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Versuch eines Schulterschlusses

Mit demonstrativem Rückhalt bemüht sich die CDU-Spitze, Rücktrittsforderungen aus der Partei an Bundespräsident Christian Wulff entgegenzutreten. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel kam am Freitag Lob für Wulffs Aufklärungspraxis und seine Arbeit. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte ein Ende der Debatte über das Staatsoberhaupt.

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Der brandenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Georg von der Marwitz forderte Wulff gleichwohl zu persönlichen Konsequenzen auf. Auch nach Einschätzung von SPD-Chef Sigmar Gabriel kann Wulff sein Amt nicht mehr unbefangen ausüben. Neue Vorwürfe wurden in Zusammenhang mit einem privaten Urlaubsflug im Jahr 2007 laut, bei dem Wulff und seine Familie aus unklaren Gründen ein Upgrade für die Businessclass erhalten haben sollen.

Kein gutes Zeugnis im Politbarometer

Fast drei Viertel der Deutschen (72 Prozent) halten Wulff laut ZDF-Politbarometer inzwischen für dauerhaft beschädigt, nur 24 Prozent sehen das anders. Auch halten ihn nur 34 Prozent noch für glaubwürdig und 61 Prozent nicht für glaubwürdig. Allerdings ist eine Mehrheit von 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass Wulff im Amt bleiben sollte.

„Für uns alle ist es mittlerweile fast schmerzhaft zu erleben, wie dieses Amt Schaden nimmt“, sagte CDU-Mann von der Marwitz im Deutschlandfunk. Wulff tue sich keinen Gefallen. „Zumindest was die öffentlichen Äußerungen und die Diskussion anbelangt, habe ich das Gefühl, dass er vielleicht nicht mehr richtig weiß, worum es eigentlich geht.“ Zuvor hatten bereits andere CDU-Politiker einen Rücktritt gefordert.

Merkel schickt Seibert vor

Merkel ließ dagegen erklären, sie schätze den Bundespräsidenten und seine Arbeit. „Diese Wertschätzung gilt auch für die Bereitschaft, sehr weitgehend Auskunft und Informationen zu geben zu allen relevanten Nachfragen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das sei gut und wichtig für das Vertrauen der Bürger in ihr Staatsoberhaupt. Wulffs Bereitschaft werde sicher auch anhalten, „da wo neue mögliche berechtigte Fragen auftauchen“.

CDU-Generalsekretär Gröhe sagte, Wulff habe detailreich und umfangreich über Urlaubsreisen und die Kreditfinanzierung seines Eigenheims informiert. Es habe Ungeschicklichkeiten gegeben, aber es sei nichts Unrechtes getan worden. Die Debatte müsse jetzt beendet werden, forderte Gröhe im NDR. Die Union habe insgesamt Vertrauen zu Wulff. „Er hat eine zweite Chance verdient.“

Altmaier: Wulff soll Geschäfte ausüben können

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, bezeichnete es im „Hamburger Abendblatt“ als Ziel, dass Wulff seine Amtsgeschäfte unbelastet bis zum Ende seiner Amtsperiode verrichten könne. Der CDU-Politiker war vor wenigen Tagen selbst stark auf Distanz zu Wulff gegangen.

SPD-Chef Gabriel monierte, die Affäre Wulff verkomme allmählich zur Posse. „Das, was in den letzten 60 Jahren einen Bundespräsidenten ausgemacht hat, repräsentiert er nicht mehr und wird er auch nicht mehr repräsentieren“, sagte Gabriel der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Für den Fall eines Rücktritts bekräftigte er den Willen der SPD, mit der Union nach einem gemeinsamen Kandidaten zu suchen.

Neue Vorwürfe in „Bild“

In der „Bild“-Zeitung wurden derweil neue Vorwürfe laut. Nach einer Kreuzfahrt mit seiner Frau und deren Sohn soll der damalige niedersächsische Ministerpräsident während des Flugs von Miami nach Frankfurt plötzlich ein Upgrade von der Economy- in die teure Businessclass bekommen haben. Wulffs Anwalt habe dazu später gesagt: „Für ein Upgrade von der Economyclass zur Businessclass während eines Fluges in die USA mit der Lufthansa setzte Herr Wulff seine privat erworbenen Bonusmeilen ein.“

Laut Lufthansa seien aber Meilen-Upgrades an Bord überhaupt nicht möglich, berichtete die Zeitung. Sie zog zudem in Zweifel, ob Wulff privat genügend Bonusmeilen für ein Upgrade einer dreiköpfigen Reisegruppe gesammelt haben kann, da 210.000 Bonusmeilen notwendig gewesen wären.

Kurswechsel rund um veröffentlichte Anfragen

Die Anwälte von Wulff wollen weitere Journalistenfragen und Antworten darauf in der Kredit- und Medienaffäre veröffentlichen. Diesen Auftrag habe der Bundespräsident gegeben, teilte Rechtsanwalt Gernot Lehr am Freitag mit. Damit solle die zusammenfassende Stellungnahme ergänzt werden, die nach dem Fernsehinterview Wulffs am 4. Jänner erfolgte.

Voraussetzung sei, dass die Medien die Veröffentlichung freigegeben haben und keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Die Veröffentlichung werde in der kommenden Woche schnellstmöglich erfolgen. Die „Welt“ veröffentlichte ihre Fragen und Antworten zur Wulff-Affäre am Freitag (Onlineausgabe).

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