IWF und EU fordern Kurswechsel
Angesichts seiner großen Finanznot ist Ungarn nun doch bereit, über das von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kritisierte neue Notenbank-Gesetz zu verhandeln. „Wir sind zu Diskussionen bereit“, sagte der ungarische Außenminister Janos Martonyi der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ (Samstag-Ausgabe).
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Auch (zu Diskussionen) über das am häufigsten erwähnte Problem: das Gesetz über die Zentralbank“, fügte er hinzu. „Wir haben 13 oder 14 Einwände (der Europäischen Zentralbank) berücksichtigt“, sagte Außenminister Martonyi der Zeitung. „Aber unser Gesetzestext sagt immer noch, dass es drei statt zwei Vizegouverneure geben soll. Stellt das die Unabhängigkeit der Zentralbank infrage?“
Informelle Gespräche in Washington
Wegen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten bemüht sich Ungarn seit November um einen neuen IWF-EU-Kredit. Die beiden Institutionen wollen aber vorerst keine offiziellen Verhandlungen mit der Regierung Orban aufnehmen, so lange diese nicht ihre Politik ändert. Der für die IWF-Verhandlungen zuständige ressortfreie Minister Tamas Fellegi reist am kommenden Mittwoch zu informellen Gesprächen mit dem IWF nach Washington. Dabei soll sondiert werden, wie weit Budapest zu einem Kurswechsel bereit ist.
Die für Ungarn bedrohliche Entwicklung ist eine Folge der aggressiven Wirtschaftspolitik der Regierung des Rechtskonservativen Viktor Orban. Unter anderen hatte diese - gegen den ausdrücklichen Rat von IWF und EU - die Unabhängigkeit der Notenbank durch eine Gesetzesnovelle stark eingeschränkt.
Demnach kann nun Orban einen weiteren Vizegouverneur der Nationalbank und zwei weitere Mitglieder ihres Monetärrates einsetzen. EU und IWF befürchten, dass die Regierung auf diese Weise direkten Einfluss auf die Notenbank nimmt, was gegen EU-Recht verstoßen würde. Außerdem eröffnet das neue Gesetz die Möglichkeit, die Nationalbank mit der Finanzmarktaufsicht zu fusionieren, um damit den von Orban wenig gelittenen Notenbank-Gouverneur Andras Simor zu entmachten.
Finanznot spitzt sich zu
Am Freitag stufte mit der US-Ratingagentur Fitch die dritte große Agentur die Kreditwürdigkeit Ungarns auf Ramschniveau herab. Die Bewertung wurde auf „BB+“ gesenkt, wie Fitch mitteilte. Die Agentur begründete ihre Entscheidung unter anderem mit einer „weiteren Verschlechterung“ der Finanzlage und der Wachstumsaussichten des Landes. Ende vergangenen Jahres hatten bereits die US-Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s Ungarns Bonität auf Ramschniveau herabgestuft.
Das Wirtschaftsministerium nannte den Schritt von Fitch „nicht gerechtfertigt“. Schließlich könne sich Ungarn auf dem Finanzmarkt Geld besorgen und habe auch ausreichende Haushaltsreserven. Die ungarische Regierung erklärte die Einlagen der Sparer am Freitag für sicher. Guthaben bis zu 100.000 Euro seien über einen nationalen Einlagensicherungsfonds abgesichert, hieß es. Die Regierung zeigte sich dennoch „überrascht“ über die Herabstufung. Schließlich habe sich der Kurs der Landeswährung Forint zuletzt etwas erholt, und auch die Risikoaufschläge für Staatsanleihen hätten nachgegeben.
Bereits 2008 Geldspritze erhalten
Ungarn war bereits 2008 mit Notkrediten von EU und IWF in Höhe von 20 Milliarden Euro gestützt worden. Nun hofft es auf ähnliche Geldspritzen. Orban sagte, IWF-Hilfen seien als unverzichtbares Sicherheitsnetz nötig, bevor er sich an die Stärkung des Wachstums machen könne. Notenbankchef Simor erklärte, er werde sich künftig regelmäßig mit dem Wirtschaftsminister treffen und alle verfügbaren Instrumente zur Stabilisierung der Wirtschaft nutzen. Er nannte keine Details, doch gehören Eingriffe auf dem Devisenmarkt oder Zinsanhebungen zum Arsenal der Notenbank im Kampf gegen die Krise.
Österreich droht in Sog zu geraten
Auch Österreich, dessen Geldinstitute wie Erste Group, Raiffeisen Bank International und Volksbanken AG in Ungarn stark engagiert sind, spürt die Schockwellen des ungarischen Bebens auf den Finanzmärkten mit steigenden Kosten für seine Kreditausfallversicherungen (CDS). Österreichs Institute haben laut Statistik der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) alles in allem mehr als 41 Mrd. Dollar (32,1 Mrd. Euro) in Ungarn angelegt, gefolgt von Italien mit Gesamtinvestitionen von 23,39 Mrd. und Deutschland mit 21,38 Mrd. Dollar.
Die Zinsen für zehnjährige österreichische Staatspapiere liegen derzeit bei 3,316 Prozent. Zum Vergleich: Deutsche Papiere notierten am Donnerstagnachmittag bei 1,870 Prozent. Am Dienstag will Österreich via Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) rund 1,3 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Emittiert werden Staatsanleihen mit einer Laufzeit von vier und zehn Jahren.
Links: