„Eines der besten Gefängnisse“
Am 11. Jänner 2002 - genau vier Monate nach den 9/11-Anschlägen - haben die USA die ersten Terrorverdächtigen aus Afghanistan in das Gefangenenlager Guantanamo Bay gebracht. Kaum zwei Wochen später zeigten erste Fotos die Männer in Fesseln und Drahtkäfigen. Immer wieder wurden Foltervorwürfe laut, die Guantanamo zum Symbol für Menschenrechtsverstöße im „Krieg gegen den Terror“ machten.
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Die internationalen Proteste gegen das Lager auf dem Marinestützpunkt auf Kuba rissen nicht ab. Doch die damalige US-Regierung unter Präsident George W. Bush und seinem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vertraten in diesem Punkt ihre eigene Sicht der Dinge - und die hat sich bis heute nur graduell geändert.

AP/U.S. Navy/Shane T. McCoy
Ein Gefangener wird in seine Zelle im „Camp X-Ray“ gebracht
Zwar wurden seit 2009 keine Terrorverdächtigen mehr auf den Stützpunkt gebracht und der von Bush ausgerufene „Krieg gegen den Terror“ („War on Terror“) aus dem offiziellen Sprachgebrauch des Weißen Hauses gestrichen. Sein seinerzeitiges ambitioniertes Wahlversprechen, das Gefangenenlager binnen eines Jahres zu schließen, konnte Bushs Nachfolger Barack Obama aber nicht umsetzen.
Für Rumsfeld nur ein Imageproblem
Noch im Februar des Vorjahres vertrat der 2006 zurückgetretene Rumsfeld in einem Interview mit dem US-TV-Sender Fox News die Ansicht, Guantanamo „war und ist eines der besten Gefängnisse“ weltweit. „Es ist ein außerordentlich gut geführtes Gefängnis und die Leute dort unten haben sehr gute Arbeit gemacht und tun es noch immer“, sagte der Republikaner, der zum Kreis der Hardliner („Falken“) um Bush zählte. Einziges Manko laut ihm: Guantanamo habe wohl ein Problem mit seinem öffentlichen Image.
Doch das kam wohl kaum von ungefähr - und Rumsfeld war daran auch nicht ganz unbeteiligt. Am 23. Jänner 2002, keine zwei Wochen nachdem die ersten Gefangenen im Lager eingetroffen waren, sagte er gegenüber der „New York Times“, es sei „wahrscheinlich unglücklich“ gewesen, Fotos von der Überstellung zu veröffentlichen - zumindest ohne weitere Erklärungen dazu. „Wenn Sie immer das Schlimmste denken wollen, dann können Sie das auch“, sagte Rumsfeld. Kurz nachdem die Fotos aufgenommen worden waren, seien den Gefangenen ihre Fesseln abgenommen worden.
In Käfigen im „schönen sonnigen Kuba“
Die Bilder hatten Männer in Handfesseln vor ihren Bewachern auf dem Boden kniend, die Augen hinter Sonnenbrillen und Klebeband und die Gesichter hinter Chirurgenmasken gezeigt. Folge war ein internationaler Aufschrei, der wohl nur noch von dem nach dem Auftauchen von Folterfotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghuraib zwei Jahre später übertroffen wurde.

Reuters/US Department of Defense/Petty Officer 1st class Shane T. McCoy
Gefesselte Häftlinge mit verklebten Augen
Anfangs waren 158 Gefangene im provisorischen „Camp X-Ray“, einem Lagerteil auf der Guantanamo Bay Naval Base, im Army-Jargon kurz GTMO oder Gitmo, inhaftiert. Dieses Camp wurde 2002 geschlossen und durch das größere „Camp Delta“ ersetzt. Zu den Zellen - Drahtkäfigen im Freien, zitierte die britische BBC Rumsfeld damals mit den Worten: „Das Klima in Guantanamo Bay ist anders als in Afghanistan. In einer acht mal acht (Fuß, etwa 2,4 mal 2,4 Meter, Anm.) großen Zelle im schönen sonnigen Guantanamo Bay, Kuba, zu sein, ist keine unmenschliche Behandlung.“
Systematische Demütigung und ihre Basis
Doch weitere Fotos, Berichte über Demütigung und Misshandlung bis hin zur Folter - unter anderem vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) und Amnesty International (AI) erhoben - zeichneten laufend ein anderes Bild. Bushs Versicherung „Amerikaner foltern nicht“ wurde spätestens in einem 2009 veröffentlichten Bericht des US-Senats widerlegt, in dem zu lesen war, dass Misshandlungen wie Waterboarding, das Simulieren von Ertrinken, durchaus mit System passiert seien. Offiziell waren derart „verschärfte“ Verhörmethoden nur wenige Wochen lang erlaubt.
Basis dafür war - und ist für den Bestand des Lagers weitgehend bis heute: Inhaftierte werden nicht als Kriegsgefangene, sondern als „Illegal Combatants“ bzw. „Unlawful Combatants“ - also Kämpfer, die sich ihrerseits nicht an das Kriegsrecht halten - beurteilt. Nach US-Verständnis gilt für sie deshalb auch nicht die zweite Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen.
Auch Obama kann „trauriges Kapitel“ nicht schließen
Nach Schätzungen wurden ab 2002 zwischen 600 und 1.000 Terrorverdächtige von der US-Armee nach Guantanamo gebracht. Laut Pentagon befanden sich Ende 2011 noch rund 170 Häftlinge aus über 20 Ländern dort. Nur wenige wurden vor den eigens eingerichteten Militärkommissionen verurteilt. Auch Obama konnte bisher keinen Strich unter das - wie er es in seinem Wahlkampf 2008 noch nannte - „traurige Kapitel in der amerikanischen Geschichte“ ziehen.
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Lagers erklärte das Weiße Haus, der Präsident sei heute ebenso entschlossen wie während des Wahlkampfes 2008, es zu schließen. Allerdings gebe es dabei „Hindernisse“.
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