Blick hinter die Kulissen
Für die US-Republikaner ist „The Obamas“ von Journalistin Judi Kantor wie ein Geschenk des Himmels: In einem von Orientierungslosigkeit geprägten Vorwahlkampf der Gegner von US-Präsident Barack Obama bietet das Buch reichlich Munition für einen drohenden Schmutzkübelwahlkampf gegen ihn und seine Frau Michelle.
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Schon vor der Veröffentlichung Anfang Jänner zitierten englischsprachige Medien genüsslich Detail um Detail aus dem Buch, das hinter die Kulissen des Weißen Hauses blickt. Ebenso schon vorab reagierte das Weiße Haus mit der Aussage, das Buch enthalte „übertrieben“ dargestellte „alte Neuigkeiten“. Kantor schreibe „über eine Beziehung zwischen zwei Menschen, mit denen die Autorin seit Jahren nicht gesprochen hat“, sagte ein Sprecher.
Wenn Johnny Depp den Kinderanimateur macht
Das Buch basiert im Wesentlichen auf Interviews mit 33 derzeitigen und früheren Mitarbeitern der Obamas sowie Kabinettsmitgliedern. Die Obamas wussten wohl, was auf sie zukommen würde, und wollten von der „New York Times“-Journalistin nicht interviewt werden. Tratsch und Klatsch über politische Akteure jedweder Gesinnung sind Kantors Spezialität. Zu Wochenbeginn sorgten etwa jene Buchpassagen für Schlagzeilen, die von einer „geheimen Luxusparty“ im Weißen Haus zu Halloween 2009 handeln.
Die linksliberale Hollywood-Prominenz hatte sich schon bei Obamas Wahlkampf 2008 für den Demokraten engagiert. Die guten Kontakte blieben: Demnach verwandelte Regisseur Tim Burton - entsprechend seinem damaligen Filmprojekt - das Weiße Haus für die Feier unter Beteiligung weiterer Prominenz in eine spektakuläre „Alice im Wunderland“-Kulisse, und Schauspielstar Johnny Depp agierte in seiner Rolle als verrückter Hutmacher als Zeremonienmeister. Das Weiße Haus habe die Party jedoch geheim gehalten, um die Bevölkerung in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht vor den Kopf zu stoßen.
Engste Kabinettsmitarbeiter gaben auf
Dass sogar so wenig spektakuläre Anekdoten für derartiges Rauschen im Blätterwald sorgen, bestätigt Befürchtungen über einen bevorstehenden Wahlkampf der Untergriffe. Umso mehr, als sich der größte Teil des Buches der Rolle von Michelle Obama im Weißen Haus widmet. Laut dem Buch ist die First Lady eine bestimmende Kraft hinter der Präsidentschaft ihres Mannes. Sie soll der Grund gewesen sein, warum sein früherer Stabschef Rahm Emanuel und sein früherer Pressesprecher Robert Gibbs das Handtuch geworfen haben.
Demnach hatte Michelle Obama große Probleme damit, dass ihr Mann als Präsident manchmal Kompromisse schloss, um zumindest einen Teil seiner Ideen umzusetzen. Sie habe das seinen Spitzenmitarbeitern angelastet, denen sie machtpolitisches Agieren und Abgehobenheit vorwarf. Ihrem Mann habe Michelle Obama wiederum vorgehalten, er sei drauf und dran, ein „gewöhnlicher Politiker“ zu werden und seine Ideale zu verraten. Nach hitzigen Konflikten, bei denen Rahm und Gibbs auch reichlich Kraftausdrücke verwendet haben sollen, hätten die beiden Schlüsselfiguren in Obamas Kabinett schließlich entnervt aufgegeben, heißt es.
Zwischen Sturheit und Integrität
Michelle Obama lasse sich zudem kaum je von ihren Ideen abbringen, wird in dem Buch nahegelegt. Oft genug habe sie genau das Gegenteil von dem getan, wozu der Stab des Weißen Hauses ihr geraten habe - etwa, wenn es um ihre Anwesenheit oder auch umgekehrt ihre Abwesenheit bei offiziellen Terminen ging. Auch habe sie oft genug Themen vorgegeben. So habe sie etwa, inmitten des Ringens um eine US-Gesundheitsreform, darauf gedrängt, ihr Mann müsse die Rechte „illegaler“ Migranten in den USA thematisieren.
Der Stab des Weißen Hauses habe damals dringend von der Eröffnen einer neuen politischen Front abgeraten, da alle Kraft der versprochenen Gesundheitsreform gewidmet werden sollte, heißt es in dem Buch. Das angebliche Ende der Geschichte: Barack Obama soll auf Druck seiner Frau nächtens allein eine Rede zum Thema Migranten geschrieben und diese ohne Beratung mit seinem Stab bei der nächstbesten Gelegenheit vorgetragen haben. Die Öffentlichkeit reagierte damals tatsächlich verwirrt bis vor den Kopf gestoßen, das Echo war entsprechend.
Ausgewogenes Bild
Kantor bemüht sich dabei um ein ausgewogenes Bild. Gerade im Fall von Emanuel wird Michelle Obamas Reaktion auch nachvollziehbar, da er sie von Anfang an mit einiger Geringschätzung behandelt haben soll. Der Politroutinier war bereits für US-Präsident Bill Clinton tätig und soll schon damals mit dessen Frau, der jetzigen Außenministerin Hillary Clinton, aneinandergeraten sein. Auch macht das Buch nachvollziehbar, über wie wenig Gespür der Stab des Weißen Hauses tatsächlich manchmal verfügt.
Die öffentlichen Auftritte der First Lady sollen so immer wieder Thema gewesen sein. Mehr als Aufrufe zu größtmöglicher Bescheidenheit seien dabei von den Präsidentenberatern nicht zu hören gewesen, wird in dem Buch geschildert. Die durchaus berechtigten Bedenken Michelle Obamas, dass sich die erste afroamerikanische First Lady der USA auch im Hinblick auf das Auftreten nicht „billiger“ geben dürfe als ihre Vorgängerinnen, da alles andere rassistische Vorurteile bedienen würde, blieben demnach ungehört.
Eine Geschichte mit Happy End
Außerdem hat das Buch ein Happy End: Wie schon mehrmals in Barack Obamas Vergangenheit sollen die bis zuletzt noch äußerst düsteren Aussichten für seine politische Zukunft das Paar wieder zusammengeschweißt haben. Michelle Obama habe inzwischen mit den Mechanismen von Washington umgehen gelernt und wisse sie zu nützen. Barack Obama wiederum brauche sie tatsächlich als „Korrektiv“, gibt das Buch zu verstehen - auch wenn er es, wie im Buch geschildert, bei offiziellen Anlässen manchmal immer noch schwer hat, vor ihr zu Wort zu kommen.
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