Qualität als messbare Größe
Kunst ist etwas, dessen Wert in vielen Fällen nicht anhand objektiver Kriterien messbar ist. Preise für Kunstobjekte werden oft als hochgradig subjektiv und stark abhängig vom Geschmack, dem Vermögen und dem Prestige des Käufers gesehen, ohne große Rücksichtnahme auf Nachfrage und Angebot.
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Das gilt umso mehr für religiöse Bilder von alten Malern wie Titian, Veronese und Caravaggio. Vor allem Renaissance- und Barockmalerei betreffend ist diese Auffassung weit verbreitet.
Eine Untersuchung der italienischen Wirtschaftswissenschaftler Frederico Etro und Laura Pagani zeigte jedoch, dass der Kunstmarkt schon in der Renaissancezeit ökonomischen Marktregeln gehorcht haben dürfte. Das berichtet Etro auf der Onlineplattform VoxEU. Wirtschaftspolitisch orientiertes und profitmaximierendes Verhalten waren „entscheidende Bestimmungsfaktoren“ der Verträge zwischen Auftraggebern und Künstlern.
Marktregeln beeinflussten Preisbildung
Etro bezog sich in seiner Analyse auf Untersuchungen von Verträgen, die für die Auftragsvergabe von Ölgemälden historischer Darstellungen in den Jahren 1550 bis 1750 erstellt wurden. Ein strenger Wettbewerb unter den Künstlern habe die Preisbildungen beeinflusst - das sei sonst nur bei voll entwickelten Marktökonomien zu erwarten, so Etro.

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Jacopo Tintoretto: „Danae“ (zweite Hälfte 16. Jh.)
Man habe damit einen der ersten Märkte in der modernen Geschichte entdeckt, für den die grundlegenden Gesetze der Wirtschaft und des rationalen Handelns gelten. Nach Berücksichtigung von Preisunterschieden bedingt durch offensichtliche Faktoren, wie etwa den Bekanntheitsgrad des Künstlers, konnten die Wissenschaftler mehrere Zusammenhänge zwischen dem Preis eines Gemäldes und quantifizierbarer Merkmale festmachen.
Economies of Scale auf dem Kunstmarkt
Dazu zählt zum Beispiel, dass offenbar zwischen der Größe eines Bildes und dessen Preis ein direkter Zusammenhang besteht. Jeder zusätzliche Quadratmeter erhöhe etwa den Preis eines Bildes um durchschnittlich neun Prozent, fanden Etro und Pagani heraus. Das reflektiere das Prinzip der Economies of Scale (Kostenersparnis von Massenproduktion).
Ein anderer wesentlicher Faktor sei die Platzierung religiöser Bilder in Kirchen. Altarbilder etwa erzielten höhere Preise - ihr Markt sei weniger elastisch als jener für Bilder, die für das Hauptschiff einer Kirche gedacht waren.
„Moral Hazard“
„Moral Hazard“ beschreibt das Risiko, das durch eine Interessenskollision der Vertragspartner nach einem Vertragsabschluss sowie durch versteckte Informationen und versteckte Handlungen entsteht. Das Verhalten des besser informierten Partners beeinflusst das Ergebnis des schlechter Informierten. Dieser kann sich nur unvollständig über das Verhalten des Transaktionspartners informieren bzw. dieses evaluieren.
Laut Etro gab es auf dem Kunstmarkt auch im 16. Jahrhundert schon Lösungsansätze für komplexe Wirtschaftsproblematiken: So habe es etwa simple Lösungen für das „Moral-Hazard-Problem“ (moralisches Wagnis) gegeben. Der endgültige Preis etwa für ein Gemälde wurde oft abhängig gemacht von messbaren Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der Qualität des Bildes stehen. Im Fall von historischen Gemälden handelte es sich dabei etwa um die Anzahl von Personen, die abgebildet waren.
Je mehr Figuren, desto höher der Preis
Diese Zahl war zwar nicht gleichzusetzen mit der absoluten Qualität eines Bildes, so Etro, korrelierte mit ihr jedoch aus mehreren Gründen. Zum einen, weil bei Themen biblischen oder mythologischen Inhalts die Figuren schlicht eine große Rolle spielten und die Komplexität der Abbildung beeinflussten.

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Paolo Veronese: „Die Hochzeit zu Kanaa“ (1562/63)
Zum anderen etwa, weil Maler häufig ihre Bemühungen auf menschliche Figuren konzentrierten und weniger relevante Teile an Assistenten delegierten. Eine größere Anzahl von Figuren war somit laut Etro ein Kennzeichen für eine intensivere Beteiligung des Künstlers selbst an der Werkserstellung. Eine Figur mehr auf einem Gemälde erhöhte demnach den Preis um drei Prozent in Venedig - wo die Farbe mehr zählte als Figuren - und bis zu 16 Prozent im restlichen Italien.
Pest ließ Preise in den Keller sacken
Einflüsse auf die Preisbildung übten auch äußere Faktoren - Nachfrageeinbrüche etwa hatten laut der Untersuchung eine direkte Auswirkung auf den Preis. Ein Beispiel dafür ist die Pest, die Venedig und umliegende Regionen 1630 traf - die Preise für Gemälde gingen daraufhin signifikant zurück. Dasselbe passierte auch in anderen Kunstzentren wie Florenz, Rom und Neapel, die 1656 von der Pest getroffen wurden.
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