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Alle vier Stunden stirbt eine Ehefrau

Mit Stöckelschuhen, Nudelwalker und Bratpfanne geht es Indiens gewalttätigen Ehemännern im Internet an den Kragen. Mit dem Onlinespiel namens „Angry Brides“ (abgeleitet von dem weltweiten Spielehit „Angry Birds“) soll der Öffentlichkeit die gängige Mitgiftpraxis in Indien vor Augen geführt werden.

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„Laut einer Studie aus dem Jahr 2007 kommt es im Durchschnitt alle vier Stunden zu einem Todesfall in Zusammenhang mit Mitgiftforderungen in Indien. Wir verurteilen diese Gewalt und wollen die Menschen weltweit darauf aufmerksam machen,“ so Ram Bhamidi von Shaadi.com, einer Onlinepartnervermittlung mit über zwei Millionen Mitgliedern.

Rache am Ehemann

„Angry Brides“ kann über die Facebook-Seite von Shaadi.com gespielt werden. Der Spieler schlüpft in die Rolle einer optisch an eine mehrarmige Hindu-Gottheit angelehnte Braut, die mit Alltagsgegenständen auf potenzielle Ehemänner wirft. Dem Spieler steht dabei ein Arsenal an Waffen wie Besenstiel, Stöckelschuh und Tomaten zur Verfügung, um dem mit einem Preisschild versehenen Bräutigam die Mitgift quasi auszuprügeln.

Mit jedem gelandeten Treffer verringert sich die Geldforderung, der „Anti-Mitgift-Fonds“ des Spielers steigt hingegen. Seit der Veröffentlichung auf Facebook haben bereits über 270.000 Nutzer ihr „Gefällt mir“-Votum dafür abgegeben.

Screenshot "Angry Brides"

Shaadi.com (Montage)

Screenshot aus „Angry Brides“

Gold, Schmuck, Elektronik

Zwar ist die Zahlung von Mitgift seit 1961 gesetzlich verboten, in Indien ist sie trotzdem noch gängige Praxis. Von der Familie der Braut werden unverhältnismäßig hohe Summen für den Eintritt in die Familie des Bräutigams verlangt. Dabei geht es neben Gold und Schmuck auch um Fernseher, Computer, Bargeld, Autos und Mopeds.

Der Brautvater nimmt die hohe Verschuldung in Kauf, um die Ansprüche des Bräutigams und dessen Familie zu erfüllen und nicht als „armer Schlucker“ dazustehen. Schließlich geht es vermeintlich um das Wohl der Braut, der mit der Mitgift eine gute soziale Stellung in der neuen Familie erkauft wird.

Knapp 100.000 eheliche Gewaltopfer pro Jahr

Doch viele Familien nutzen die Hochzeit des Sohnes als gute Gelegenheit, ihre finanzielle Situation zu verbessern, und erpressen auch nach der Heirat weiterhin Geld von der Brautfamilie. Kann die Familie die Summe nicht aufbringen, verleihen sie ihren Forderungen mit körperlicher Gewalt Nachdruck.

Allein im Jahr 2010 wurden laut der offiziellen indischen Kriminalitätsstatistik 90.000 Ehefrauen, darunter viele Schwangere, gequält und verstümmelt, in weiteren 8.391 Fällen endete das eheliche Martyrium tödlich. Gängigste Todesart ist dabei die als Haushaltsunfall getarnte „Brautverbrennung“. Frauen, deren Familien nicht zahlen können, werden dabei mit brennbaren Flüssigkeiten überschüttet und angezündet.

Systematische Abtreibungen

Diese Entwicklung ist auch für die indische Gesellschaft problematisch, da Töchter in vielen Familien als existenzbedrohlich gelten und daher systematisch abgetrieben werden. Die pränatale Geschlechterbestimmung ist zwar verboten, wird jedoch trotzdem eingesetzt. Nach Berechnungen einer Studie der Universität Toronto könnten so in den vergangenen zwei Jahrzehnten über zehn Millionen Mädchen abgetrieben worden sein.

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