OECD will mit Mythen aufräumen
Psychologische Erkrankungen spielen in der Arbeitswelt eine immer größere Rolle. Diesem Fakt wird bisher allerdings nach wie vor zu wenig Rechnung getragen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer am Montag vorgestellten Studie feststellt.
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Alarmierend erscheint jedenfalls bereits ein Blick auf die Kernzahlen des OECD-Berichts: Jeder Fünfte im arbeitsfähigen Alter zählt in den zehn untersuchten Ländern - darunter auch Österreich - zu den Betroffenen. Rund drei Viertel und somit der Großteil davon geben zudem an, dass dieser Zustand ihre Produktivität und das Arbeitsklima beeinträchtigt.
Erhöhte Gefahr von Arbeitslosigkeit
Klargestellt wird von der OECD, dass psychische Erkrankungen bereits seit Jahrzehnten weitverbreitet sind und man nicht von einer Zunahme von Krankheitsfällen sprechen könne. Mit Blick auf verbesserte Diagnoseverfahren und des veränderten gesellschaftlichen Umgangs mit den einst tabuisierten psychischen Erkrankungen werden allerdings immer mehr Fälle bekannt.
60 Prozent Beschäftigungsquote
Österreich liegt bei der Beschäftigungsquote von psychisch Kranken mit unter 60 Prozent an letzter Stelle der untersuchten Staaten. Spitzenreiter mit deutlich über 70 Prozent ist die Schweiz. In der Statistik der beschäftigungslosen psychisch Kranken belegt Österreich den zweiten Platz hinter Belgien, das allerdings generell eine wesentlich höhere Arbeitslosenquote hat.
Verdeutlicht werde das nach Ansicht der Autoren der Studie „Sick on the Job? Myths and Realities about Mental Health and Work“ durch die zunehmenden Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Personen mit psychischen Problemen hätten demnach ein doppelt so hohes Risiko, keinen Job zu finden und arbeitslos zu werden, als Menschen ohne Erkrankung. In Zahlen ausgedrückt wird derzeit von einer um zehn bis 15 Prozent niedrigeren Beschäftigungsquote ausgegangen. Zudem seien mittlerweile zwischen einem Drittel und der Hälfte aller neuen Invaliditätsansprüche auf psychische Erkrankungen zurückzuführen - Tendenz steigend. Mit mehr als 44 Prozent liegen psychische Erkrankungen auch in Österreich weit vor allen anderen Krankheiten, die die Arbeitsfähigkeit beenden.
Zu bedenken gebe aber auch, dass es bei der Erforschung der Auswirkungen von psychischen Erkrankungen auf das Arbeitsleben noch zahlreiche offenen Fragen gibt. Wichtige Punkte könnten schlicht und einfach noch gar nicht bekannt bzw. bisher falsch interpretiert worden sein.
Kritik an Vorgangsweise
Erhöhter Handlungsbedarf stehe laut OECD allerdings bereits jetzt außer Frage. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass die Gesundheitssysteme der meisten Länder derzeit primär auf die Behandlung schwerer Fälle wie etwa Schizophrenie ausgelegt seien. „Auf diese Weise bleiben rund 70 Prozent aller Menschen mit moderaten psychischen Problemen ohne Behandlung“, wie die OECD per Aussendung mitteilte. Gefordert wird aus diesem Grund ein stärkerer Fokus der Medizin auf „verhältnismäßig schwächer ausgeprägte Krankheiten“, womit die Arbeitschancen der Betroffenen deutlich erhöht werden könnten.
Erforderlich sei aber auch eine bessere Integration in die Arbeitswelt, etwa durch „Arbeitsbedingungen, die dazu beitragen, Stress zu vermeiden“. Auch ein verbessertes Konfliktmanagement könne dazu beitragen, Entlassungen wegen psychischer Probleme zu verhindern, deren Ursprung laut OECD meist bereits in jungen Jahren (Durchschnittsalter 14 Jahre, Anm.) zu finden sei.
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