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Weihnachten und Lichtgestalt

Eigentlich sagt die Bibel nichts über die Thematik des Lichts in der Heiligen Nacht. Oder anders betrachtet: dass es wirklich Nacht war, als Jesus geboren wurde. Und doch lebt in der Vorstellung vieler Menschen die Geburt Jesus von Nazareth von der Gegenüberstellung von dunkelster Nacht und der Geburt eines vor Licht strahlenden Kindes.

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Dass es Nacht ist, als Jesus von Nazareth geboren wird, ist nur an einer einzigen Stelle im Neuen Testament überliefert. Lukas (Lk 2,8) erwähnt die Nacht in Zusammenhang mit den Hirten, die auf dem freien Feld Wache halten und Kunde von der Geburt Christi bekommen.

Die Hl. Familie  mit zwei Engeln. Um 1750-1758. Michelangelo Unterberger. Graz, Joanneum

Joanneum Graz

Michelangelo Unterberger und Jesus als Licht der Welt

Doch blickt man auf den Prolog des Johannes, dann ist der Boden bereitet für eine breit angelegte Lichtmetaphorik: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, (...) in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis." (Joh 1,1-10).

Das Wort Gottes, das für Christen mit Jesus Gestalt annimmt, ist nach Johannes „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“. Er war, wie es Johannes bemerkt, „in der Welt - und die Welt hat ihn nicht erkannt“.

Folgenreiche Festlegungen

Bekanntlich trifft man erst auf den Konzilen des 4. Jahrhunderts die endgültigen Entscheidungen zur göttlichen Natur von Jesus Christus, gegen den Arianismus, der nur Gott Vater die göttliche Natur zubilligen wollte. Die Entscheidungen betreffen damit nicht nur Jesus, sondern etwa auch den Status von Maria als „Theotokos“ (Gottesgebärerin). Die Entscheidungen lassen auch Verknüpfungen auf der Ebene der Verkündigung zu: Wenn das Wort Gottes das wahre Licht ist und die Trinität gilt, so geht das Licht auch von Jesus aus.

La Notte von Coreggio Hirten beten das Jesuskind an

Dresdner Gemäldegalerie

Jesus strahlte nach der Vision der Heiligen Brigitta ein „unsagbares Licht“ aus. Antonio da Correggio hielt diese Vorstellung in seinem Werk „La Notte“ folgenreich fest.

Überstrahlende Lichtquelle

Jesus als alles überstrahlende Lichtquelle taucht in der Kunst ab dem 15. Jahrhundert immer wieder auf. Entscheidend für diese Auffassung sind auch die durch die Franziskaner weit verbreiteten Vorstellungen der Heiligen Brigitta von Schweden. Laut Brigittas Vision gebar Maria Jesus auf Knien, und während sie selbst kniete und ihr Kind anbetete, sandte das Kind ein Licht aus, das den Sonnenaufgang überstrahlte und heller war als alle anderen Lichter.

Madonna mit Kind, Steirischer Meister um 1400

Dommuseum Wien

Das leuchtende Jesuskind in der Vorstellung des Mittelalters. Ein Beispiel aus dem Wiener Dommuseum.

Für die Institutionalisierung des Weihnachtsfestes um die Wintersonnenwende unter den seit Konstantin christianisierten Römern spielt die Lichtmetaphorik von einer anderen Seite herein. Das Fest zur Geburt Jesu ersetzt frühere heidnische Sonnenkulte, etwa auch den unter Kaiser Aurelian im dritten Jahrhundert verfügten Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes, „Sol Invictus“, der knapp nach der Wintersonnenwende angesetzt war. Das erste christliche Weihnachtsfest könnte am 25. Dezember 336 in Rom stattgefunden haben.

„Lieblich, wie die Strahlen der Sonne“

In einem lateinischen Kindheitsevangelium, wie es etwa in der frühchristlichen Arundel-Handschrift überliefert ist, bemüht man sich um eine realistischere Annäherung an die Lichtgestalt des neugeborenen Christus. Von einem „Bericht einer Hebamme über die Geburt“ ist da die Rede: „Als aber das Licht hervorgekommen war, betete Maria den an, den sie geboren hatte. Vom Kinde aber gingen Strahlen aus wie die Strahlen der Sonne. Und rein war das Kind und lieblich anzuschauen.“

Bis ins Barock, ja blickt man auf österreichische Beispiele, etwa die Madonna von Albin Egger-Lienz, auch noch bis ins 20. Jahrhundert, hält sich die Lichtmetaphorik in der Darstellung des Jesus-Kindes. Correggios Präsentation des neugeborenen Christus als einziger Quelle des Lichts, wie auf dem Bild „La Notte“ in der Dresdner Gemäldegalerie zu sehen, das die Anbetung der Hirten zeigt, war dabei mehr als wegweisend.

