Firmenpatriarch erweiterte Oetker
Mit Rudolf-August Oetker ist im Jänner 2007 einer der letzten Firmenpatriarchen der deutschen Nachkriegszeit gestorben. Dem gebürtigen Bielefelder gelang es, aus der Backpulverfabrik seines Großvaters ein großes deutsches Familienunternehmen mit weltweiten Vernetzungen zu schmieden.
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Mit 25 Jahren stieg der gelernte Bankkaufmann Rudolf-August Oetker 1941 in die Familienfirma ein, die damals sein Stiefvater, NSDAP-Mitglied Richard Kaselowsky, führte. Als dieser 1944 bei einem Bombenangriff ums Leben kam, nahm der nun 28-Jährige selbst auf dem Chefsessel Platz. Schon kurz nach Kriegsende begann er mit dem Wiederaufbau des Unternehmens, dem er neue Märkte erschloss. Dabei erwarb er sich einen Ruf als Pfennigfuchser, der abends in den Büros eigenhändig das Licht ausschaltete.
Offen gegenüber Trends
In der Folgezeit gingen vor allem Oetkers Werbestrategien auf: Im Fernsehen legte „Frau Renate“ in den Wirtschaftswunderjahren deutschen Hausfrauen Dr.-Oetker-Produkte wie Backpulver und Pudding ans Herz. In den 60er Jahren machte Marie-Luise Haase die Dr.-Oetker-Versuchsküche in TV-Werbespots bekannt. Zugleich hatte der Unternehmer einen Riecher für Trends. Als die Tiefkühltruhen in den Haushalten Einzug hielten, erweiterte er das Sortiment um Eiscreme und brachte 1970 die erste Tiefkühlpizza auf den deutschen Markt.
Mehr als Pudding
Dabei handelte er gemäß seinem unternehmerischen Motto „Lege nie alle Eier in einen Korb!“ Denn zeitlebens achtete Rudolf-August Oetker darauf, nicht alles auf die Karte Backpulver/Pudding zu setzen. So investierte er Gewinne auch in Bierbrauereien, Sektkellereien sowie in Frachtschiffe und kaufte eine Bank und eine Versicherung. Die heutige Oetker-Gruppe nahm Gestalt an.
1981 zog sich der Unternehmer, der zu den reichsten Männern Deutschlands gehörte, stärker ins Privatleben zurück und übergab die Zügel an seinen ältesten Sohn August, der den Chefsessel zugunsten seines Sohns Richard 2009 räumte. Heute beschäftigt die Firmengruppe rund 25.600 Menschen und erzielt einen Jahresumsatz von fast acht Milliarden Euro.
Sohn Richard entführt
Privat durchlebte der achtfache Familienvater im Dezember 1976 seine vermutlich schwärzesten Stunden, als sein damals 25 Jahre alter Sohn Richard entführt wurde. Erst gegen ein Lösegeld von umgerechnet gut zehn Millionen Euro kam er frei. Der leidenschaftliche Pfeifenraucher Rudolf-August Oetker war auch als Kunstsammler und Mäzen aktiv - er widmete sich sozialen Anliegen und besonders der Kunst.
Julia Deppe, AFP
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