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Der Künstler, der nichts ausließ

Gustav Klimt und die Frauen: Diesem Thema waren nicht nur in Wien bereits zahllose Ausstellungen gewidmet. Auch im Jubiläumsjahr 2012 - Klimt wurde am 14. Juli 1862 in Baumgarten bei Wien geboren - gilt das besondere Interesse wieder Klimts freizügigen Frauendarstellungen. Das mag kommerzielles Kalkül der Aussteller sein, wird Klimt aber durchaus gerecht.

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Von den Türmen der Aktzeichnungen in den Ateliers des Malers sind rund 4.000 Arbeiten erhalten geblieben und inzwischen in einem mehrbändigen Korpuswerk publiziert worden. Nur wenige sind signiert, denn Klimt hat diese Blätter bloß in Ausnahmefällen für die Öffentlichkeit bestimmt. Heute sind diese fließenden Anordnungen von Strichen stolzer Museumsbesitz und unter den begehrtesten Objekten auf dem Kunstmarkt.

Kein anderer Künstler - außer vielleicht Auguste Rodin - hat sich so besessen der Darstellung des Weiblichen zugewendet wie Klimt, der heute als Vorkämpfer der ästhetischen Revolutionäre Wiens gilt und erster Präsident der Secession war. Auch wenn er sich besonders der Erotik annahm, haben seine Bilder nie etwas Obszönes an sich. Seine Darstellungen sind stets auch ausgeklügelte Farbkompositionen - mit einem Hang zu Goldtönen. Die Ästhetik triumphiert über das Lustprinzip.

Gustav Klimt und Emilie Flöge im Garten der Villa Oleander, 1910

APA/Leopold Museum, Wien

Gustav Klimt und Emilie Flöge im Garten der Villa Oleander, 1910

Als Ornamentierer verkannt

Der lange Zeit nur von Künstlern geschätzte, als oberflächlicher Ornamentierer der Leinwand verkannte Klimt starb am 6. Februar 1918 knapp 56-jährig an einem Schlaganfall in Wien. Frauen waren Klimts Lebenselixier und sein Lieblingsthema. Er malte sie als „Salome“ (1909), „Minerva“ (1898) und „Danae“ (1907/08) und sah sie in erotischen Szenerien der Hingabe wie im weltberühmten „Kuss“ (1907/08). Der Maler verehrte sie in eleganter, fast byzantinischer Erhabenheit und Unberührbarkeit in den zahllosen Bildnissen großbürgerlicher und adeliger Damen, deren Gesichter und Silhouetten er in mosaikhaft schimmernden Goldgrund einließ.

Eines der bekanntesten Bildnisse ist das der Margarethe Stonborough-Wittgenstein, der Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Für den Geschmack der Jahrhundertwende schien selbst dieses „züchtige“, statuenhafte Bildnis so gewagt, dass es von der Industriellenfamilie abgelehnt wurde. Klimts figurative Phantasien und sein Realismus im körperlichen Detail in Verbindung mit orientalischer Ornamentpracht führten immer wieder zu Ablehnung und Skandalen. Die Bilder für die Medizinische Fakultät erregten die Zeitgenossen ebenso wie der Beethovenfries (1902) der Secession. Dieser musste schließlich abgenommen werden und kehrte erst 1986 wieder in das Gebäude des österreichischen Architekten Joseph Maria Olbrich zurück.

Nur Modelle oder doch mehr?

Nicht von ungefähr stand also immer schon die Frage im Raum, ob er zu seinen Modellen auch Verhältnisse pflegte. Über die Antwort war sich die Wiener Jahrhundertwende-Society sicher - ja, das habe er. Was den Reiz der Klimt-Bilder und den Ruf des Malers als Platzhirsch wohl auch aufheizte - und ins vom Meister selbst gepflegte Bild des libertären Genies passte. „Bei fast jeder der von Klimt Porträtierten kursierte das Gerücht“, sagte vor einiger Zeit Ausstellungskurator Tobias G. Natter.

Erotik war nicht nur ein Thema seines Werks. Er selbst müsse auch sehr erotisch gewirkt haben, sagte Natter, der vor einigen Jahren für eine Ausstellung in der Österreichischen Galerie die Biografien der Klimt-Frauen erforscht hatte. Noch nach Jahren schwärmten die Damen von der animalischen Ausstrahlung des Malers. Und die Männer fantasierten über das, was sich in Klimts Atelier abspielte, wahre Haremsgeschichten zusammen.

Egon Schieles Darstellung von Gustav Klimt im blauen Malerkittel

APA/Leopold Museum, Wien

Egon Schiele, Gustav Klimt im blauen Malerkittel, 1913

Viele Hinweise auf Liebschaften

Dass Klimt die hübschen Frauen unter seinen Modellen auch verführt hat, daran wird nicht gezweifelt. Im Klimt-Sonderheft der Zeitschrift „Parnass“, die anlässlich der Schau in der Österreichischen Galerie erschienen war, führte Sibylle Fritsch an, dass 14 Ex-Modelle nach dem Tod Klimts beim Testamentsvollstrecker die Vaterschaft für ihre Sprösslinge sichern wollten. Drei Vaterschaften hat der Junggeselle Klimt selbst anerkannt. Der Meinung, dass die Beziehung zu den großbürgerlichen Damen nur eine platonische war, wollte sich Natter nach seinen Recherchen nicht mehr anschließen.

Im Katalog zur Ausstellung wurden Zeugen und Indizien zitiert, die sowohl auf amouröse Beziehungen zu Serena Lederer und zu Adele Bloch-Bauer schließen lassen als auch darauf, dass die Lebensfreundschaft mit Emilie Flöge einen innigen Auftakt hatte. Über die von Klimt porträtierte Rose von Rosthorn-Friedmann empört sich Alma Mahler in ihren Tagebüchern, dass der Maler mit „dieser alten Scharteken“ ein Verhältnis angefangen habe. Die „Scharteke“ war eine Pionierin des Alpinismus, der als erste Frau zahlreiche Erstbesteigungen gelungen sind.

Mehr als nur Frauenbildnisse

Freilich lässt sich Klimt nicht auf die Erotik der Frauendarstellungen reduzieren. Dem stehen die im Salzkammergut entstandenen „impressionistischen“ Landschaften gegenüber, in denen der Drang zur Abstraktion zu einer Befreiung der Farbe und des Lichtes führt. In den Attersee-Bildern erreicht Klimt eine beinahe ungegenständliche Textur von koloristischen Reizen. Klimt hat Hans Makarts Erbe mit dem rätselhaften, hintergründigen Symbolismus eines Jan Toorop und Fernand Khnopff zu einem unverwechselbaren Stil verbunden.

Wiens Vaterfigur der Moderne verbrachte die letzten Lebensjahre im St. Veiter Gartenhaus, umgeben von wilder Natur, von seinen Katzen und japanischen Kunstgegenständen - ein bärtiger Titan im weiten Malerkittel, wie es überlieferte Fotografien zeigen. Viele Bilder Klimts sind verschollen und im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Sein dekoratives Hauptwerk, die Innenausstattung von Josef Hoffmanns Brüsseler Palais Stoclet, hat unverändert die Jahrzehnte überstanden. Nur Staatsbesuchen ist es ausnahmsweise vergönnt, einen Blick auf Klimts irdisches Paradies in Privatbesitz zu werfen.

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