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Aktionskomitees blasen zum Angriff

Zimperlich waren US-Politiker im Wahlkampf noch nie. Doch neue Regeln lassen das Niveau des nun beginnenden Vorwahlwahlkampfs der Republikaner endgültig unter die Gürtellinie absinken. Via „unabhängige“ Aktionskomitees ist es jetzt erlaubt, politische Gegner direkt zu attackieren. Und so suchen Mitt Romney und Co. vor allem die Leichen im Keller der Parteifreunde.

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Am Dienstag begannen in Iowa die Vorwahlen um die Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl. Da US-Präsident Barack Obama sein Amt verteidigt, steigen nur die Republikaner gegeneinander in den Ring. Die Umfragen in den vergangenen Woche glichen der Fahrt mit einer Hochschaubahn und zeigten vor allem eines: Einen Herausforderer mit Format wird es wohl nicht geben. Das hindert die Kandidaten allerdings nicht, sich gegenseitig ordentlich zu beflegeln.

Farbloses Feld

Der Mormone Romney gilt als großer Favorit in dem überschaubaren Feld - gleichzeitig ist er für die fundamentalistischen Christen nicht wählbar. Chancen rechnete sich auch Newt Gingrich aus, der vor allem als „Speaker“ des Repräsentantenhauses Präsident Bill Clinton das Leben schwer machte. Dennoch rechnet er mittlerweile seinen eigenen Worten zufolge nicht damit, als Sieger aus der Iowa-Wahl hervorzugehen: „Ich denke nicht, dass ich gewinnen werde“, sagte er Anfang der Woche. Das „Ausmaß der Negativität“ seiner Rivalen und ihrer Verbündeten habe seine zerstörerische Wirkung entfaltet. Er werde aber gut genug abschneiden, um an den kommenden Vorwahlen teilnehmen zu können.

Protest gegen US-Präsidentschaftskandidaten Rick Perry

AP/Chuck Burton

Auch die Basis mobilisiert gegen Kandidaten

Der libertäre Ron Paul steht für eine radikale Steuerentlastung. Der texanische Gouverneur Rick Perry galt im Sommer als republikanische Hoffnung, stolperte aber bei den TV-Konfrontationen von einem Fettnäpfchen ins andere. Dort eingerichtet hat sich längst Michele Bachmann, die genauso wie Rick Santorum vor allem um die „Tea-Party“-Anhänger rittert. Bleibt schließlich Jon Huntsman, ehemaliger Gouverneur von Utah und derzeitiger US-Botschafter in China.

Iowa gilt vor allem als Testlauf: Wer dort gewinnt, ist nicht wirklich wichtig - es sei denn, es werden Trends für Vorwahlen in den großen Bundesstaaten gesetzt. Gleichzeitig könnte sich das Feld schon zu Beginn ausdünnen. Santorum kündigte sein Ausscheiden aus dem Rennen an, sollte die Wahl schlecht für ihn verlaufen. Er holte zuletzt in den Umfragen aber auf.

Angriff der „Super-PACs“

Vor allem aber verwenden die Republikaner Iowa, um eine neue Form des Wahlkampfes auszuprobieren: das völlig legale gegenseitige Anpatzen per Wahlkampfvideos. Durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jänner 2010 dürfen Unternehmen unbegrenzt Politiker finanziell unterstützen oder angreifen. Das Urteil war anlässlich eines Hetzfilms gegen Hillary Clinton von der Gruppe Citizens United betrieben worden.

Ausgeweitet wurde die Regelung durch einen ähnlichen Gerichtsspruch, den der liberale Fernsehsatiriker Stephen Colbert erstritt. Dabei treten die Politiker nicht direkt in Erscheinung: Politische Aktionskomitees (Political Action Committees, PAC) übernehmen die Kampagnen. PACs gab es schon vorher, mit den neuen Regelungen entstanden „Super-PACs“. Diese dürfen zumindest formal in keiner Beziehung zu dem Kandidaten stehen, den sie unterstützen - praktisch heißt das aber gar nichts. Die Komitees werden zumindest von ehemaligen Mitarbeitern der Kandidaten geleitet. Die Folge: Während sich die Kandidaten selbst mit positiven Spots die Hände nicht schmutzig machen, greifen ihre angeblich unabhängigen Unterstützer in die tiefsten Schubladen, um die Gegner fertigzumachen.

Alle gegen Gingrich

US-Medien zufolge haben alleine die „Super-PACs“ von Perry und Romney im Dezember vier Millionen Dollar in Werbespots gesteckt. Während Romney selbst im Wahlkampf in Iowa rund 1,2 Millionen für Werbespots ausgegeben hat, verpulverte seine Unterstützergruppe Restore Our Future 2,85 Millionen für Clips - insbesondere solche, die gegen Gingrich mobilmachen. Auch Perrys Unterstützer „Make Us Great Again“ und Ron Paul schossen sich auf Gingrich ein.

Attacken gegen Paul

Als kurz nach Weihnachten in den Umfragen plötzlich Paul an der Spitze lag, wurde auch er ins Visier genommen. Gingrich sagte, er würde Paul nicht einmal wählen, wenn dieser der offizielle Kandidat seiner Partei wäre: „Ron Pauls Ansichten sind völlig jenseits der Mehrheit in praktisch jedem Teil Amerikas.“

Perry und Bachmann warfen ihm seine laxen außenpolitischen Ansichten vor - so hatte er gegen den Irak-Krieg gestimmt und tritt auch für eine sanftere Linie im Iran-Streit ein. Zudem tauchten plötzlich wieder 20 Jahre alte Werbebriefe auf, in denen Paul vor einem „bevorstehenden Rassenkrieg in unserer Städten“ warnte. Santorum wiederum führte ins Treffen, dass Paul demnächst schon 78 werde.

Schmutzigster Wahlkampf aller Zeiten?

Santorum wollte schließlich mit einer „Spendenbombe“ in letzter Minute noch eine Aufholjagd - unterstützt von einem „The Red White and Blue Fund“. Bachmann wurde von ihren Gegnern weitgehend verschont - sie hatte sich mit kruden Ansagen weitgehend selbst disqualifiziert. Ähnliches gilt für Perry, der über seine außenpolitischen und geografischen Unkenntnisse stolperte. Zuletzt musste er sich von seinen Gegnern noch vorwerfen lassen, er habe zum Thema Abtreibung seine Meinung geändert.

Erste Negativkampagnen wurden mittlerweile auch in New Hampshire, South Carolina and Florida gestartet. Schon jetzt rechnen Experten mit dem schmutzigsten Wahlkampf, den die USA je gesehen haben. Das musste ein Ex-Bewerber schon am eigenen Leib erfahren: Herman Cain rangierte im Herbst in Umfragen ganz vorne, ehe ihm serielle sexuelle Belästigung und schließlich eine jahrelange Affäre zum Verhängnis wurde.

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