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Lange Liste möglicher Sanktionen

„Bestürzt“ und „enttäuscht“ haben sich die USA Mittwochabend in einer Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Emissionshandel für den zivilen Luftverkehr gezeigt. Der EuGH hatte zuvor entschieden, die künftige Verpflichtung aller in der EU startenden und landenden Airlines zu einer Klimaabgabe verstoße nicht gegen die „Souveränität von Drittstaaten“.

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Für die USA, die neben China, Russland und einigen anderen Ländern schon seit langem gegen die Maßnahme, die bereits ab 1. Jänner 2012 gelten soll, mobilmachen, ist die Sache damit aber noch lange nicht erledigt. Sie wollen die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation (International Civil Aviation Organization, ICAO) damit befassen, wie es aus Washington hieß.

Außerdem drohen die USA. „Wir sind enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Victoria Nuland. Der bessere Ort für Verhandlungen und dafür, „sich mit der Frage Treibhausgase“ im Flugverkehr zu beschäftigen, wäre die ICAO gewesen. Stattdessen habe die EU die Organisation umgangen. Das Verkehrsministerium erklärte, die USA lehnten die EU-Pläne „rechtlich und politisch“ mit Nachdruck ab. Den USA stünden nun „etliche Möglichkeiten“ zur Verfügung.

USA drohen mit „geeigneten Maßnahmen“

Zuletzt hatte US-Außenministerin Hillary Clinton die EU-Spitze noch vor dem Urteil Mitte Dezember scharf kritisiert und festgehalten, die EU sei „in dieser Sache immer mehr isoliert“. Clinton drohte sogar mit Vergeltungsmaßnahmen im Fall eines für Washington negativen Ausgangs. „Wir werden gezwungen sein, angemessene Maßnahmen zu ergreifen.“

China denkt über Auftragsstornos nach

Da dieser Negativfall nicht nur für die USA, sondern auch andere außereuropäische Länder nun eingetreten ist, sehen Experten die Gefahr eines neuen Handelskriegs. Dabei ist die Liste möglicher Sanktionen lang. Sie reicht von Handelsbeschränkungen über zusätzliche Steuern bis hin zu Strafzöllen für EU-Produkte. China hatte bereits angedeutet, Milliardenaufträge beim deutsch-französischen Flugzeugbauer Airbus platzen zu lassen. Russland und Indien drohten damit, EU-Airlines Überflugrechte zu streichen.

Der EuGH hatte in seinem Urteil der EU-Kommission in ihren Plänen, den CO2-Emissionshandel (wie er für die Industrie bereits gilt) auf den Flugverkehr auszudehnen, den Rücken gestärkt und eine Klage von US-Fluglinien abgewiesen. Das bedeutet, dass ab diesem Stichtag alle Airlines, die in der EU starten oder landen, für die Luftverschmutzung bezahlen müssen - bei Überflügen soll das nicht gelten.

Vorerst noch Gratiszertifikate

Die Branche ist besorgt, dass Drittstaaten zurückschlagen: „Das wahre Problem ist ein politisches, kein juristisches“, sagt der Generalsekretär des Europäischen Luftfahrt-Verbandes (AEA), Ulrich Schulte-Strathaus. Gäbe es Ausnahmen für internationale Konkurrenten, bedeutete das Wettbewerbsnachteile. Europa könnte Marktanteile an Asien und Amerika verlieren.

Schon 2008 hatte die EU beschlossen, das Konzept auf Fluglinien auszuweiten. Die Emissionen des Flugverkehrs in Europa haben sich seit 1990 fast verdoppelt. Laut EU-Berechnung erzeugt ein Flugzeug auf einem Flug von Brüssel nach New York rund 800 Kilogramm CO2 pro Passagier. Im nächsten Jahr erhalten Airlines noch 85 Prozent der Zertifikate umsonst, den Rest müssen sie bereits kaufen.

Luftfahrtbranche fürchtet Kostenlawine

Die Luftfahrtbranche zittert aber auch, weil sie selbst in guten Zeiten mit knappen Margen fliegt. Und 2012 deuten die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen wiederum auf eine Krise. Laut einer Studie der Deutschen Bank könnte der Emissionshandel die Airlines im nächsten Jahr bis zu 1,1 Milliarden Euro kosten. Dabei gingen die Berechnungen allerdings von 15 Euro je Zertifikat aus - fast doppelt so viel, wie derzeit an der Börse dafür verlangt wird.

Entscheidend wird das Datum April 2013 sein: Dann wird anhand der 2012 geflogenen Meilen abgerechnet. Wer als Fluggesellschaft mehr als die ihm kostenlos zustehenden Zertifikate verflogen und keine dazugekauft hat, muss zahlen. Es drohen Strafen bis zu 100 Euro pro Tonne CO2, die nicht durch ein Zertifikat gedeckt ist.

Die Kosten dürften die Airlines erst einmal an die Passagiere weitergeben. EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard rechnet für Verbraucher mit Zusatzkosten von bis zu zwölf Euro pro Ticket auf einem Langstreckenflug.

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