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Defizitverfahren einfacher einzuleiten

Die EU-Staats- und -Regierungschefs haben sich in der Nacht auf Freitag auf eine weitere Verschärfung der Haushaltskontrolle in der Euro-Zone geeinigt. Zudem werden die Instrumente zum Schutz überschuldeter Mitgliedsländer verbessert, auch wenn der dauerhafte Euro-Rettungsmechanismus ESM vorerst nicht aufgestockt wird.

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Die Euro-Staaten sollen grundsätzlich den Staatshaushalt ausgleichen. Bei außergewöhnlichen Umständen oder schlechter Konjunktur sind Defizite im Rahmen der Dreiprozentgrenze aber weiterhin zulässig. Der Haushaltsausgleich wäre erreicht bei einem strukturellen - also um Konjunktureffekte bereinigten - Defizit von nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Bei Überschreiten dieser Grenze müsste ein „automatischer Korrekturmechanismus“ in Gang gesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll über die Umsetzung in nationales Recht wachen. Der betreffende Staat soll ein wirtschaftliches Partnerschaftsprogramm mit der EU-Kommission abschließen müssen, in dem seine Reformverpflichtungen festgelegt werden.

Schärfere Sanktionen

Künftig soll auch die Einleitung eines Sanktionsverfahrens bei Überschreiten der Dreiprozentgrenze nur mit einer qualifizierten Mehrheit der EU-Finanzminister zu stoppen sein. Das ist laut dem EU-Vertrag bisher nicht möglich. Länder, gegen die ein Sanktionsverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung läuft, sollen ein verbindliches Programm zu Reformen und Defizitabbau bei der Kommission und beim Rat abliefern.

Stärkere Kontrolle und Zusammenarbeit

Die Vorschläge der EU-Kommission von Ende November, die eine stärkere Beteiligung der Behörde an der Erstellung der nationalen Haushalte vorsieht, sollen rasch verabschiedet werden. Die Kommission kann einen veränderten Haushaltsentwurf verlangen, wenn das Budget dem Stabilitätspakt zuwiderläuft.

Der vom EU-Ratspräsidenten vorgelegte Entwurf der Erklärung sah zunächst auch vor, sich einen Fahrplan zur Einführung von Euro-Bonds vorzunehmen. Diese Passage wurde aber auf Druck Deutschlands gestrichen. Die Euro-Länder wollen von der Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik mehr Gebrauch machen. Das ermöglicht Regeln im Kreis der Euro-Länder, doch soll der Binnenmarkt der 27 EU-Staaten nicht untergraben werden.

Eigener Vertrag vor März

Weil die nötige Einstimmigkeit für eine EU-Vertragsänderung nicht erreicht werden konnte, wollen die 17 Euro-Staaten noch vor März einen eigenen Vertrag beschließen. Ausdrücklich wird in der Erklärung betont, dass immer noch angestrebt werde, die Regelungen im EU-Vertrag zu verankern. Die Regierungen von Bulgarien, Dänemark, Litauen, Lettland, Polen und Rumänien erklärten bereits jetzt ihren Willen, dem Abkommen beizutreten. Tschechien und Schweden müssen zunächst ihre Parlamente befragen. Ungarn will die Lage noch prüfen. Nur Großbritannien hat bereits seine Ablehnung erklärt, dem Vertrag beizutreten.

Rettungsschirm soll effektiver werden

Der permanente Rettungsmechanismus ESM und der vorläufige Rettungsfonds EFSF sollen ab Mitte 2012 ein Jahr lang parallel existieren. Das Inkrafttreten des ESM wird damit um ein Jahr vorgezogen. Das Kreditvolumen des ESM soll wie bisher vorgesehen 500 Mrd. Euro betragen, wobei die Summe die bereits vergebenen Hilfskredite einschließt. Im März 2012 soll aber überprüft werden, ob ein höheres Volumen für den ESM notwendig ist.

Ein Forderungsverzicht privater Gläubiger würde künftig so wie beim IWF gehandhabt. Das heißt, es wäre vom Einzelfall abhängig, ob es zu einem Schuldenschnitt kommt, und nicht von vorgegebenen Regeln, wie es Deutschland ursprünglich gefordert hatte. Künftige Euro-Staatsanleihen werden aber die standardisierten „Collective Action Clauses“ (CAC) erhalten, mit denen im Umschuldungsfall schneller Absprachen zwischen den Gläubigern getroffen werden können.

Einbindung des IWF

Um den Einsatz des ESM effektiver zu machen, wird die nötige Einstimmigkeit durch eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent ersetzt. Die großen Euro-Länder Deutschland, Frankreich und Italien behalten damit aber faktisch ihr Vetorecht, weil sie mehr als 15 Prozent der ESM-Anteile halten. Die EU-Staaten wollen überlegen und innerhalb von zehn Tagen bestätigen, ob sie dem IWF über ihre nationalen Notenbanken zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 200 Mrd. Euro zur Verfügung stellen. Von nicht europäischen Staaten erhoffe man sich ebenfalls einen Beitrag.

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