Die Anbetung der Hirten Kaltnadelradierung von Rembrandt 1652

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Die Geburt Jesu und das Licht in der Heiligen Nacht, hier die Interpretation in einer Radierung von Rembrandt

Blickt man etwa auf die Darstellung der „Geburt Christi“ von Martin Johann Schmidt aus dem Jahr 1796, wie sie auf einem Wechselbild der Pfarrkirche von Mauthausen zu sehen ist, dann ist zu erahnen, warum das leuchtende Jesus-Kind eines der Lieblingsmotive in der Hell-Dunkel-Auffassung der Malerei des 18. Jahrhunderts ist.

Martin Johann Schmidt Geburt Christi Wechselbild der Pfarre Mauthausen, 1796

Pfarre Mauthausen

Martin Johann Schmidt und das Spiel mit der Lichtführung Ende des 18. Jahrhunderts

Brauchtum und Lichtsymbolik

Im Brauchtum hat die Lichtsymbolik ebenfalls eine lange verankerte Rolle. In vielen Regionen Österreichs gilt Mariä Lichtmess (eigentlich: das Fest der „Darstellung des Herren“) als Ende der Weihnachtszeit (wobei diese liturgisch eigentlich bereits mit dem Fest der Taufe des Herrn, eine Woche nach dem 6. Jänner, endet).

Das Lichtmessfest, das man im vierten Jahrhundert erstmals in Jerusalem feiert, geht auf eine biblische Tradition zurück. Im Alten Testament galt eine Frau vierzig Tage nach der Geburt eines Sohnes als unrein und musste sich im Tempel einem Reinigungsritual mit Opfergaben unterziehen. Außerdem war der erstgeborene Sohn in der religiösen Vorstellung Eigentum Gottes und musste mit einem Opfer ausgelöst werden.

Licht, das den Heiden leuchtet

Nach Lukas (Lk 2,22-23) haben auch Maria und Josef ihren erstgeborenen Sohn Jesus in den Tempel gebracht, wo er von Simeon und Hanna als Erlöser erkannt wurde: „Licht, das den Heiden leuchtete“, rief Simeon.

Ab dem 5. Jahrhundert soll bei der Feier dieses Festes Licht eine entscheidende Rolle gespielt haben. Mönche, die im Kloster der Hikelia vor den Toren Jerusalems lebten, zogen mit Lichtern in der Hand nach Jerusalem, ihrem Herrn entgegen. In den Kirchen weiht man bis heute im Andenken an dieses Fest Kerzen - auch weil man sich von den gesegneten Kerzen das Abwenden von Unheil erwartet.

Zum Lichtmesstag spielt in der populären Vorstellung aber auch das Licht der Natur eine Rolle. Je nach Licht- und Wetterlage gilt der Lichtmesstag in den Bauernregeln als Indikator dafür, ob der Frühling nah oder doch noch in weiter Ferne ist.

Von der Aufklärung ins digitale Zeitalter

Mit der Lichtvorstellung der Aufklärung mag sich die im Brauchtum gerade rund um Weihnachten blühende Lichtvorstellung und Bedeutung mystisch-dunkler Nächte abgeschwächt haben. Doch blickt man in die digitale Kultur der Gegenwart, dann schimmern auch auf leuchtenden Displays und Tablet-PCs alte Traditionen durch.

Schrift und Licht fallen wieder zusammen auf den Interfaces der Gegenwart. Das Wort, es wird Licht und Fleisch. Schon Hugo von Sankt Viktor spricht im 12. Jahrhundert vom leuchtenden Text. Und der zum Katholizismus konvertierte kanadische Medientheoretiker Herbert Marshall McLuhan, ein glühender Anhänger der Trinität, sieht im leuchtenden Text der oralen Manuskriptkultur ein herausragendes taktiles Ereignis: „Ein Mensch aus dem Mittelalter würde annehmen, dass die Wirklichkeit auf uns schaut und dass wir durch Kontemplation im göttlichen Licht eher badeten, anstatt darauf zu schauen.“

Miniatur die den heiligen Hugo von Sankt Viktor mit aufgeschlagenem Buch von einer Gruppe von Mönchen zeigt

Commons

Hugo von Sankt Viktor mit dem Vorläufer eines Tablet-PCs. Für ihn leuchtete der Text auch ohne Batterie.

Der leuchtende Text

In „Gutenberg Galaxy“ bemerkt McLuhan: Man habe nicht auf Texte geschaut, sondern der Geist durch den Text auf uns. Gesegnet seien die Augen, die den Heiligen Geist „durch den Schleier der Buchstaben sehen“, zitiert McLuhan Beryl Smalleys große Studie über die Bibelinterpretationen des Mittelalters.

„Das Volk, das im Finstern wandelt, schaut ein großes Licht“, heißt es im Alten Testament bei Isaias. In der Gegenwart liegen die kleinen Wegweiser in der Hand. Doch auch auf den Displays der Handys kommt keine Lichtgestalt ohne den dunklen Hintergrund aus. Bevor das Betriebssystem arbeitet, ist es auch auf den Smartphones dunkel wie in der schwärzesten, mystischen Nacht.

Gerald Heidegger, ORF.at

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