Kunst und Umweltschutz
Funktionale, graue, hässliche, stinkende Sinnbilder der Umweltverschmutzung, noch dazu dunkle, abgelegene Zonen, die zu Verbrechen einladen: So kennt man große Parkplätze und Parkhäuser. Das muss aber nicht sein. Immer mehr Architekten und Stadtplaner erkennen Autoabstellflächen als Lebensräume - und auch Umweltschutz wird zusehends zum Thema.
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„Das Recht, jedes Gebäude in der Stadt mit einem Privatauto erreichen zu können, kommt in einem Zeitalter, in dem jeder über so ein Auto verfügt, dem Recht gleich, die Stadt zu zerstören.“ Dieses Zitat ist ein halbes Jahrhundert alt, stammt vom Architekturkritiker Lewis Mumford und wurde von der „New York Times“ ausgegraben, die im selben Artikel auch eine Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) vorstellt, die kommenden März veröffentlicht werden soll.
„Rethinking a Lot“ heißt die Publikation, ein Wortspiel: „das Konzept Parkplatz neu denken“ bzw. „vieles neu denken“. Dafür ist es höchst an der Zeit, legen die Wissenschaftler nahe. Derzeit gibt es in den USA 500 Millionen Parkplätze, sie nehmen einen Raum von mehr als 9.000 Quadratkilometern ein (zum Vergleich: Kärnten ist nur ein wenig größer). In Houston soll es gar 30 Parkplätze pro Fahrzeug geben. Und das, obwohl die Zeit der Automobilität ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Wo 30 Parkplätze für ein Auto vorhanden sind, stehen 29 leer.

David Schreyer; xarchitekten Wien/Linz und Wernly Wischenbart + Partner
Voestalpine-Parkgarage von Xarchitekten in Linz
Pensacola Parking Syndrome
Weil aber gerade jene Parkplätze und Garagen gemieden werden, in denen ohnehin schon wenige Menschen parken, verkommen viele Flächen zu toten Zonen - samt der Gegenden um sie herum. In den USA gibt es bereits einen Namen für das Phänomen: Pensacola Parking Syndrome (Pensacola ist eine US-Stadt). Für die Wiederbelebung solcher Zonen wurden zahlreiche Konzepte entwickelt. Einen interessanten Weg ging man in New York: Dort ließ man die Bewohner ein riesiges, leer stehendes Parkhaus erobern. Kleine Geschäfte öffneten, ein Marktplatz entstand, Büros siedelten sich an - alles mit Unterstützung der öffentlichen Hand.
Vor allem aber versucht man mehr und mehr, dem Stigma von Parkflächen als urbanen Schandmalen durch wohldurchdachte Neubauten zu entkommen. Besonders der Umweltaspekt spielt dabei eine Rolle. Es gilt, nach außen hin offene Strukturen zu bauen oder perforierte Materialien zu verwenden. So schränken natürliches Tageslicht und eine ebensolche Durchlüftung den Stromverbrauch drastisch ein.
Linzer Parkfreuden
Ein spektakuläres Beispiel dafür lieferte das Architekturbüro Herzog & de Meuron 2010 in Miami ab. Seinem Parkhaus 1111 Lincoln Road fehlt komplett die Fassade. Dafür finden sich im Erdgeschoß Geschäfte und auf dem Dach Bars. Das Gebäude ist also belebt - niemand braucht sich zu fürchten. Auch deshalb nicht, weil die Räume hoch sind und ein Atrium mit freier Treppe dafür sorgt, dass jeder Winkel des Gebäudes gut einsehbar ist. Die Anordnung der Säulen und Dächer sowie die Beleuchtung in der Nacht sorgen dafür, dass der Nutzbau architektonischen Mehrwert hat und sich in die Umgebung einpasst.
Für großes internationales Interesse sorgte 2008 ein österreichisches Projekt, bei dem ähnliche Aspekte im Vordergrund standen: das Parkhaus der voestalpine in Linz vom Büro Xarchitekten. Auch hier dominiert eine nach mehreren Seiten hin offene Bauweise. Gearbeitet wurde mit viel Stahl, dem Auftraggeber entsprechend. Das Gebäude ist mit seinen gewellten Seitenwänden ein Statement - wie Herzog & de Meurons Bau vor allem in der Nacht, wenn es bunt beleuchtet wird.
In Sachen Parkplätze hat Stararchitekt Renzo Piano in Turin neue Maßstäbe gesetzt. Er schuf vor einem ehemaligen, zu einem Einkaufs- und Eventzentrum umgebauten Fiat-Werk eine symmetrisch angeordnete Parklandschaft im doppelten Wortsinn. Zahlreiche Bäume ziehen sich über den Parkplatz in das Fabriksgelände hinein und bilden so eine natürliche Verbindung. Der Parkplatz vermittelt zudem den Eindruck eines Wäldchens (noch müssen die Bäume allerdings wachsen). In ein paar Jahren werden die Autos im Schatten stehen.

Envision Solar
„Tracking Solar Tree“: Schattenspender und Ladestation für E-Autos
Solar-„Baum“ als E-Tankstelle
Schatten macht auch der von Envision Solar für General Motors entwickelte „Tracking Solar Tree“. Man kann ihn sich als großes, drehbares Solarpaneel vorstellen. Es spendet Schatten für sechs Autos - und die gewonnene Sonnenenergie wird für sechs angeschlossene E-Auto-Ladestationen genutzt. Die Tagesladung reicht für das Auftanken von sechs Autos. Das Sonnendach neigt sich immer Richtung Sonne, was für eine maximale Energieausbeute sorgt.
Einen Schritt weiter geht die Firma Solar Roadways. Sie wurde durch die Entwicklung eines Systems bekannt, mittels dessen man Autobahnen als Solaranlagen nützen könnte. Nun haben sie von der US-Regierung 750.000 Dollar erhalten und wollen damit auch Solarparkplätze bauen. Obenauf liegt bruchfestes Glas, unterirdisch werden die Paneele ans Stromnetz angebunden. Würde man so viele Straßen, Parkplätze und Kinderspielplätze mit dem System vernetzen, wie der Firma das vorschwebt, würde das allerdings 35 Billionen Dollar kosten.
Parkhäuser für Fahrräder
In Wien haben immerhin erste Parkhäuser damit begonnen, E-Auto-Zapfsäulen einzurichten. Wirklich öko wäre es freilich nur, auf Fahrräder umzusteigen. Aber auch da könnten sich in Zukunft Parkplatzprobleme ergeben, wie man mitunter schon jetzt in der Nähe von Veranstaltungsorten sehen kann. In Japan hat man auch dafür bereits eine elegante Lösung gefunden: ein mehrstöckiges, mit Kletterpflanzen zugewachsenes Miniparkhaus nur für Räder. Und die Firma E-bike Mobility bietet einen Fahrradparkturm an, der sogar automatisiert funktioniert. Den Architekten wird also auch nach dem Ende des Automobilzeitalters nicht die Arbeit ausgehen.
Simon Hadler, ORF.at
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