Mangelnde Disziplin mitschuldig an Krise
Ein „Riesenerfolg“ sei die Einführung des Euro gewesen, freute sich der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, kurz nach dem offiziellen Startschuss der gemeinsamen Währung am 1. Jänner 2002. Überschwänglich wurde der Euro gefeiert, groß war der Andrang auf die ersten „Starter-Kits“ mit der neuen Währung.
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Sogar einige oft EU-skeptische britische Medien fanden den Euro „sexy“. Die Labour-nahe Zeitung „Mirror“ teilte dem damaligen Regierungschef Tony Blair mit, er habe eine Fehlentscheidung getroffen, indem das Land nicht am Euro teilnehme: „Der Zug fährt ohne uns ab, Tony.“
Zehn Jahre Euro
Am 1. Jänner 1999 wurde der Euro von elf EU-Ländern eingeführt. Griechenland kam zwei Jahre später zur Währungsunion. Mit 1. Jänner 2002 wurde der Euro als Bargeld in zwölf Ländern eingeführt. Heute gehören 17 Staaten zur Euro-Zone.
Kontinentaleuropa überschlug sich mit euphorischen Meldungen: Für Frankreichs Ex-Präsidenten Jacques Chirac war der Euro ein „Erfolg Europas“. Der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sah das Ziel erreicht, Europa in der Welt als „Global Player“ aufzustellen. Sein deutscher Kollege Gerhard Schröder (SPD) sagte, dass der mögliche Preisvergleich in mehreren europäischen Ländern „für mehr Wettbewerb und auf Dauer für sinkende Preise sorgen“ werde.
Euro als „Teuro“?
Zumindest die sinkenden Preise haben sich nur teilweise bewahrheitet. Produkte des täglichen Gebrauchs wie Lebensmittel und Benzin sind seit der Euro-Einführung überdurchschnittlich teurer geworden. Auch in der Gastronomie sind die Preise vor allem in der Anfangsphase stark gestiegen. Den vielzitierten „Euro als Teuro“ weisen Ökonomen aber zurück. Zwischen 1988 und 1998 habe die Jahresinflation in Österreich im Durchschnitt 2,2 Prozent betragen. Zwischen 1999 und 2011 sei sie bei 1,8 Prozent pro Jahr gelegen, so die Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
„Mittel gegen Inflation und Defizit“
Für Mario Monti, damals EU-Wettbewerbskommissar, war der Euro Ausdruck des „definitiven Willens zum friedlichen Zusammenleben der europäischen Völker“: „Kein Land auf der Welt verfügt über ein derart starkes Mittel gegen Inflation und Defizit“, zeigte sich Monti im Jänner 2002 zuversichtlich. Zehn Jahre später versucht Monti als Nachfolger Silvio Berlusconis das überschuldete Italien durch die Krise zu steuern. Die Briten freuen sich, nicht am Euro beteiligt zu sein. Auch die von Monti angesprochenen Wirtschaftskennzahlen lassen zu wünschen übrig.

APA/Bernhard J.Holzner
Politiker begrüßen den Euro in der Silvesternacht 2001/2002
Die Inflation lag mit durchschnittlich drei Prozent in der Euro-Zone im November über dem von der EZB angestrebten Ziel von zwei Prozent. Und das Defizit vieler Euro-Länder ist so hoch, dass sich in der EU ein Gipfel an den anderen reiht, um mit Rettungsschirmen und strikteren Haushaltskontrollen die sich ausbreitende Schuldenkrise wieder in den Griff zu bekommen. 2010 betrug das durchschnittliche Defizit der Euro-Zone 6,2 Prozent des BIP.
Strenge Theorie ...
Mit seiner Annahme, dass der Euro ein wirksames Mittel für Stabilität sei, hatte Monti gar nicht so unrecht. Schließlich waren 1991 in Maastricht die Grundregeln für die Wirtschafts- und Währungsunion vereinbart worden: Nur Staaten mit gesunden Finanzen dürfen demnach am Euro teilnehmen. Die Neuverschuldung des Staates dürfe maximal drei Prozent betragen, die Gesamtverschuldung 60 Prozent des BIP nicht überschreiten.
Der frühere deutsche Finanzminister Theo Waigel hatte 1996 noch auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt gedrängt. Damit sollte verhindert werden, dass die Haushaltsdisziplin der Euro-Länder nachlässt. Im Fall der Überschreitung des Defizits wurden Sanktionen vorgesehen.
... lasche Praxis
Nicht voraussehen konnte Monti, dass nur wenige Jahre später der Stabilitätspakt bereits aufgeweicht wurde. Der damalige deutsche Kanzler Schröder und Frankreichs damaliger Präsident Jacques Chirac forderten 2002, den Pakt „flexibler“ zu nutzen. Sowohl Deutschland als auch Frankreich überschritten 2002 und 2003 die Defizitgrenzen.
Das Sanktionsverfahren und der „blaue Brief“ der EU-Kommission wurden - wenn auch unter großer Kritik - vorübergehend ausgesetzt, da beide Länder versprachen, ihre Neuverschuldung unter drei Prozent zu senken. Vorauszusehen war auch nicht, dass Griechenland beim Einstieg in den Euro schummelte und ein weit höheres Defizit hatte als angegeben.
Scheitern erwartet
Dabei hatte es schon bei der Einführung des Euro als Bargeld skeptische Stimmen gegeben. Der deutsche Ökonom Wilhelm Hankel etwa rechnete mit einem Scheitern des Euro: „Aus historischer Sicht haben Währungsunionen eine durchschnittliche Halbwertzeit von zwölf bis 15 Jahren“, so Hankel. Die Ursache sei, dass die Euro-Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrags ständig verfehlt und unterlaufen würden.
Der damalige deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD) gab sich in seiner Kritik zurückhaltender, betonte aber, dass die Währungsunion ohne politische Union scheitern werde: „Ich bin zuversichtlich, dass wir dies jedoch nach einigen Krisen schaffen.“
Euro-Treffen wie Teekränzchen
Auch der frühere EG-Kommissionspräsident von 1985 bis 1995, Jacques Delors, der entscheidend am Vertrag von Maastricht mitgewirkt hatte, kritisierte anlässlich der Einführung des Euro die unzureichende Abstimmung der Euro-Länder in der Finanz- und Wirtschaftspolitik: „Was fehlt, ist eine wirkliche Koordination der Politik, eine Führung vonseiten der Wirtschafts- und Finanzminister und der Kommission.“
Die Treffen der Euro-Ressortchefs seien bisher „ein bisschen wie ein Teekränzchen einiger Damen. Sie tauschen ihre Standpunkte aus, bilden aber kein Gremium, das in der Lage wäre, die Zusammenarbeit und damit die Glaubwürdigkeit der Euro-Zone zu verstärken.“
Zusammenbruch des Euro reale Gefahr
Teekränzchen sind die Treffen der Euro-Finanzminister mittlerweile nicht mehr. Der Euro werde nicht zerbrechen, heißt es zwar immer wieder aus der EZB und der EU. Denn es handle sich nicht um eine Euro-, sondern um eine Schuldenkrise. Die Vorteile der gemeinsamen Währung würden die Nachteile weit überwiegen.
Ein Zusammenbruch des Euro wird dennoch von den politischen Führern der EU, darunter von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), als „reale Gefahr“ eingeschätzt. Zumindest wird von Experten nicht mehr ausgeschlossen, dass die Euro-Zone Mitglieder verlieren könnte. Mittelstandsunternehmen und Finanzdienstleister bereiten sich nach Angaben der Unternehmensberatung Ernst & Young in Planspielen jedenfalls auf ein mögliches Ende der Euro-Zone vor.
Jubiläum ohne Party
Seit fast zwei Jahren wurde vonseiten der EU mehrfach die Notbremse gezogen. Der Euro-Stabilitätspakt wurde verschärft, ein vorübergehender Rettungsschirm (EFSF) und ein permanenter Krisenmechanismus (ESM) beschlossen. In den insbesondere von Frankreich und Deutschland forcierten Rettungsstrategien für den Euro wurde vor allem versucht, die Konstruktionsfehler bei der Schaffung der Währungsunion zu beheben.
Beim EU-Gipfel im Dezember wurden die Weichen für einen Fiskalpakt für eine striktere Haushaltskontrolle der Euro-Länder gestellt. Mit Ausnahme Großbritanniens sicherten auch alle EU-Mitglieder ihre Unterstützung zu. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um auf den Finanzmärkten wieder Vertrauen zu schaffen, ist offen. In Jubelstimmung ist man in Brüssel jedenfalls nicht. Feiern zum Jubiläum gibt es nicht.
Euro hält „400 Jahre“
Allerdings sind nicht alle Optimisten verstummt. Der frühere deutsche Finanzminister Waigel hält Warnungen vor einem baldigen Kollaps des Euro für überzogen. Der Denar des Römischen Reiches habe 400 Jahre lang Geltung gehabt, sagte er. „So viel Zeit gebe ich dem Euro auch.“ Das Gerede von der größten Krise der EU hält er „für maßlos übertrieben“.
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