Zwölf Jahre lang Präsident
Er hat den Irak-Krieg abgelehnt und keine Angst vor einem Iran mit Atomwaffen; er hat den Euro mit durchgesetzt, aber auch die EU-Verfassung gegen die Wand gefahren. Als Präsident hat Jacques Chirac mit viel Machtgespür und einigen Überzeugungen zwölf Jahre lang versucht, Frankreichs Größe auf einer zunehmend globalisierten Weltbühne zu verkörpern.
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In der oft karikierten Persönlichkeit des 79-Jährigen spiegeln sich viele der Widersprüche wider, mit denen sein Land konfrontiert ist. Wofür steht Chirac? Die Widersprüche in seiner Persönlichkeit faszinieren die Franzosen noch heute. Der scharfe Kritiker des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush liebt Westernfilme, aber auch kalligrafierte chinesische Poesie und Kunsthandwerk aus Ozeanien.
Im 2007 erschienenen Interviewbuch „L’inconnu de l’Elysee“ (Der Unbekannte aus dem Elysee) stellt er sich als Mann dar, der vor allem den Einsatz für Toleranz als sein Vermächtnis sieht. „Liberalismus ist genauso gefährlich wie Kommunismus“, fasste Chirac sein Credo zusammen.
„Sehr physische Beziehung zu Frankreich“
„Meine Beziehung zu Frankreich ist sehr physisch“, sagte Chirac. Innenpolitisch hielt er die Fahne des „sozialen Gaullismus“ hoch und versuchte, unpopuläre Einschnitte im Wohlfahrtsstaat auf die lange Bank zu schieben. Außenpolitisch gefiel sich Chirac als Apostel von Ökologie, Nachhaltigkeit und Entwicklungshilfe in Afrika.
Mit derselben Verve boxte er allerdings EU-Subventionen für Frankreichs Bauern durch, die das Elend in der „Dritten Welt“ festschrieben. Beim Irak-Krieg wurde er mit seinem Männerfreund, dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder, im Schlepptau zum Herold eines unabhängigen Europa und zum Anwalt des multilateralen System der Vereinten Nationen gegen die einzig verbliebene Supermacht USA.
Verantwortung für dunkle Geschichtskapitel
Dort ließ Chirac tatsächlich Überzeugungen durchblitzen, ebenso in seinen mutigen Reden zu den dunklen Seiten der französischen Geschichte - etwa zur historischen Mitschuld am Holocaust und Sklavenhandel. Mit diesen Auftritten setzte sich Chirac vom Image des bodenständigen „Frere Jacques“ ab, das der Pariser Bankierssohn als Abgeordneter eines ländlichen Wahlbezirks im Herzen Frankreichs aufgebaut hatte, der stundenlang Hände schütteln, essen und trinken und Nutztiere betätscheln kann.
Mit 30 Jahren wurde Chirac 1962 als Berater von Premierminister Georges Pompidou in den inneren Zirkel der Pariser Macht eingeführt. Seitdem manövrierte er Dutzende politische Widersacher im eigenen oder im linken Lager aus und ebnete sich über Posten als Premierminister und Hauptstadt-Bürgermeister den Weg in den Elysee-Palast.
Zweifelhafter Ruf: „Monsieur zehn Minuten“
Im Privaten ist Chirac für seine Liebesabenteuer berüchtigt, die ihm den zweifelhaften Spitznamen „Monsieur zehn Minuten, Dusche inklusive“ einbrachten. Ja, er habe schon einige Frauen „gemocht, aber so diskret wie möglich“, sagte er dem Journalisten Philippe Pean. Eine „entscheidende Rolle“ in seinem Leben hätten Liebschaften aber nicht gespielt, und „niemals“ habe er an eine Trennung von seiner Frau Bernadette gedacht. Mit ihr hat er zwei Töchter.
Reinolf Reis, AFP