„Es geht darum, den Euro zu retten“
Die Europäische Union hat einen neuen EU-Ratsvorsitzenden. Das Nicht-Euro-Land Dänemark übernahm mit dem Jahreswechsel die Agenden von Polen. Die Geschicke rund um die Euro-Rettung liegen in den nächsten sechs Monaten somit in der Hand der dänischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt. Doch damit droht eine innenpolitische Zerreißprobe.
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Thorning-Schmidts Begrüßung auf dem politischen EU-Parkett Mitte Dezember war alles andere als freundlich. „Ihr steht außen vor, ihr seid ein kleines Land, und Sie sind neu. Wir haben keine Lust, Ihnen zuzuhören“, soll Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Dänin beim Brüsseler Dezember-Krisengipfel laut „Financial Times“ angeschnauzt haben.
Ein kleines Land - drei große Probleme
Damit bringt Sarkozy die Hauptprobleme den neuen EU-Ratspräsidenten wenig charmant, aber klar auf den Punkt: Dänemarks Bevölkerung hat gleich zweimal den Euro per Volksabstimmung abgelehnt, das Land ist trotz boomender Wirtschaft zu klein, um viel Gewicht in der europäischen Finanzwelt zu haben, und Thorning-Schmidt wurde erst vor drei Monaten zur neuen Regierungschefin gewählt. Nun soll ausgerechnet Dänemark in den kommenden sechs Monaten alles nur Mögliche zur Rettung der EU-Währung beitragen.
Verhältnis zu Europa kompliziert
„Jetzt geht es ausschließlich darum, den Euro zu retten“, definierte Thorning-Schmidt am zweiten Weihnachtsfeiertag in „Politiken“ ohne viel wenn und aber, welchen Weg sie vor sich sieht. Beim Krisengipfel am 9. Dezember hatte sie gesagt, dass sie ihr Land am liebsten schnell hinter den von Sarkozy und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel durchgeboxten Euro-Pakt stellen würde.
Aber dafür ist eben das Verhältnis der Dänen zu Europa doch viel zu kompliziert und voller Vorbehalte: Sollte die juristische Prüfung des neuen Vertrages für mehr Haushaltsdisziplin ergeben, dass die Dänen Souveränitätsrechte abgeben müssen, wäre automatisch eine Volksabstimmung fällig. Und das mit höchst ungewissem Ausgang.
Umfragewerte im Keller
Wovor sich die durch und durch proeuropäische Thorning-Schmidt auch fürchten muss, weil sie ohnehin seit ihrem Amtsantritt in allen Popularitätsumfragen verblüffend schlecht aussieht. Wenn ihr Europaminister Nicolia Wammen das eigene Programm für die Ratspräsidentschaft launig mit dem Simon-&-Garfunkel-Hit „Bridge Over Troubled Water“ ankündigt, meint er unausgesprochen auch die eigene Wählerschaft.
Die Dänen fühlen sich nach 15 Jahren mit sagenhaft boomender Wirtschaft plötzlich im Würgegriff der Krise. Ob das ihre lange Zeit so ausgeprägte EU- und Euro-Skepsis verstärkt oder das Gegenteil bewirkt, gilt in Kopenhagen als völlig offen.
Gute Beziehungen zu Großbritannien
Thorning-Schmidt weiß, dass die Bedeutung der länderweise wechselnden Ratspräsidentschaft durch die Installierung des permanenten Ratschefs, derzeit Herman van Rompuy, geschrumpft ist. Persönlich kann sich die Dänin bestens für den Zeitjob als „Brückenbauerin“ gerüstet fühlen: Sie kennt als Europaabgeordnete von 1999 bis 2005 die Brüsseler Sicht bestens. Die etwas spezielle britische Sicht kann ihr auch Ehemann Stephen Kinnock erläutern, Sohn von Ex-Labor-Chef Neil Kinnock. Das könnte ihr zugutekommen bei dem Versuch, Großbritannien stärker in die Rettungsmaßnahmen der Euro-Zone zu involvieren.
Europa am Scheideweg
Thorning-Schmidts Vorgänger als Ratspräsident, der polnische Ministerpräsidenten Donald Tusk, hatte eine ernüchternde Bilanz gezogen. „Ich kann heute nicht sagen, dass Europa Ende 2011 geeinter ist als vor sechs Monaten, vor einem Jahr oder vor fünf Jahren“, bekannte er am Jahresschluss vor dem Europaparlament. Mehr noch: Europa stehe am Scheideweg, so Tusk. „Vor uns liegt die schwere Wahl, ob wir in dieser Zeit der Krise den Weg der Gemeinschaft einschlagen oder den Weg nationaler und staatlicher Egoismen.“
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