Backpulver legte Basis für Aufstieg
Der Geburtstag des Firmengründers Dr. August Oetker hat sich am 6. Jänner 2012 zum 150. Mal gejährt. Das Familienunternehmen wirft aus diesem Anlass einen langen Blick zurück, meidet aber offiziell den Blick nach vorn - zumindest wenn es um die Führungsfrage geht.
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Alfred Oetker kennt sich aus mit Machtkämpfen in Familienunternehmen. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete: „Stakeholder-Konflikte in Familienkonzernen“. Alfred gilt als möglicher Nachfolger seines 16 Jahre älteren Halbbruders Richard, der derzeit an der Spitze des Bielefelder Konzerns steht und am 4. Jänner 61 Jahre alt wurde. Spätestens in vier Jahren muss Richard das Amt abgeben. In der Firmenzentrale heißt es dazu wie immer in solchen Fragen nur: „Kein Kommentar“.
Am 6. Jänner 1862 wurde der Bäckersohn August Oetker in Obernkirchen nahe dem ostwestfälischen Minden geboren. Der ehrgeizige Apotheker versucht es zuerst in Berlin, bevor er am 1. Jänner 1891 die Aschoff’sche Apotheke übernimmt.
Portioniertes Backpulver als Verkaufshit
Oetker entwickelt medizinische Weine und Fußcreme. Der wirtschaftliche Erfolg bleibt aber unter den Erwartungen. Dann experimentiert der Bäckersohn in einer vier Quadratmeter kleinen Kammer („meine Geheimbutze“) mit Backpulver. Das hatte zwar schon Justus Liebig erfunden. Man konnte es aber nicht längere Zeit lagern - und einen Beigeschmack hatte es auch.
Es wurde so lange experimentiert, bis Oetker 1893 portioniertes Backpulver in Säckchen auf den Markt brachte. Der Clou daran: Er garantiert, dass es genau die richtige Menge Triebmittel für ein Pfund Mehl war. Für die Qualität sollte der Name Dr. Oetker bürgen. Eine der heute bekanntesten Marken Deutschlands war entstanden. 1899 werden schon zwei Millionen Sackerln „Backin“ hergestellt.
Vier Chefs seit 1918
Im Mai 1900 zieht das Unternehmen in die Bielefelder Lutterstraße, wo noch heute die Zentrale in mächtigen alten Backsteinbauten ist. Neue Produkte wie Vanillinzucker, Speisestärke und das Puddingpulver bereichern das Sortiment. In den Fabriken lässt August Oetker Losungen anbringen wie „Ein heller Kopf, der Ordnung hält, erspart viel Arbeit, Zeit und Geld“. 1916 fällt Augusts Sohn und designierter Nachfolger Rudolf im Ersten Weltkrieg, 1918 stirbt der Firmengründer mit nur 56 Jahren.
Reederei und Luxushotels
Seitdem gab es nur vier Chefs bei Oetker, derzeit ist es Richard. Der Familienkonzern ist längst viel mehr als Pudding und Backpulver. 2010 stammte fast jeder zweite Euro des Konzernumsatzes von 9,5 Mrd. Euro aus dem Reedereigeschäft (Hamburg Süd). Zweitgrößte Sparte sind die Nahrungsmittel, die ein Viertel des Konzernumsatzes stellten. Drittgrößte Aktivität ist die Radeberger Gruppe, führender Bierhersteller Deutschlands. Dazu kommen Sekt, Wein und Spirituosen der Tochter Henkell, das Bankhaus Lampe und einige Luxushotels.
Wenn es um die Zukunft der Oetker-Spitze geht, wird das Unternehmen genauso einsilbig wie bei Fragen nach Gewinnen und Verlusten. Aus den drei Ehen von Rudolf-August Oetker (1916 bis 2007) gingen acht Kinder hervor. Die fünf Ältesten sollen, als im Jahr 2009 an der Konzernspitze der Rückzug von August Oetker anstand - dem gleichnamigen Urenkel des Firmengründers -, den nur wenig jüngeren Richard durchgesetzt haben. Das war gegen den Willen der drei Jüngsten, die für Alfred waren.
Unternehmensinteressen haben Vorrang
Alfred ist der älteste Sohn von Rudolf-August und dessen dritter Frau Marianne. Wie sein Vater hat er Bankkaufmann gelernt. Später studierte er Betriebswirtschaft in Passau, promovierte in Leipzig, arbeitete im Marketing des Henkel-Konzerns und seit einigen Jahren als Geschäftsführer für Oetker in Belgien und den Niederlanden. Wie auch immer die Nachfolge geregelt wird, im Vordergrund stehe immer der Grundsatz: „Die Interessen der Unternehmens haben Vorrang vor denen der Familie“, heißt es bei den Oetkers. Und ansonsten: „Kein Kommentar“.
Matthias Benirschke, dpa
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