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Erste Reformschritte stehen

Spätestens seit dem Veto von Premier David Cameron gegen die EU-Pläne für eine neue Regulierung der Finanzmärkte steht der britische Bankensektor verstärkt im Rampenlicht. Die einseitige Ausrichtung der britischen Wirtschaft auf Finanzdienstleistungen wird dabei auch von der Regierung in London zunehmend kritisch betrachtet.

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Zuletzt verwies etwa Wirtschaftsminister Vince Cable auf den schwierigen Spagat, mit dem es die Regierung bei Reformen für den Finanzsektor zu tun habe. Zum einen gelte der Finanzplatz in der Londoner City mit seinem „einzigartigen Netz an innovativen Firmen“ zwar als Ort von nationalem Interesse. Wenn die Londoner City als „Quelle systemischer Instabilität, unersättlicher Gier und Steuerhinterziehung im großen Stil“ dargestellt werde, dann sei das aber auch Teil der „unbequemen Wahrheit“, wie Cable laut „Guardian“ eingestand.

Auch die britische Wirtschaft habe demnach wegen umstrittener Praktiken einiger Banken bereits großen Schaden erlitten. Tatsache sei allerdings, dass hier auch die EU-Regulierungspläne nicht gegriffen hätten, so der einen moderateren Reformkurs einfordernde Cable, um Europas größten Handelsplatz nicht zu gefährden. Dennoch betonte der EU-Währungskommissar zuletzt, dass Camerons Manöver sicher nicht die Londoner City vor der Finanzregulierung verschonen werden.

„Schutzschild“ für Spareinlagen geplant

Mit der Umsetzung einer zentralen Forderung der Expertenkommission ICB will die britische Regierung unterdessen die Großbanken des Landes härter an die Kandare nehmen. Von 2019 an sollen demnach die Banken ihr Investmentbanking strikt etwa vom Privatkundengeschäft mit Spareinlagen und Kleinkrediten für Häuselbauer und kleinere Gewerbetreibende trennen, wie Finanzminister George Osborne diese Woche ankündigte.

Laut Osborne werden die Reformen die City jährlich zwischen 3,5 und acht Milliarden Pfund (4,17 und 9,53 Mrd. Euro) kosten. Die britische Wirtschaftsleistung werde dadurch um 0,8 bis 1,8 Milliarden Pfund gemindert. Die Kosten würden jedoch bei weitem wieder hereingespielt durch das geringere Risiko eines weiteren Bankenbankrotts, der in eine neue Finanzkrise münden und jährlich nach Berechnungen seines Ministeriums mindestens 9,5 Milliarden Pfund kosten könnte.

Für Kritiker kommt die Reform allerdings deutlich zu spät und geht nicht weit genug. Der frühere Labour-Finanzminister Alistair Darling, während der Finanzkrise im Amt, sagte, die Neuerungen hätten etwa die Pleitebank Northern Rock nicht gerettet.

Moody’s sieht „AAA“ gefährdet

Großbritannien kämpft spätestens seit der Bankenkrise 2008 mit einer erheblichen Konjunkturproblematik. Das Budgetdefizit stieg zeitweise auf über zehn Prozent und wird im nächsten Jahr bei nach wie vor hohen 8,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Die Inflation lag in diesem Jahr bei zeitweise mehr als fünf Prozent. Die Gesamtverschuldung wird im nächsten Jahr bei 81 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet.

Die Geldpolitik in Großbritannien, dessen Regierung gute Beziehungen zu den Ratingagenturen nachgesagt werden, wird von der Bank of England gesteuert. Die Eigenständigkeit der britischen Geldpolitik und damit die relative Unabhängigkeit von Entwicklungen im Euro-Raum war von den Finanzmärkten stets honoriert worden.

Nach mehreren Ländern der Euro-Zone hat nun aber auch das Nicht-Euro-Land Großbritannien einen deutlichen Warnschuss von den Ratingagenturen erhalten. Wegen der schwachen Wachstumsprognose und der hohen Staatsverschuldung sei es möglich, dass Großbritannien seine Bestnote „Triple A“ nicht halten könne, zitierte die „Financial Times“ am Mittwoch aus dem Jahresbericht der Ratingagentur Moody’s zu Großbritannien.

Unternehmer besorgt

Eine Gruppe von 20 hochrangigen Managern aus Großbritannien warnte unterdessen in einem offenen Brief vor den Folgen der Euro-Skepsis auf der Insel. Drei Millionen Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn Großbritannien das Herz Europas verlasse, heißt es in dem Schreiben, dessen Inhalte der „Daily Telegraph“ am Dienstag veröffentlichte. Zu den Unterzeichnern gehören etwa Richard Branson, Chef des Luftfahrt- und Telekomkonzerns Virgin, sowie der Aufsichtsratschef der British Telekom, Mike Rake.

Der Brief erschien zehn Tage nachdem Cameron auf dem EU-Gipfel in Brüssel mit seiner Forderung nach einem Vetorecht für europäische Finanzmarktregulierungen gescheitert war und deshalb die Mitarbeit an neuen EU-Verträgen für mehr Haushaltsdisziplin aufgekündigt hatte. Großbritannien wird bei den Vertragsverhandlungen der übrigen 26 EU-Staaten nur Beobachterstatus haben.

Die britische Regierung müsse sich „wieder an den Entscheidungsfindungsprozessen in Europa beteiligen“, heißt es in dem Brief. „Es ist im Interesse Großbritanniens, dass der Euro überlebt.“ Der europäische Binnenmarkt stehe für die Hälfte des britischen Handels.

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