Von „Sehr gut“ bis „Mangelhaft“
Immer öfter werden Unternehmen so wie in der Schule benotet, und zwar auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen im Internet. Das Ziel der Portale ist klar: Jobsuchende sollen bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz unterstützt werden. Aber auch die Unternehmen können von dem Feedback ihrer Mitarbeiter profitieren.
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„Man muss sich das vorstellen wie eine interne Mitarbeiterbefragung“, sagt Martin Poreda von der Plattform Kununu im Gespräch mit ORF.at. Nach bestimmten Kriterien bewerten die Angestellten oder ehemaligen Mitarbeiter, wie sie das Arbeitsklima, die Aufstiegschancen und das Gehaltsniveau beurteilen.
Die Bewerter geben neben klassischen Kriterien auch an, welche „Benefits“ es in dem Unternehmen gibt. Angefangen damit, ob es in dem Unternehmen eine Kantine gibt, ob man den Hund in die Arbeit mitnehmen darf, so Poreda. Für Fachkräfte, die bei ihrem nächsten Arbeitsplatz die Qual der Wahl haben, kann das ein entscheidendes Kriterium sein.
Work-Life-Balance immer wichtiger
Die Menschen würden mittlerweile nicht mehr nur nach einem Job suchen, sondern nach einem Arbeitgeber, der passt, sagt Sandra Wiesinger von der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kelzen gegenüber ORF.at. Waren vor einigen Jahren noch die internationale Ausrichtung eines Unternehmens, finanzielle Anreize und Karrierechancen gefragt, wird die sogenannte „Work-Life-Balance“, also das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben, immer wichtiger.
Beschimpfungen sind ein „No-go“
In den USA haben Arbeitgeber-Bewertungsplattformen eine längere Tradition. Dort gibt es seit dem Jahr 2004 auf Seiten wie Vault.com, Jobitorial.com und Glassdoor.com die Möglichkeit, den ehemaligen oder aktuellen Arbeitgeber zu bewerten. In Österreich sind drei Jahre später die ersten Portale online gegangen. Seit 2007 stehen mit Kelzen.com, Kununu.com und Arbeitgebercheck.at auch österreichische Firmen auf dem Prüfstand ihrer Mitarbeiter.
Die Bewertungen für die Unternehmen fallen recht unterschiedlich aus: Angefangen von „Gute Arbeit mit gerechter Entlohnung“ bis hin zu „Das würde ich mir gut überlegen!“. 50 Prozent seien positiv, 50 Prozent negativ, so Poreda. Die Mitarbeiter können ihre Bewertung anonym und kostenlos abgeben. Die Kommentare müssen „sauber“ sein, heißt es. Beschimpfungen würden nicht geduldet. Das sei ein absolutes „No-go“.
Ein Puzzleteil bei der Entscheidung
Um die elftausend österreichische Unternehmen sind auf der Arbeitgeber-Plattform Kununu bis jetzt bewertet worden. Insgesamt sind es knapp über 24.000 Bewertungen - durchschnittlich gibt es also auf eine Firma zwei Reaktionen. „Repräsentativ ist das wahrscheinlich nicht“, gibt Poreda zu. Aber die Bewertungen seien nur ein Puzzleteil bei der Entscheidung für oder gegen einen Job.
Im Jänner präsentierte Kununu eine aktuelle Datenauswertung. Demnach ist bei großen Unternehmen der Personalberater ePunkt Internet Recruiting der beliebteste Arbeitgeber Österreichs. Danach folgt die Spedition Tirolia und auf dem dritten Platz Internorm International. Berücksichtigt wurden auch die Bewertungen von Klein- und Mittelbetrieben. Hier sind Omicron Electronics, Posthotel Achenkirch und EUCUSA unter den Bestplatzierten.
Auch bei dem Bewertungsportal Kelzen sieht man die Bewertungen als „Add-on“. „Über die Plattformen könne man sich zusätzliche Information beschaffen“, so Wiesinger. In den Medien oder im Internet werde nicht vermittelt, wie das Betriebsklima ist. Mit Hilfe von auf Hochglanz polierten Imagebroschüren sei es oft schwierig herauszufinden, wie die Mitarbeiter denken.
„Nur Überbringer der Botschaft“
Dass sich schlecht bewertete Firmen bei den Plattformen beschweren, kommt immer wieder einmal vor. „Wenn sich ein Unternehmen bei uns meldet und sagt, dass die Behauptungen nicht stimmen, wird das natürlich überprüft“, so Wiesinger. Sollte sich herausstellen, dass die Bewertung nicht der Wahrheit entspricht, wird diese von der Seite genommen.
„Die einen lieben uns, die anderen hassen uns“, sagt Poreda. Doch die Unternehmen würden vergessen, dass die Portale nur der Überbringer der Botschaft sind. Grundsätzlich sollten die Firmen das Feedback als Chance sehen. Poreda nennt als Beispiel einen Betrieb, bei dem es eine hohe Fluktuation an Mitarbeitern gegeben habe. In negativen Bewertungen sei schließlich herausgekommen, dass sich die Mitarbeiter eine Kantine gewünscht hätten. So hätte das Unternehmen schließlich eine punktgenaue Verbesserung erreichen können.
Durch Offenheit Image verbessern
Immer mehr Firmen nutzen die Bewertungsplattformen selbst und kommentieren die negativen Bewertungen. So liest man etwa in einer offiziellen Stellungnahme eines Paketdienstes: „Aus deinem Kommentar geht hervor, dass in letzter Zeit einiges verbessert werden konnte. Dieser Weg ist sicher nie zu Ende und wir arbeiten an kontinuierlichen Verbesserungen.“
Die Reaktion auf negative Bewertungen sei vergleichbar mit Produktrückholaktionen von Firmen, heißt es auf der Website von Kununu. Dem Kunden würde nicht in Erinnerung bleiben, dass ein Produkt fehlerhaft war, sondern wie in der Situation umgegangen wurde. Wenn Jobsuchende sehen, wie offen Unternehmen gegenüber Arbeitgeber-Bewertungsplattformen sind und wie auf Kritik reagiert wird, würde das der Firma einen Glaubwürdigkeits- und Imageschub verpassen, so Kununu.
Tanja Geleckyj, ORF.at
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