„Geschwindigkeit ist nötig“
In der EU wird sich Großbritannien nicht dem strikteren Regime bei der Kontrolle der Staatsfinanzen anschließen. Die 17 Euro-Länder und sechs weitere EU-Staaten wollen einen separaten Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin schließen, um so der Euro-Krise entgegenzuwirken. Das teilte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy Freitagfrüh auf dem Gipfel in Brüssel mit.
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Die 17 Staats- und -Regierungschefs der Euro-Gruppe änderten allerdings ihre in der Nacht auf Freitag verbreitete Schlusserklärung Freitagmittag. Demnach erklären Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien nicht mehr ihre Absicht, dem neuen zwischenstaatlichen Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin beizutreten. Stattdessen heißt es dort jetzt, diese Regierungen erklärten ebenso wie Ungarn, Tschechien und Schweden, sie könnten sich dem Vertrag nach Beratungen der nationalen Parlamente anschließen.
Vertrag kann später angepasst werden
Zuvor war der Versuch gescheitert, eine Einigung aller 27 EU-Staaten über die Änderung der EU-Verträge zu erreichen. Da eine Vertragsänderung mangels Einstimmigkeit nicht möglich gewesen sei, werde ein zwischenstaatlicher Vertrag abgeschlossen, sagte Van Rompuy Freitagfrüh in Brüssel. Das könne schneller in die Tat umgesetzt werden als eine vollständige Vertragsänderung. „Geschwindigkeit ist nötig, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen“, sagte Van Rompuy. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Vertrag später angepasst werde.
Mit den neuen Regeln verpflichten sich die beteiligten Staaten zur verbindlichen Einführung einer Schuldengrenze. Demnach soll ab einer Neuverschuldung von mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein Defizitverfahren eingeleitet werden. Das Verfahren soll künftig nur noch mit einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedsstaaten gestoppt werden können. Bisher galt die umgekehrte Mehrheitsregel nur beim Verhängen von Sanktionen.
Merkel und Draghi erfreut
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso sagte, natürlich wäre es besser gewesen, Einstimmigkeit zu erreichen. Das sei nicht der Fall gewesen, und „die einzig denkbare Alternative lag darin, eine Art von zwischenstaatlichem Vertrag zu machen“. Das bedeute aber keineswegs, dass die EU-Institutionen dabei keine Rolle spielten. Barroso betonte, es werde jedenfalls eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung geben. Die Kernfrage sei die Wiederherstellung des Vertrauens. Über Euro-Bonds habe man keine Einigung erzielt.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und EZB-Präsident Mario Draghi begrüßten die Beschlüsse des EU-Gipfels als sehr wichtige Schritte zur Stabilisierung der Euro-Zone. „Wir werden eine neue Fiskalunion in der Euro-Zone schaffen“, sagte Merkel nach dem Ende der Verhandlungen. Draghi sprach von einem sehr guten Ergebnis.
200 Milliarden sollen bei IWF hinterlegt werden
Van Rompuy kündigte auch Mittel von 200 Milliarden Euro für den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise an. Diese Mittel des Euro-Rettungsschirms EFSF könnten so schnell freigegeben werden. Der neue Rettungsschirm ESM soll bereits Mitte Juli 2012 in Kraft treten. Was die Privatsektorbeteiligung wie im Falle Griechenlands betrifft, werde man sich an die Praktiken und Prinzipien des IWF halten, so Van Rompuy nach der Nachtsitzung. „Unser erstes Herangehen an die Gläubigerbeteiligung, das einen sehr negativen Effekt auf die Anleihemärkte hatte, ist jetzt offiziell vorbei“, sagte er.
Keine Banklizenz für Rettungsschirm
Die EU-Staaten wollten nun binnen einer Woche prüfen, ob die Mittel des IWF von den EU-Ländern um 200 Milliarde Euro aufgestockt werden können. Der ESM werde keine Banklizenz erhalten, fügte Sarkozy hinzu. Gegen einen solchen Schritt hatte sich Merkel gewehrt. Mit einer Banklizenz könnten sich der ESM-Rettungsfonds Geld bei der Zentralbank holen: Er würde dabei gekaufte Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit für neues Geld hinterlegen dürfen. Mit den neuen Mitteln könnte der Fonds weitere Staatspapiere von Schuldenstaaten kaufen, um diesen unter die Arme zu greifen. Die Schlagkraft des Fonds würde so erhöht, weil er seine verfügbaren Mittel von höchstens 500 Milliarden Euro mehrfach einsetzen könnte.
Gerade in Deutschland wurde aber befürchtet, dass dieses Modell zu Inflation führen würde, wenn die EZB dafür zu stark die Notenpresse anwerfen müsste. Zudem wäre eine solche Finanzierung von Staaten durch die EZB verboten.
China bekräftigt Vertrauen
China äußerte die Hoffnung, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels die Märkte stabilisieren und das Vertrauen stärken können. Das chinesische Außenministerium erklärte am Freitag, in Brüssel seien wichtige Schritte eingeleitet worden. Am Vertrauen Chinas, dass die EU die Krise meistern könne, habe sich nichts geändert. Zudem bekräftigte die chinesische Führung, die EU bei ihren Bemühungen im Kampf gegen die Schuldenkrise weiterhin zu unterstützen.
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