trotzdem ein Abenteurer, der das kauft. Aber ich kann es mir nicht vorstellen“, sagte ein Experte, der nicht genannt werden wollte.
Mitbewerber setzten Schlecker zu
In Deutschland machten dem schwäbischen Familienkonzern vor allem die dm-Drogerien schwer zu schaffen. Aber auch die niedersächsische Kette Rossmann war ihm auf den Fersen. Beide Mitbewerber hatten ihre Umsätze zuletzt gesteigert - und haben aus Sicht von Branchenexperten ein erfolgreicheres Geschäftskonzept und Sortiment.
Im Geschäftsjahr 2010 war der europaweite Umsatz von Schlecker um rund 650 Mio. Euro auf 6,55 Mrd. Euro gesunken. Für 2011 rechnete das Unternehmen erneut mit sinkenden Erlösen. Zahlen zum Gewinn oder Verlust nennt Schlecker traditionell nicht.
Konkurrenz: War absehbar
Die Insolvenz von Schlecker kommt aus Sicht des Konkurrenten Rossmann nicht unerwartet. Dirk Roßmann, Gründer der Drogeriemarktkette Rossmann, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Freitag: „Die Insolvenz ist eine Katastrophe für die Mitarbeiter und die Inhaberfamilie, die ich seit über 35 Jahren persönlich kenne.“
Die rückläufigen Erlöse und der geringe Durchschnittsumsatz der einzelnen Filialen hätten die Entwicklung in der Branche absehbar gemacht. Hintergrund sei aber der heftige Wettbewerb im deutschen Einzelhandel, der den Verbrauchern insgesamt zugutekomme, sagte der Unternehmer. Die Rossmann-Kette war jahrelang die Nummer drei auf dem umkämpften deutschen Drogeriemarkt nach Schlecker und dm.
Der Chef der dm-Gruppe, Erich Harsch, beschrieb die Lage im deutschen Drogeriegeschäft unlängst so: „Entscheidend ist der Mix aus neuen Produkten, kompetenter Beratung und guten Preisen.“ Der deutsche Drogeriemarkt ist zwar hart umkämpft, bietet laut Harsch aber noch Möglichkeiten: Lediglich 40 Prozent der Drogerieartikel würden in Fachmärkten umgesetzt, die größere Menge verkaufe weiterhin der Einzelhandel - „ein Riesenpotenzial“.
Links: