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Cheetas erfundenes Leben

Der weltbekannte Schimpanse Cheeta sei am Heiligen Abend gestorben, teilte das Tierheim Suncoast Primate Sanctuary in Palm Harbor im US-Staat Florida vor kurzem auf seiner Website mit. 80 Jahre sei Cheeta geworden, heißt es. Der Affe soll an der Seite von Johnny Weissmüller in etlichen Tarzan-Filmen zu sehen gewesen sein. Doch er war nicht der einzige.

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Das „Guinness Buch der Rekorde“ führte ihn als ältesten Schimpansen der Welt. Verwirrung herrscht allerdings, welcher Cheeta gemeint ist. Denn auch in Kalifornien gibt es einen prominenten Schimpansen namens Cheeta. Als dessen Betreuer Dan Westfall 2007 eine „Autobiografie“ seines Stars in Auftrag gab, wurde aber schnell klar, dass an der Geschichte des Affen einiges nicht stimmen kann. 2008 erschien „Me Cheeta“ dennoch, als amüsante Fabel über die goldene Zeit Hollywoods, aber nicht als Tatsachenstory.

Filmreife Autobiografie

In „Me Cheeta. The Autobiography“ erzählt der Affe - respektive sein menschlicher Ghostwriter - seine mehr als filmreife Geschichte: Offiziell wurde Cheeta 1932 geboren. Schon in seinem Geburtsjahr bekam er die erste Filmrolle, heißt in dem Buch des Briten James Lever, das sogar für den britischen Booker-Preis nominiert war. Vom Tierimporteur Henry Trefflich sei Cheeta aus dem Dschungel Liberias in Westafrika in die USA gebracht worden, wo er beim Hollywood-Tiertrainer Tony Gentry landete.

In den 30er und 40er Jahren spielte er demnach unter anderem an der Seite von Weissmüller in zwölf Tarzan-Filmen mit und wurde damit zum Star. Sein vielleicht größter Auftritt: In „Tarzans Vergeltung“ von 1934 entwendet der Schimpanse der badenden Jane (Maureen O’Sullivan) die Kleider. Seine Sicht auf die Nacktszene darf in der Autobiografie natürlich nicht fehlen.

Fingerbiss als Karriereende

Cheetas Filmkarriere, in der er unter anderen auch mit Bela Lugosi spielte, endete laut der Autobiografie abrupt: Bei den Dreharbeiten zu „Doctor Dolittle“ 1967 biss er Hauptdarsteller Rex Harrison hinter den Kulissen in den Finger, als ihm eine Banane angeboten wurde. Und auch eine Anekdote mit dem späteren Ex-Präsidenten Ronald Reagan, der als Schauspieler in „Schlafenszeit für Bonzo“ dermaßen von Cheeta irritiert worden sein soll, dass ihm mehrmals sein Text nicht einfallen wollte, soll überprüft werden. Seine menschlichen Schauspielpartner habe er alle überlebt: Weissmüller starb 1984, O’Sullivan 1998.

Bier und Zigarren

Wie Cheeta sein hohes Alter erreichen konnte, machte Kritiker skeptisch: Selbst in menschlicher Obhut werden die Tiere selten über 50 Jahre alt. Umso erstaunlicher war das bei dem Lebenswandel des tierischen Hollywood-Stars. Sein mittlerweile verstorbener Dompteur Gentry, dessen Gefühl für die Grenzen zwischen Mensch und Tier offenbar zunehmend verschwamm, berichtete mehrmals, der Affe trinke täglich zu ordentlichen Mahlzeiten eine Dose Bier und rauche auch manchmal eine Zigarre.

Den „Kampf“ gegen die Laster Alkohol und Nikotin beschreibt Cheeta auch in seiner Biografie. „Geholfen“ hat ihm dabei sein Betreuer Westfall, der Neffe Gentrys - nicht zuletzt, weil der Affe auch gesundheitlich nur allzu menschliche Symptome zeigte: Er war Diabetiker und brauchte zweimal täglich Insulinspritzen. Der „Kunst“ blieb der Schimpanse aber auch im Alter treu. Das Fach wechselte er aber: Mit dem Verkauf von Cheetas - freilich abstrakten - Gemälden verdiente sich das Affenheim ein Zubrot.

Faktisch nicht möglich

Zumindest Cheetas Lebensabend in der Autobiografie dürfte den Tatsachen entsprechen. Alles andere aber kaum. Das fand der US-Autor Richard Rosen heraus. Er war als Erstes von Westfall mit der Verfassen der Biographie beauftragt worden, merkte aber schnell, dass Westfalls Onkel Gentry wohl das meiste, was er über den Affen erzählte, erfunden haben dürfte. Schon die Anekdote des Imports aus Afrika sei faktisch nicht möglich gewesen, recherchierte Rosen.

Und im Videostudium von etlichen Filmen fand der heraus, dass eine ganze Menge talentierter Filmaffen all jene Rollen gespielt haben, die Cheeta zugesprochen wurden. Er kam zum Schluss, dass Cheeta wohl 1960 oder 1961 geboren wurde. Mit diesen Ergebnissen beriet Rosen den Affenbetreuer Westfall noch, wie er den Text seiner Homepage adaptieren sollte. Als Autor der Biografie wurde er ausgeladen, der Brite Lever übernahm. Rosen veröffentlichte seine Erkenntnisse im zwei Monate nach Erscheinen des Buches 2008 in einem langen Artikel in der „Washington Post“.

Trotzdem ein besonderer Affe

Das Tierheim in Florida wiederum besteht weiterhin darauf, dass ihr nun an Nierenversagen gestorbenen Cheeta der wahre Filmheld ist. Dass er ein ganz besonderer Affe war, steht für die Leitung des Tierheims jedenfalls fest: Mit dem Schimpansen habe die Gemeinschaft einen „teuren Freund und ein Familienmitglied verloren“, erklärte das Tierheim. „Er wusste genau, ob ich einen guten oder einen schlechten Tag hatte. Wenn er dachte, ich sei schlecht drauf, versuchte er ständig, mich zum Lachen zu bringen. Er verstand menschliche Gefühle sehr gut“, sagte Direktorin Debbie Cobb der Lokalzeitung „Tampa Tribune“. Schon seit 1960 sei er in dem Tierheim gewesen.

Nach ihren Angaben liebte es der Schimpanse, mit Fingerfarben zu malen und Football zu schauen. War er aufgeregt, ließ er sich durch christliche Musik beruhigen. Ron Priest, der als Freiwilliger in dem Tierheim arbeitete, bewunderte Cheeta wegen seines aufrechten Gangs. Zudem habe der Schimpanse ein ganz besonderes Talent gehabt, das ihn von allen anderen Heimbewohnern unterschied: „Wenn er jemanden nicht mochte oder eine Situation ihn ärgerte, dann schleuderte er einen Haufen auf den Grund des Ärgernisses - und er konnte auf neun Meter Entfernung treffen, selbst mit Gitterstäben dazwischen.“

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