Vom Bauernmädchem zum Weltstar
Sie nannte sich selbst „La pucelle - die Jungfrau“. Als einfaches Bauernmädchen wurde sie im Jahr 1412 geboren - 600 Jahre später feiert man sie in Frankreich ungebrochen als Nationalheldin. Friedrich Schiller, William Shakespeare und Bertolt Brecht sind nur einige, die ihr kurzes Leben literarisch verarbeitet haben. Bis heute faszinieren Jeanne d’Arcs Mut und ihre Frömmigkeit.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wer in Google nach Jeanne d’Arc sucht, erhält fast 13 Millionen Treffer: Das Mädchen, das sich gegen alle Konventionen einen Platz in der französischen Armee sicherte und Frankreich in nur fünf Monaten zum Sieg über England verhalf, ist alles andere als vergessen. Schon zur Zeit der ersten Spielfilme wurde ihr Leben verfilmt - allein mit Ingrid Bergmann gibt es zwei Versionen.
Eine Neuverfilmung mit Milla Jovovich und John Malkovich inszenierte Luc Besson im Jahr 1999. In „Johanna von Orleans“ zeigt er die für ihre Frömmigkeit stets gepriesene Jeanne d’Arc als mit Fehlern und Zweifeln behaftete Frau, die am Ende um ihren Glauben kämpfen muss.

AP/Gaumont
Milla Jovovich als Jeanne d’Arc in Luc Bessons „Johanna von Orleans“
„Wer gegen sie war, galt als Ketzer“
„Jeanne d’Arc war ja schon zu Lebzeiten sehr berühmt, weil sie einen Wandel im Verhältnis zwischen England und Frankreich gebracht hat“, sagte der Historiker Klaus Lohrmann im Gespräch mit ORF.at. Durch sie habe der hundertjährige Krieg eine völlig neue Dimension gewonnen. „Aus der langwierigen Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich wurde ein Religionskrieg. Wer mit Jeanne d’Arcs Vorgehen nicht einverstanden war, galt als Ketzer.“

Reuters/Charles Platiau
Jeanne-d’Arc-Statute auf dem Place de Pyramides in Paris
Obwohl ihr Einsatz politisch letztlich schiefging - bei dem Versuch Paris zu befreien, wurde die 19-Jährige gefangengenommen und schließlich hingerichtet -, brachte Jeanne d’Arc dem Frankreich des 15. Jahrhunderts einen Stimmungsumschwung. „Die Krönung Karl VII. zum König von Frankreich in Reims 1429, die Jeanne d’Arc mit ihren Stimmen als von Gott gewollt legitimierte, ließ einen neuen französischen Zusammenhalt aufkommen“, erklärt Lohrmann. Die Tatsache, dass Jeanne d’Arc als Frau selbst kämpfen wollte und Männerkleidung trug, förderte ihre Berühmtheit.
Hohes Ansehen beim Volk
Auch viele Jahre nach ihrem Tod genoss sie hohes Ansehen in der Bevölkerung. Mit der Aufhebung des Ketzereiurteils 24 Jahre nach ihrer Hinrichtung wollte Karl VII. seine Beliebtheit beim Volk steigern. „Etwas in Vergessenheit geraten ist Johanna erst im 16. und 17. Jahrhundert“, so der Historiker. In Shakespeares Historiendrama „Heinrich der VI.“ fand sie dennoch Eingang.
Die Französische Revolution und Schiller
Neuerliche Bekanntheit erlangte Jeanne d’Arc durch Voltaires zynischen Epos „La pucelle“ von 1739, in dem der Dichter die katholische Kirche verhöhnt. „Eine ganz neue Dimension hat ihr Ruhm aber während der Französischen Revolution erreicht: das Bauernmädchen, das Frankreich rettet. Dieser Mythos hat gut zur linken Ideologie der Revolution gepasst“, sagt Lohrmann.
Zu weltweitem Ruhm verhalf Jeanne d’Arc schließlich Friedrich Schillers Werk „Die Jungfrau von Orleans“, das zu Lebzeiten des Schriftstellers eines seiner am häufigsten gespielten Dramen war. „Das Stück hat eine regelrechte Jeanne-d’Arc-Welle ausgelöst. In dem Drama geht es ja um Freiheit - dieses Thema hat den Puls der damaligen Zeit genau getroffen“, sagt Lohrmann.
Vielseitige Symbolfigur
Im 19. Jahrhundert wurde die Gestalt der Jeanne d’Arc zum französischen Nationalmythos erklärt. „Die verschiedensten politischen Strömungen und Institutionen fanden Gefallen an ihr: Die Kirche schätzte sie wegen ihrer Frömmigkeit, die liberalen Republikaner strichen ihren Mut gegenüber den Herrschenden hervor“, erklärt der Historiker. Im Zweiten Weltkrieg galt sie als Symbolfigur für den Widerstand gegen die deutsche Besatzung.
Auch Brecht kam Anfang der 1920er Jahre nicht um Jeanne d’Arc herum. In „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ erzählt er die Geschichte der Johanna Dark, die als Aktivistin der Heilsarmee lernen muss, dass religiös motiviertes Mitleid nicht genügt, um das Schicksal der Arbeiter zum Besseren zu wenden.
Musikalisch oft gepriesen
Giuseppe Verdi und Pjotr Tschaikowski priesen in den Opern „Giovanna d’Arco“ von 1845 und „Orleanskaja Deva“ von 1881 die Jungfrau musikalisch. Auch zeitgenössische Musiker beschäftigten sich mit der historischen Gestalt: David Guetta veröffentlichte auf seinem Album „Pop Life“ im Jahr 2007 einen Titel mit dem Namen „Joan of Arc“, auch in Leonard Cohens Werk findet sich ein gleichnamiger Titel.
Heiligsprechung vor knapp 100 Jahren
Seit 1920 gilt sie als Heilige der katholischen und der anglikanischen Christen. Mehr als vierzig Jahre wurde auf ihre Heiligsprechung gepocht. Mit einem Reliquienfund auf dem Dachboden einer Apotheke in Paris 1867 wollte man diese vermutlich schon früher erreichen. Im Jahr 2007 entlarvten Forscher den Fund jedoch als Fälschung.
Und auch verschiedene politische Strömungen sind 600 Jahre nach ihrer Geburt vom Reiz der Jeanne d’Arc noch immer ergriffen: Für die extreme Rechte in Frankreich stellt sie heute eine Ikone im Kampf gegen Ausländer dar.
Nina Flori, ORF.at
Links: