„Haben Sie das Schiff verlassen?“
Nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ vor der Toskana sind Mitschnitte von Telefonaten öffentlich geworden, die den Kapitän belasten. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA veröffentlichte in der Nacht auf Dienstag Zitate aus einem aufgezeichneten Telefonat zwischen Kapitän Francesco Schettino und einem Offizier, der im Hafen der Insel Giglio Dienst hatte.
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Durch die Mitschnitte wird der Verdacht erhärtet, wonach der Kapitän früh von Bord ging. Der Hafenmitarbeiter wies Schettino darin an, sich zurück auf das Schiff zu begeben. Demnach erreichte der Offizier Schettino um 1.46 Uhr auf dem Handy, als noch Hunderte Menschen an Bord des sich langsam zur Seite neigenden Schiffes waren. Darin forderte der Mitarbeiter des Hafens: „Jetzt begeben Sie sich zum Bug, Sie klettern die Rettungsleiter hinauf und leiten die Evakuierung!“

Reuters/Max Rossi
Die „Costa Concordia“ vor der Insel Giglio
„Das müssen doch Sie mir sagen!“
Der Offizier wurde im Verlauf des Telefonats immer ungehaltener. „Sie müssen uns sagen, wie viele Leute da noch sind, Kinder, Frauen, Passagiere, die genauen Zahlen in jeder Kategorie!“, forderte er Schettino auf. „Was machen Sie? Geben Sie die Rettung auf?“, fragte der Offizier. „Nein, nein, ich bin da, ich koordiniere die Rettung“, antwortete Schettino, der von den Zeugen allerdings schon vor Mitternacht am Ufer gesehen wurde.

APA/EPA/ANSA/Enzo Russo
Kapitän Schettino bei der Verhaftung am Tag nach dem Unglück
Der Offizier sagte, es gebe „bereits Leichen“. „Wie viele?“, fragte Schettino zurück. Der Offizier darauf: „Das müssen doch Sie mir sagen! Was machen Sie? - Jetzt kehren Sie nach oben zurück und sagen uns, was wir machen können!“ Schon um 1.42 Uhr sagte der Kapitän in einem anderen Telefonat mit der Hafenmeisterei: „Wir können nicht mehr an Bord des Schiffes gehen, weil es zur Heckseite kippt.“ Der Offizier fragte völlig überrascht: „Kommandant, haben Sie das Schiff verlassen?“ Der Kapitän darauf: „Nein, nein, natürlich nicht.“
„Egozentrisch und schwierig“
Der 52-Jährige aus der süditalienischen Meeresstadt Sorrento an der Amalfiküste begann seine Karriere bei der italienischen Fährgesellschaft Tirrenia und avancierte dann zum Kapitän auf Öltankern des italienischen Ölkonzerns Agip. Schettino ist Spross einer Familie, in der nahezu alle etwas mit Schifffahrt zu tun haben.
Nach dem Wechsel zur Kreuzfahrtgesellschaft MSC hatte sich Schettino 2002 für die Genueser Rederei Costa Crociere entschieden. Dort war er zunächst Sicherheitsoffizier und ab 2006 Kapitän. Als „egozentrisch und schwierig“ wird Schettino von Kollegen bezeichnet. Er habe sich verhalten, als würde er „nicht einen Luxusdampfer, sondern einen Ferrari fahren“, ist eines der kursierenden Zitate.
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