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900 Soldaten im Einsatz

Das japanische Militär hat am Mittwoch mit Dekontaminierungsarbeiten in der 20-Kilometer-Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima I begonnen. Das Kabinett hatte am Vortag den Einsatz von rund 900 Soldaten der Selbstverteidigungsstreitkräfte gebilligt. Sie sollen in vier Orten in der Provinz Fukushima öffentliche Gebäude dekontaminieren.

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Die Gebäude in den Ortschaften Namie, Naraha, Tomioka und Iitate sollen als Stützpunkte für eine großangelegte Dekontaminierung verstrahlter Gebiete dienen, mit der die Regierung im Jänner beginnen will. Der Einsatz der Streitkräfte ist auf etwa zwei Wochen angelegt.

Leck entdeckt

Die Regierung hatte im April, gut einen Monat nach Beginn der Atomkatastrophe infolge des Erdbebens und Tsunamis vom 11. März, eine Sperrzone um das AKW verhängt. Dort versuchen die Arbeiter noch immer, die beschädigten Reaktoren endlich unter Kontrolle zu bringen. Dabei müssen die Männer immer wieder mit Rückschlägen kämpfen.

So flossen am Wochenende aus einem Gebäude für die Entsalzung verstrahlten Meerwassers zur Reaktorkühlung rund 150 Liter strontiumhaltiges Wasser in den 500 Meter entfernten Pazifik, teilte der Betreiberkonzern TEPCO mit. Die Menge radioaktiver Substanzen entspreche 26 Milliarden Becquerel. Das sind zwölf Prozent der jährlichen Emissionsrichtwerte für das AKW in Zeiten eines normalen Betriebs. Die Belastung in dem herausgesickerten Wasser sei denn auch „vernachlässigbar“, wurde TEPCO zitiert.

TEPCO: Von Cäsium gereinigt

Es sei zwar zuvor von radioaktivem Cäsium gereinigt worden, hieß es vonseiten TEPCOS weiter. Die Anlage sei jedoch nicht in der Lage, Strontium aus dem Wasser zu entfernen. Strontium kann zu Knochenkrebs und Leukämie führen. Der Vorfall werde jedoch nichts an dem Plan ändern, die beschädigten Reaktoren bis Ende dieses Jahres unter Kontrolle zu bringen, hieß es unter Berufung auf die Atomsicherheitsbehörde. Die Reaktoren würden weiterhin stabil gekühlt. Auch die Arbeiten zur Dekontaminierung des Wassers, das zur Kühlung der Reaktoren eingesetzt wird, kämen voran.

Verstrahltes Wasser absichtlich abgelassen

Bereits zuvor war mehrmals hochgradig verstrahltes Wasser in den Pazifischen Ozean geflossen. Im April ließ TEPCO zudem absichtlich schwach strahlendes Wasser mit 150 Milliarden Becquerel ins Meer ab, um Platz zur Lagerung von stark verseuchtem Wasser zu schaffen. Hinzu kommt Radioaktivität von Partikeln, die mit dem Regenwasser in den Ozean gespült wurden.

Anfangs war die Wassermenge in dem Gebäude zur Entsalzung von verstrahltem Meerwasser auf 45 Kubikmeter geschätzt worden, wovon laut ersten Berichten etwa 300 Liter durch einen Betonriss herausgesickert seien. Neue Untersuchungen ergaben jedoch, dass sich 15 Kubikmeter darin befanden und nur 150 Liter ausliefen.

Die Wasseraufbereitungsanlage ist notwendig, um Wasser zur Kühlung der beschädigten Reaktoren 1 bis 3 zur Verfügung zu haben. Mit dem Erdbeben und Tsunami vom 11. März ist die Kühlfunktion in den Reaktoren ausgefallen. Daher wird weiter Wasser in die Reaktoren gepumpt. Dieses wird danach in der Reinigungsanlage dekontaminiert und dann erneut zur Kühlung benutzt.

Arbeiter schildern Katastrophe

TEPCO veröffentlichte Anfang Dezember Berichte von Arbeitern über die ausweglosen Momente während des Erdbebens und Tsunamis im März. „Als einer der Arbeiter in den Raum rannte und rief: ‚Meerwasser strömt herein‘, begriff ich, dass ein Tsunami die Anlage getroffen hatte“, wird ein Vorgesetzter in einem Kontrollraum in dem am Freitag von TEPCO veröffentlichten Zwischenbericht zitiert. Die Lichter seien ausgegangen, und er habe sich völlig hilflos gefühlt. Andere Arbeiter hätten sich ängstlich gezeigt und die Anlage angesichts der hoffnungslosen Situation verlassen wollen.

Mit dem Zwischenbericht werden erstmals Erfahrungsberichte von Arbeitern aus dem Atomkraftwerk öffentlich gemacht. Beschrieben werden unter anderem Versuche, Druck aus einem Reaktor zu lassen, um eine Kernschmelze zu verhindern. Ein Arbeiter berichtet, wie er mit Kollegen in Schutzmontur in einen stark verstrahlten Bereich gegangen sei, junge Kollegen aber aufgrund der hohen Strahlung daran gehindert worden seien. Die Hitze sei so groß gewesen, dass seine Stiefel geschmolzen seien. Ein weiterer berichtet davon, dass die Belegschaft wegen der vielen Nachbeben immer wieder aus Angst vor einem weiteren Tsunami einen Hügel hinaufgelaufen sei.

Cäsium in Babynahrung

Erstmals nach Beginn der Atomkatastrophe wurde laut einem Medienbericht radioaktives Cäsium in Milchpulver für Babys festgestellt. Nach Informationen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo von Dienstag wurde in einer Probe des Nahrungsmittelherstellers Meiji Cäsium von bis zu 30,8 Becquerel pro Kilogramm gefunden. Wie das Isotop in das Milchpulver gelangte, sei noch unklar. Das Unternehmen selbst vermute jedoch, dass es auf Fukushima I zurückzuführen sei, meldete Kyodo unter Berufung auf informierte Kreise. Die Höhe der Belastung des Milchpulvers liege jedoch deutlich unter dem von der Regierung festgesetzten Grenzwert von 200 Becquerel pro Kilogramm.

Das Erdbeben der Stärke 9,0 und der anschließende Tsunami legten die Elektrizitäts- und Kühlsysteme des Atomkraftwerks im Nordosten Japans lahm und hatten die schwerste Atomkatastrophe seit Tschernobyl vor 25 Jahren zur Folge. Rund 20.000 Menschen kamen durch das Erdbeben und den Tsunami ums Leben. Durch den Atomunfall gab es zwar keine direkten Todesopfer, Zehntausende Menschen wurden jedoch obdachlos, da ganze Städte wegen der radioaktiven Strahlung unbewohnbar wurden.

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