Zweifel an Kampfansage
Knapp drei Monate vor der Präsidentenwahl in Russland hat der Multimilliardär Michail Prochorow (46) Mitte Dezember überraschend seine Kandidatur angekündigt. Er tritt damit gegen den Ex-Präsidenten und derzeitigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin an. Doch mittlerweile mehren sich die Zweifel, ob Prochorow tatsächlich ein echter Gegner Putins ist.
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Mehrere Zeitungen äußern den Verdacht, hinter der Kandidatur stecke in Wahrheit der Kreml selbst. Damit wolle man erreichen, Protestwähler gegen Putin abzufangen, deren Stimmen andernfalls etwa Kommunistenchef Gennadi Sjuganow zukommen könnten. Prochorows Ankündigung kam zu einem Zeitpunkt, zu dem Russland von Massenprotesten der Opposition gegen das umstrittene Ergebnis der Parlamentswahl vom 4. Dezember erschüttert wird.
Beste Kontakte zum Kreml
Prochorows Kandidatur komme für Putin nicht unerwartet, zitierte die Zeitung „Wedomosti“ eine Quelle im Kreml. Der Geschäftsmann habe den Kontakt zu Putin und dessen Führungszirkel gehalten. Prochorows Kandidatur sei eine „taktische Entscheidung“, die darauf abziele, nach den Protesten der vergangenen Woche Spannungen in der Gesellschaft abzubauen. Experten zufolge versuchten die Behörden, die Proteststimmung im Land zu schwächen bzw. die Proteste zu kanalisieren.
Die Onlinezeitung Gaseta.ru wies darauf hin, dass Prochorows Ankündigung nur wenige Wochen nach einem öffentlichen Bruch mit dem Kreml kam. Experten seien überzeugt, dass Prochorow wegen der Proteste entweder vom Kreml vorgeschoben wurde oder dass seine Kandidatur nicht registriert werde. Die Zeitung „Kommersant“ schrieb, dass einige froh seien, dass es einen Kandidaten für Protestwähler gebe, andere aber sicher seien, dass es sich um einen Kreml-Plan handle.

Dmitry Lovetsky
Putin gilt als Favorit bei der Wahl. Alles andere als ein klarer Sieg wäre ein politisches Erdbeben.
Nur eine Finte Putins?
Prochorow schaffte es mit der Schlagzeile „Der Milliardär geht in die Politik“ sogar auf die erste Seite der Kreml-freundlichen „Komsomolskaja Prawda“ - eine seltene Ehre für einen Herausforderer Putins. Der Politologe Mark Urnow billigt Prochorow bei der Wahl des Kreml-Chefs bestenfalls sieben Prozent zu. Zunächst muss Prochorow allerdings zwei Millionen Unterschriften von Wahlberechtigten für die Registrierung sammeln.
Mit Partei gescheitert
Prochorow hatte nach der Wahl Anfang Dezember in einem Internetblog angesichts der Proteste gegen die umstrittene Duma-Wahl geschrieben, dass Putin im Moment der einzige Politiker sei, der den „ineffektiven Staatsapparat“ lenken könne. Auch in der Vergangenheit fiel Prochorow nicht unbedingt als schärfster Gegner Putins auf. Prochorow hatte im Frühjahr die Mittelstandspartei Gerechte Sache gegründet, die als Kreml-treu galt. Im September wurde er allerdings als Vorsitzender gestürzt und hatte den Kreml scharf kritisiert. Er warf der Präsidialverwaltung Einmischung in das politische Leben und in die Kontrolle von Parteien vor. Bei der Duma-Wahl hatte die Partei keine Chance.
„Das ist wahrscheinlich die ernsteste Entscheidung meines Lebens“, sagte der Oligarch bei der Ankündigung der Kandidatur. Er hält nach eigenen Angaben eine Zusammenarbeit mit dem unlängst entlassenen Finanzminister Alexej Kudrin für möglich. In der Zeitung „Wedomosti“ äußerte sich auch Kudrin über neue Pläne.
Einer der reichsten Russen
Prochorow ist Chef des Investmentfonds Onexim und befasste sich bisher mit Aluminium- und anderen Metallgeschäften, Energie und Finanzen sowie mit Medien und Nanotechnologie. Sein Vermögen wird auf 18 Milliarden Dollar (12,7 Mrd. Euro) geschätzt. Nach Angaben des Finanzmagazins „Forbes“ belegt er damit Platz drei auf der Liste der reichsten Russen.
Prochorow sprach sich erneut für die Freilassung des Kreml-Kritikers und Ex-Ölmagnaten Michail Chodorkowski aus. Chodorkowski hatte sich offen gegen Putin gestellt und war 2003 als Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos verhaftet worden. Die Prozesse gegen den Putin-Kritiker unter anderem wegen Geldwäsche gelten als politisch gesteuert.
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