„Unendlich wertvoll“ für Iran
Um eine US-Drohne in iranischem Besitz tobt ein diplomatischer Konflikt. Die USA fordern, der Iran müsse sie zurückgeben. Teheran weigert sich und kündigte an, die geheime Drohnentechnik auszubeuten. Unklar ist, ob der Iran technisch fähig ist, den „Spion“ auszuspionieren. Erkenntnisse könnte er viele gewinnen, meint der Militärexperte Gerald Karner.
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Die Kurzbezeichnung „RQ 170 Sentinel“ stand bisher für eine der erfolgreichsten Missionen der US-Armee der vergangenen Jahre: eine Drohne dieses Typs überflog und erkundete das Anwesen in Pakistan, in dem vergangenen Mai Terrorführer Osama bin Laden erschossen wurde. Die Erstürmung des Anwesens durch US-Elitesoldaten wurde von der Regierung in Washington live über Monitor verfolgt. Die jüngsten Bilder von „RQ 170 Sentinel“ lösten weniger Freude aus.
Iran: Keine Rückgabe
Ein Armeevideo zeigt eine US-Drohne vom Typ „RQ 170 Sentinel“, die die iranischen Truppen seit Anfang Dezember in ihrem Besitz haben. Am Sonntag lehnten die Revolutionsgarden die Forderung von US-Präsident Barack Obama ab, die Drohne zurückzugeben. Stattdessen kündigte ein Sprecher der Garden an, die Drohne zu analysieren. „Wir wollen sehen, wieweit sie unser technisches Know-how voranbringen kann.“

APA/EPA/Iranische Revolutionsgarden
Die Drohne im iranischen Fernsehen, offenbar weitgehend unbeschädigt
Seither wird gerätselt, inwieweit der Iran das Fluggerät ausspionieren kann. Die US-Armee versuchte kurz nach dem Debakel zu beruhigen: Dem Iran fehle die Technologie. Westliche Experte meinen dagegen, die jüngste Drohung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad könnte wahr werden. Dieser hatte angekündigt, die USA würden sehr bald erfahren, wozu der Iran imstande sei.
„Alptraum für USA“
Karner vom Strategieberater KCS Group Europe sagt gegenüber ORF.at, sollte die Drohne echt sein, sei sie „unendlich wertvoll“ für den Iran. Iranische Experten könnten die Elektronik des Fluggeräts studieren, die Bauart und vor allem den Werkstoff - die gummiartige „Stealth“-Außenhülle, welche die Drohne auf dem Radarschirm verschwinden lässt. Karner betont, die „RQ 170“ sei ein US-Modell auf dem technisch letzten Stand. „Diese Maschine in der Hand des Iran ist ein Alptraum für die USA.“
Die Flugmaschine überträgt Bilder von Kameras und Infrarotsensoren in die Kontrollstation im US-Bundesstaat Nevada, wo Piloten die Maschine steuern. Die Drohne kann ferngesteuerte Raketen abschießen, auch wenn das Modell im iranischen Besitz offenbar unbewaffnet war. Laut unbestätigten US-Zeitungsberichten sollte die Drohne Atomanlagen im Iran ausspionieren.
Iran kann viel lernen
Auch andere westliche Experten zeigen sich überzeugt, der Iran könne aus der Drohne viel über die Technologie erfahren. In einem BBC-Interview meint der Rüstungsexperte Nick Brown, der Iran könne vor allem einiges über Überwachungssensoren und Spionagekameras lernen, die die USA einsetzten. Schwieriger werde es aber, wenn der Iran eine solche Drohne nachbauen wolle. Es brauche komplizierte Algorithmen, um das Fluggerät zu steuern. Brown sagt, sollte der Iran die Algorithmen nicht aus den Festplatten an Bord ziehen können, könne er nur ein Objekt nachbauen, das die gleiche Form wie die Drohne habe.
Wie gefährlich ein Technologieverlust sein kann, zeigen zwei Beispiele: 1999 schoss Serbien im Balkan-Krieg einen F-117-Bomber der USA ab. Heuer stellte China seinen Tarnkappenbomber Chengdu J-20 vor, der möglicherweise auf Technik beruht, die aus Trümmern des US-Jets beschafft wurde. Nach der Erstürmung des Anwesens von Bin Laden zerstörten die US-Elitesoldaten einen ihrer Hubschrauber, der wegen einer „mechanischen Panne“ ausgefallen war. Die Technik sollte nicht in fremde Hände fallen.
Cyberattacke unwahrscheinlich
Für unwahrscheinlich hält Karner die Behauptung des Iran, er habe die Drohne durch eine Cyberattacke umgeleitet und zur Landung gezwungen. Wahrscheinlicher sei, das unbemannte Flugzeug sei von selbst, gleichsam verwirrt, gelandet - zufällig auf iranischem Gebiet. Karner erklärt, solche Drohnen seien programmiert umzukehren, sollten sie ihr Ziel verfehlen. „Die Landschaft im Grenzgebiet zwischen dem Iran und Afghanistan ist für die Sensoren an Bord sehr schwer zu entschlüsseln. Vielleicht haben die einen Fehler gemacht.“
Aller möglicher Erkenntnisgewinn durch den Iran setzt aber eines voraus: dass die Drohne im iranischen Video echt ist. Karner bezeichnet das als „wahrscheinlich“, auch wenn ihn das Video nicht ganz überzeuge. „Größe, Konfiguration und Design dürften aber dem US-Typ entsprechen.“ Ausgeschlossen sei jedenfalls, dass der Iran die Drohne abgeschossen habe wie anfangs behauptet. „Die Drohne wäre zerfetzt worden.“
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